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Schockvideo von Folter erschüttert ganz Georgien

Heute Redaktion
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Es sind Szenen wie aus einem Horrorfilm, die mitten im Wahlkampf Georgien schockieren. Brutale Gefängniswärter lassen nackten Gefangenen Gegenstände in den After einführen und filmen die Exzesse. Was aktuell die Nachrichten in der Ex-Sowjetrepublik zeigen, treibt die Georgier in Massen zu Protesten auf die Straße. Sogar staatstreue Sender kritisieren in ungewohnter Schärfe die Regierung von Präsident Michail Saakaschwili, der seit dem Südkaukasus-Krieg mit Russland im August 2008 als politisch angeschlagen gilt.

"Es ist so furchtbar, dass ich nach wenigen Sekunden wegschauen musste", sagt die junge Sekretärin Ana bei Protesten am Konzertsaal in der Hauptstadt Tiflis. Sie meint - wie viele Menschen auf der Straße - dass dieser erste Bildbeweis für die immer wieder von Menschenrechtlern kritisierte staatliche Gewalt in Gefängnissen das politische Ende von Saakaschwilis Führung bedeuten könnte. Das Image eines prowestlichen Hoffnungsträgers hat der erst 44 Jahre alte Held der Rosenrevolution von 2003 aus Sicht vieler hier längst verloren.

Die Stimmung in Tiflis ist so gespannt wie seit Jahren nicht mehr. Saakaschwili hat erstmals überhaupt einen Konkurrenten auf Augenhöhe, den milliardenschweren Oligarchen Bidsina Iwanischwili. Dem 56-jährigen Unternehmer kommt die "Entlarvung des Regimes" wenige Tage vor dem Urnengang gelegen. Er ruft die Wähler auf, am 1. Oktober bei der Parlamentswahl über Georgiens Zukunft zu entscheiden.

"Ich wollte dem Ganzen ein Ende bereiten"

Ein früherer georgischer Gefängniswärter, der Videoaufnahmen mutmaßlicher Misshandlungen von Häftlingen veröffentlichte, wollte damit nach eigenen Angaben ein Ende der Folter in der Ex-Sowjetrepublik erreichen. "Ich wollte dem Ganzen für immer und ewig ein Ende bereiten", sagte Wladimir Bedukadse im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Der 35-Jährige war nach eigenen Angaben seit 2008 im Gldani-Gefängnis bei Tiflis beschäftigt. Die erschütternden Aufnahmen machte er demnach zwischen 2010 und 2012.

"Ich wollte zeigen, was vor sich ging, damit die Leute das wissen", sagte Bedukadse in Brüssel, wo er politisches Asyl beantragte. Auf den Aufnahmen werden Häftlinge brutal getreten und offenbar vergewaltigt. Nach Bedukadse wird in Georgien gefahndet. Er floh nach eigenen Angaben im Mai mit den Videos und erreichte im Juli Brüssel. Seine Familie ist demnach jedoch weiterhin in Georgien. Bedukadse wies Vorwürfe zurück, er habe im Namen der Opposition gehandelt. "Ich wurde nicht bezahlt. Es war ein persönlicher Protest". Sein Anwalt erklärte, wenn es keine Folter gegeben hätte, gäbe es auch keine Videos.

Erste Festnahmen und Rücktritte

Auch Saakaschwili sprach von einem "Schock" wegen der Videos, es gab erste Festnahmen und Rücktritte. Der Präsident sicherte Aufklärung und ein "gewaltfreies Georgien" zu. Er wies Regierungschef Wano Merabischwili an, die Reform des Strafvollzugs zu überwachen. "Wir als Behörden haben schwere Fehler gemacht", räumte der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Giga Bokeria, ein.

Viele Georgier verlangen nun vor allem den Rücktritt von Innenminister Batscho Achalaija (31). Dem früheren Chef des Strafvollzugs wird eine krankhafte Lust nachgesagt, Menschen zu quälen. Einige der Festgenommenen gelten als seine Verbündete. Die Opposition hofft nun, dass Saakaschwili den Skandal nicht nutzt, um die Wahl zu verschieben. Iwanischwili - der reichste Mann des Landes - hat die Weichen für eine Machtübernahme gestellt. In seinem Umfeld sind prowestliche Kräfte, darunter Diplomaten, die sich von Saakaschwili abgewandt haben. Dieser Teil der georgischen Elite warnt die EU und die USA davor, sich vom Präsidenten blenden zu lassen. Sie werfen der Führung schon jetzt schwerste Verstöße gegen das Wahlgesetz vor.