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Seeadler adeln "Heute"-Exkursion in den Seewinkel

Heute Redaktion
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Der Besuch im Nationalpark Neusiedl - Seewinkel haut mich von den Socken. Rund um Europas westlichsten Steppensee steppt zwar nicht der Bär, dafür aber andere Tiere.

Meine Reise führt mich zum Neusiedler See, umgangsprachlich auch schon mal als "Gatschlacke" oder "Meer der Wiener" verunglimpft. Beide Bezeichnungen sind wenig schmeichelhaft und werden der Region Seewinkel nicht gerecht. Denn schließlich sind der See und sein Umland nicht als Badeplatz für den Homo Austriacus geschaffen worden, sondern in erster Linie als Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten.

Hurra, die Steinadler sind da

Ich muss zugeben, den Neusiedler See bisher ebenfalls fast ausschließlich als Badegelegenheit wahrgenommen zu haben. Das ändert sich mit einem Besuch im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel schnell. Schon bei der Anfahrt kreuzen mehrmals Gänsefamilien meinen Weg, immer wieder sehe ich Störche, Säbelschnäbler oder Stelzenläufer.

Ich bin außer mir, als zwei Seeadler auf den Plan treten. Die Greifvögel verharren längere Zeit seelenruhig am Rande der Langen Lacke, als könnten sie sich nicht entscheiden, welcher der anderen Wasserbewohner als nächstes dran glauben muss. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, mit guten Ferngläsern oder Objektiven ausgestattet zu sein.

Der Nationalpark besteht nicht nur aus dem Neusiedler See. Feuchtgebiete, Hutweiden, Wiesen, oder Sandsteppen wechseln einander ab. Ich fühle mich in ein fernes Land versetzt, obwohl ich die Grenze nicht überschritten habe. Neben dem See treten auch die salzhaltigen Lacken im Landschaftsbild in Erscheinung. Sie trocknen immer wieder aus, um danach von neuem mit Wasser gefüllt zu werden.

Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel:
Es handelt sich um den Steppennationalpark Österreichs. Seit 1993 stehen insgesamt 300 Quadratmeter auf österreichischer (100 Quadratmeter) und ungarischer Seite unter besonderem Schutz. Das Gebiet ist mit einem Flughafen vergleichbar, es ist ein wichtiges Drehkreuz für den Vogelzug zwischen Afrika und Nordeuropa. Schilfgebiete im südlichen Seeteil, seenahe Wiesen und salzhaltige Lacken sind die wichtigsten Lebensräume.

Der Nationalpark ist Privatsache - von 1.200 Grundbesitzern

Bei all den optischen Eindrücken bemühe ich mich, nicht auf die akustischen Reize zu vergessen. Einerseits, weil einem sonst die zahlreichen Vogelstimmen entgehen, andererseits weil Alois Lang, im Park zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Ökotourismus, mich auch über die Hintergründe aufklärt. Denn im Gegensatz zum ungarischen Teil des Nationalparks ist der Nationalpark Neusiedlersee – Seewinkel nicht in Staats-, sondern sogar zu hundert Prozent in Privatbesitz. 1.200 Grundbesitzer teilen sich das Gebiet, die meisten erhalten eine jährliche Ertragsentschädigung, weil sie ihr Land der Natur zur Verfügung stellen.

Der Nationalpark ist in mehrere Zonen unterteilt. In der Naturzone ist jegliche menschliche Nutzung oder Bewirtschaftung verboten, Besucher haben Zutritt. In der Bewahrungszone darf jeder Natur erleben, Wandersleute, Birder (Vogelbeobachter/Hobbyornithologen) und andere Naturverbundene müssen aber auf den Wegen bleiben. Beobachtungsplätze und Aussichtstürme laden zum Rundumblick ein.

Es ist schön zu sehen, mit wie viel Einsatz die Ranger bei der Sache sind.

Paradies für Birder

Guide und Biologe Alexander Schmied etwa hebt sofort jede noch so kleine Feder oder jedes Gewölle (ausgewürgte, unverdauliche Nahrungsreste von Vögeln) auf. Der 28-Jährige wirkt auch der völlig falschen Vorstellung entgegen, dass ein Vogelexperte immer weißes Haar haben und ein verschrobener Kauz sein muss. Wenn er aus dem Nähkästchen plaudert, nimmt er den Zuseher mit in eine andere Welt.

Sein Rhythmus ist jener der Tiere. Beobachtet er Eulenvögel, wird er selbst zur Nachteule, steht eine Vogelexkursion an, läutet der Wecker hingegen schon mal um 5 Uhr Früh. Geheimtipp für Interessierte ist das jährliche "Panonnian Bird Experience", das wieder im April 2018 stattfindet.

Während der Einfluss in manchen Gebieten gering gehalten werden soll, sind in manchen Bereichen durchaus Eingriffe erwünscht. Beweidung, Wiesenmahd und Schilfschnitt – der Schilfgürtel hat sein Ausmaß von 180 Quadratmetern erst im 20. Jahrhundert erreicht – sind notwendig, um Lebensräume zu erhalten und den Steppencharakter der Region zu erhalten.

Beweidung erfüllt wichtige Aufgabe

Von der Beweidung der traditionellen Hutweideflächen kann ich mir selbst ein Bild machen, als ich eine Herde von Ungarischen Steppenrindern (Grauvieh) beobachte. Zum Einsatz kommen auch Wasserbüffeln, Przewalski-Pferde und Weiße Esel – all diese Tiere "arbeiten" direkt für die Nationalparkverwaltung. Aber auch Privatpersonen leisten mit Beweidung durch Fleckvieh, Aberdeen Angus und Pferdeherden einen wichtigen Beitrag.