Ukraine

Selenski entsetzt: "Russland ist das grenzenlose Böse"

Am Freitag haben zwei Raketen im Bahnhof Kramatorsk mindestens 39 Menschen getötet. Ukraine-Präsident Volodymyr Selenski zeigt sich entsetzt.

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Volodymyr Selenski ist vom Krieg stark gezeichnet. 
Volodymyr Selenski ist vom Krieg stark gezeichnet. 
RONALDO SCHEMIDT / AFP / picturedesk.com

Bei dem Raketenangriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk sind nach Angaben des ukrainischen Geheimdiensts SBU mindestens 39 Menschen getötet worden. Bei den Opfern handle es sich um 35 Erwachsene und vier Kinder, teilte der SBU am Freitag mit. Zuvor war von mindestens 30 Toten und 100 Verletzten die Rede gewesen. Nach Angaben des Kramatorsker Bürgermeisters Olexander Hontscharenko warteten Tausende Menschen am Bahnhof auf ihre Evakuierung aus der umkämpften Region.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bezeichnete Russland in einer ersten Reaktion als "das grenzenlose Böse".  Das russische Militär habe einen ganz gewöhnlichen Bahnhof angegriffen, sagte er am Freitag zu Beginn einer Videoansprache vor dem finnischen Parlament. Menschen hätten an dem Bahnhof auf Züge gewartet, um von diesem in sichere Gebiete evakuiert zu werden. "Das ist nur ein gewöhnlicher Bahnhof, nur eine normale Stadt im Osten der Ukraine", sagte Selenski. Der Angriff zeige, was Russland unter Schutz der Donbass-Region und der russischsprachigen Bevölkerung verstehe. "Das ist der 44. Tag unserer Realität", sagte der ukrainische Präsident. Selenski warf Russland weiter vor, die Zivilbevölkerung seines Landes "zynisch zu vernichten". "Dies ist das grenzenlose Böse", schrieb er auf Twitter. "Und wenn es nicht bestraft wird, wird es nie aufhören."

Gouverneur Pawlo Kyrylenko warf Russland vor, absichtlich auf Zivilisten gezielt zu haben. Prorussische Separatisten in der selbsternannten Volksrepublik Donezk sprachen hingegen von einem ukrainischen Raketenangriff. Kramatorsk liegt im bislang ukrainisch kontrollierten Teil der Region Donezk, auf die die Separatisten Anspruch erheben. Im Nachrichtendienst Telegram kursierte ein Video, das den Abschuss von zwei Raketen aus der Nähe von Schachtarsk zeigen soll. Die Stadt liegt in der von prorussischen Separatisten kontrollierten Region des Gebiets Donezk.

Das Video zum 44. Tag im Ukraine-Krieg 

Auch das russische Verteidigungsministerium wies jegliche Verantwortung für den Angriff zurück. Alle Äusserungen von "Repräsentanten des nationalistischen Regimes in Kiew" über einen angeblich von Russland verübten Angriff auf den Bahnhof in Kramatorsk seien "eine Provokation und vollkommen unwahr", erklärte das Ministerium in Moskau. Das Ministerium betonte zugleich, ausschließlich die ukrainische Armee setze Raketen vom Typ Totschka-U ein. Überreste einer solchen Rakete seien nahe dem Bahnhof gefunden und von Augenzeugen fotografiert worden. Dabei hatte das gleiche Ministerium kurz zuvor mitgeteilt, man habe drei Bahnhöfe in der Donbass-Region mit Hochpräzisionsraketen attackiert. Erst als Bilder der toten Zivilistinnen und Zivilisten auftauchten, ruderte der Kreml zurück.

Bilder des Schreckens nach Raketeneinschlag 

Die ukrainische Führung hatte die Menschen in der Ostukraine zuvor aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen und das Gebiet möglichst Richtung Westen zu verlassen. Russland hatte angekündigt, seine Angriffe auf die Region zu konzentrieren. Vor dem Bahnhofsgebäude standen ausgebrannte Autos, am Eingang und in der Bahnhofshalle waren Blutlachen und verkohlte Sitzbänke zu sehen. Auf dem Bahnhofsvorplatz lagen die Überreste einer Rakete mit der russischen Aufschrift "Für Kinder". Diese Beschriftung wurde bereits in der Vergangenheit auf russischen Geschossen entdeckt worden. Laut der Propaganda des Kremls tötet die Ukraine nämlich seit 2008 Kinder im Donbass. Der Platz war mit verlassenen Gepäckstücken, Scherben und Splittern übersät.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Raketenangriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk scharf verurteilt. Es handele sich um einen "weiteren Versuch, die Fluchtwege für diejenigen zu versperren, die vor diesem ungerechtfertigten Krieg fliehen, und menschliches Leid zu verursachen", schrieb Borrell am Freitag im Internetdienst Twitter. Der Außenbeauftragte machte Russland für den Angriff verantwortlich.