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Schellings Budget: 565 Mio mehr für Flüchtlinge

Heute Redaktion
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Bild: Helmut Graf

In seiner ersten Budgetrede kündigte Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) am Mittwoch die Pläne für 2016 an und nahm die österreichische Nationalmannschaft als Vorbild. Größte Kostentreiber: Flüchtlinge, Arbeitsmarkt, und Pensionen.

In seiner ersten Budgetrede kündigte  am Mittwoch die Pläne für 2016 an und nahm die österreichische Nationalmannschaft als Vorbild. Größte Kostentreiber: Flüchtlinge, Arbeitsmarkt, und Pensionen.

Das Doppelbudget 2014/15 hatte noch Schellings im August 2014 zurückgetretener Vorgänger Michael Spindelegger (ÖVP) verantwortet. Das von SPÖ und ÖVP eigentlich erst für 2016 angekündigte „strukturelle Nulldefizit“ erreichte die Koalition bereits im Vorjahr. Nun gilt es aber, diesen auf EU-Ebene vereinbarten Zielwert für die kommenden Jahre zu halten.

Die Gegenfinanzierung der Steuerreform sei "ausgewogen". Nur über mehr Wachstum werde man nicht von 85 auf 60 Prozent Staatsverschuldung kommen, sagte Schelling. Dafür müsste Österreich zehn Jahre lang 3,6 Prozent Wachstum generieren. Das sei nicht realistisch. 

Ohne Bankenpaket läge der österreichische Schuldenstand 2016 bei 261,8 Milliarden Euro - so werden es 296 Milliarden sein, sagte Schelling.

Die Zahlen im  Detail:

Flüchtlingskosten

Den Flüchtlingsandrang bezeichnete Schelling als einen der "größten Kostentreiber" im Jahr 2016. Nächstes Jahr rechnet das Finanzministerium mit Kosten von knapp 1 Mrd Euro. Die Regierung geht in ihren Berechnungen von 85.000 Flüchtlingen aus, die sich durchschnittlich in Österreich aufhalten. Pro Flüchtling machen das 10.724 Euro im Jahr aus. Die Kosten für die Bewältigung der starken Flüchtlingsbewegungen sollen das Ziel 2016 nicht beeinträchtigen. Österreich habe eine lange Tradition, wenn es um humanitäre Hilfe geht, betonte Schelling. Die Mittel für die Grundversorgung werden auf 420 Mio Euro erhöht, 75 Millionen gibt es für einen Integrations-Sondertopf und 70 Mio Euro für den Arbeitsmarkt. Zusätzlich dürfen die Länder vom innerösterreichischen Stabilitätspakt um 0,1 Prozent abweichen - sie dürfen also Schulden aufnehmen. Dies entspricht Mitteln in Höhe von 345 Mio. Euro. Und noch für 2015 muss das Innenressort eine Lücke von über 200 Mio. Euro stopfen. "Wir haben die Wahl zwischen einer Reparatur, oder wir warten, bis es zum Motorschaden kommt." 

Schelling hatte wegen der explodierenden Kosten für die Flüchtlingsversorgung darauf gedrängt, die Ausgaben als außerordentliche Belastung aus dem Budget herauszunehmen, um die Stabilitätsrichtlinien der EU nicht zu verletzen. Laut Schelling werden 0,12 Prozent aus dem strukturellen Nulldefizit als "Einmalkosten" herausgerechnet. Damit liegt man bei 0,54 %, was laut Finanzministerium als "strukturelles Nulldefizit" durchgehen sollte. Und sollte die EU-Kommission das Herausrechnen nicht akzeptieren, erwartet er kein Probleme, da die Mitgliedsstaaten alle drei Jahre die Vorgaben leicht überschreiten dürften. Eine offizielle Bewertung des Budgets durch die EU-Kommission sollte bis spätestens Ende November vorliegen.

Innenressort

497,7 Millionen Euro mehr gibt es für den Bereich Inneres - vor allem wegen der Flüchtlingssituation. 72 Millionen gibt es auch für ein Sicherheitspaket.

Bundesheer

"Für das Bundesheer haben wir gemeinsam ein Sonderinvestitionspaket in der Höhe von 96 Millionen Euro geschnürt. Dieses Geld soll vor allem in die Anschaffung neuer Gerätschaften fließen", so Schelling.

Pensionen

Bis 29. Feburar 2016 sollen Maßnahmen vorgestellt werden, wie das Pensionssystem für die nächsten Jahrzehnte gesichert werden kann. Im nächsten Jahr gibt es 340 Millionen Euro zusätzlich für die Pensionen. Pro Jahr steigt dieser Ausgabenbereich um 4,2 Prozent.

Landwirtschaft

Dass die Wiesen bis zur Baumgrenze bewirtschaftet werden, müsse uns auch etwas wert sein, sagte Schelling. 2,1 Milliarden gibt es daher für das Landwirtschaftsressort. "Gerade bei der Landwirtschaft muss Österreich auch weiterhin jeden Cent in Brüssel abholen", so Schelling.

Arbeit, Soziales

Knapp 50 Prozent des Budget gehe für den Großbereich "soziale Sicherheit". Kaum ein anderes Land investiere so viel Geld in die soziale Sicherheit. "Für den Bereich Arbeit haben wir 2016 Mehrauszahlungen in der Höhe von 944 Millionen Euro veranschlagt. Die Schwerpunkte liegen in Leistungen für Arbeitslose und aktive Arbeitsmarktpolitik. Aufgrund der konjunkturellen Lage werden wir das Budget für ältere Arbeitnehmer von 150 Millionen auf 250 Millionen Euro aufstocken" erklärte Schelling. Für den Bereich Soziales und Konsumentenschutz sind für kommendes Jahr rund 50 Millionen Euro mehr veranschlagt. Für Arbeit gibt es künftig 944 Millionen Euro an Mehrausgaben - vor allem wegen der höheren Arbeitslosenzahlen. 

Gesundheit, Familie

Für kommendes Jahr ist eine Aufstockung des Gesundheitsbudgets in der Höhe von 86 Millionen Euro vorgesehen. Bei der Familienbeihilfe ist per 1.1.2016 eine Erhöhung von 1,6 Prozent vorgesehen, was Mehrkosten von 64,3 Millionen Euro entspricht.

Außenpolitik

428 Millionen Euro wird in die Außenpolitik investiert. "Wir haben neue Schwerpunkte erarbeitet, wie man als Reaktion auf die Russlandkrise neue Märkte erschließt", so Schelling, der auf den Beitritt Österreichs als Gründungsmitglied in die neue Asiatische Entwicklungsbank (AIIB) verwies. Die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds steigen von fünf auf 20 Millionen Euro. Hungehilfe: zwischen 10 und 20 Mio Euro.

Justiz

Für den Bereich Justiz sind 2016 1,3 Milliarden Euro budgetiert. "Ein wichtiger Grund für den Erfolg unseres Standortes ist die Justiz. In internationalen Vergleichen ist unser Rechtssystem immer wieder in den vorderen Rängen zu finden. Durch ausgewiesene unabhängige Experten ist die Rechtspflege in Österreich ein Aushängeschild", betont Schelling. 

Bildung, Forschung, Kunst:

106,4 Millionen mehr Geld wird es 2016 für Bildung geben, als 2015. Die Zusage für Zusatzmittel für die Grundlagenforschung in der Höhe von 100 Millionen Euro bleibt auch 2016 aufrecht. Die Forschungsquote steige erstmals auf über drei Prozent. "Österreich ist eine Kulturnation", daher gebe es 15,5 Millionen mehr für das Kulturressort. Die Universitäten erhalten mehr Mittel. Der Breitbandausbau wird fortgesetzt. "Kommendes Jahr werden wir 300 Millionen Euro in den Breitbandausbau investieren. Gerade entlegene Regionen wollen wir mit schnellerer Datenanbindungen versorgen", betonte der Finanzminister.

Bund-Länder-Gemeinden

Neben der Abschaffung der Kalten Progression, dem Bürokratieabbau und der Abarbeitung der Altlasten aus dem Hypo Desaster sieht der Finanzminister in der Neuordnung der Bund-Länder-Gemeinde-Verantwortlichkeiten eine große Chance für Österreich. "Beim neuen Finanzausgleich geht es um 95 Milliarden Euro. Wir wissen, dass der Finanzausgleich in seiner heutigen Form undurchschaubar und durch die Vielzahl an Finanzströmen ineffizient ist. Das wollen wir ändern und die Kompetenzen klar definieren. Es kann nicht sein, dass einer bestellt und der andere zahlt", so Schelling. 

Zum Abschluss verglich Schelling Österreichs Wirtschaft mit dem Fußballteam: "Wir müssen unser bestes geben und nach oben streben". Schelling nimmt als Beispiel die österreichische Nationalmannschaft: "Jeder Teamspieler hat das gleiche Ziel vor Augen. Nur so sammelt man unkte für Österreich. Dieses Teamwork brauchen wir auch in der Poiltik. Wir müssen Österreich wieder an die Spitze bringen. Nehmen Sie mich beim Wort".

Die Steuerreform wird Bund, Länder und Gemeinden 2016 gut 3,9 Mrd. Euro kosten. Das selbst auferlegte„strukturelles Nulldefizit“ hängt auch vom Erfolg der Gegenfinanzierung der Steuerreform ab. Zweifel darüber kamen im Vorfeld vom Fiskalrat sowie vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Offen etwa ist, wie die Regierung die versprochenen Einsparungen von 1,1 Mrd. Euro bei Förderungen und Verwaltung bewältigen will. Und ob die Bekämpfung von Steuer- und Abgabenbetrug tatsächlich eine Mrd. Euro bringt.

Der Fiskalrat äußerte im Vorfeld auch Zweifel bezüglich der verheerenden Folgekosten aus dem Hypo-Schlamassel. Für die Abbaubank Heta sind 200 Mio. Euro budgetiert. „Ein paar Milliarden“ werde die Bank die Steuerzahler noch kosten, man wisse aber nicht genau, wie viel, sagte Fiskalratspräsident Bernhard Felderer Anfang Oktober.

 

Der Finanzrahmen war im Mai beschlossen worden: Ausgaben von 76,5 Mrd. Euro stehen Einnahmen von 71,7 Mrd. Euro gegenüber. Bis 2019 soll diese Differenz auf eine Mrd. Euro schrumpfen. Die Staatsschulden sollen ab 2016 wieder sinken: von dem für heuer geplanten Rekordwert (86,8 Prozent des BIP) auf 85,7 Prozent im kommenden Jahr und 79,7 Prozent 2019. 

Die erste Parlamentsdebatte über das neue Budget ist für Donnerstag vorgesehen. Ein Expertenhearing gibt es am 16. November. Beschlossen wird das Budget nach der traditionell mehrtägigen Debatte am 26. November.