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Sexarbeiterinnen fordern Geld für Corona-Ausfälle

Aus Angst vor Ansteckung streichen Freier den Gang ins Bordell. Betreiber und Sexarbeiterinnen fürchten um ihre Existenz und wollen Entschädigung.

Heute Redaktion
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Sexarbeiter haben aufgrund des Corona-Virus einen starken Umsatzrückgang zu verzeichnen.
Sexarbeiter haben aufgrund des Corona-Virus einen starken Umsatzrückgang zu verzeichnen.
Bild: iStock

Ein schmuckloses Gebäude am Stadtrand von Winterthur, unmittelbar daneben wälzt sich der Verkehr über die Autobahn Richtung Zürich. Hier teilen sich Amelie (35) und die Domina Mistress Justine (39) als Selbstständige ein Erotikstudio. Mehrere Hundert Euro zahlen die beiden Frauen für den Raum – pro Woche.

Zum Studio gehören eine Dusche, eine Küchenzeile, ein Hauptraum mit Bett, Pranger, Fesselvorrichtungen. In einem Regal liegen Handtücher, Peitschen, Gleitgel und Desinfektionsmittel, im Nebenraum befinden sich die Waschmaschine und ein Käfig, in welchem Mistress Justine ihre Klienten einsperrt.

"Seit das Coronavirus da ist, ist mein Umsatz um 80 Prozent eingebrochen", sagt Mistress Justine. Nicht mal die Stammgäste kämen. "Normalerweise habe ich pro Woche bis zu 14 Gäste. Diese Woche hatte ich erst einen. In einer durchschnittlichen Woche verdiene ich 3000 bis 4000 Euro, zurzeit sind es 300 bis 400 Euro."

"Uns aber hört niemand"

Auch Amelie klagt: "Seit dem Coronavirus ist der Umsatz bei mir auch von circa 4000 Euro auf 400 Euro eingebrochen." Die beiden Sexarbeiterinnen fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Bereits jetzt können sie die Miete nicht zahlen und haben beim Vermieter um Aufschub gebeten. "Wir sind genauso Unternehmerinnen wie andere auch. Diese fordern Kurzarbeit und Lohnausfallentschädigung. Sie werden immer lauter. Uns aber hört niemand", sagt Mistress Justine. Erhielten andere Branchen Unterstützung vom Bund, wollten sie das genauso, fordert sie.

Amelie doppelt nach: "Wir werden allein gelassen. Ich wünsche mir Akzeptanz. Wir sind genauso Teil der Wirtschaft, wir zahlen genauso Steuern."

"Wir könnten pleitegehen"

Auch andere Sexarbeiterinnen und Anbieter im Sexgewerbe spüren die Auswirkungen des Coronavirus. Viktoria Pareik-Scholz, Geschäftsführerin des Studios Villa Viktoria in Basel, sagt, dass sie wegen des Coronavirus rund 40 Prozent weniger Kunden verzeichne. "Wenn es noch lange so weitergeht, könnten wir pleitegehen." Auch sie fordert eine Entschädigung für die Arbeitsausfälle. "Ich betreibe einen legalen Betrieb und habe wie andere Betriebe ein Anrecht auf eine finanzielle Entschädigung – etwa Kurzarbeit – in einer solchen Situation."

Der Geschäftsführer des Luzerner Club 51 sagt: "Seit dem Ausbruch des Coronavirus haben wir zwischen 40 und 50 Prozent weniger Kunden." Grund dafür sei, dass der bei Touristen beliebte Escortservice nicht mehr gebucht werde. "Die Touristen haben erst recht Angst vor dem Coronavirus, weil an unserer Straße dauernd Chinesen mit Masken herumlaufen." Andere Kunden hätten wegen des Coronavirus grundsätzlich Angst vor intimen Körperkontakten. Nun warte man ab und hoffe auf bessere Zeiten.

Es brauche Lösungen

"Viele Sexarbeiterinnen sagen, dass sie fast keine Arbeit mehr hätten", sagt Cornelia Zürrer Ritter, Leiterin der Rotlicht-Beratungsstelle Rahab der Heilsarmee. Sie befürchtet, dass viele in der Sozialhilfe landen könnten.

"Für viele Sexarbeitende kann das einschneidende – ja existenzielle – finanzielle Folgen haben, wie für sehr viele selbständig Erwerbende", sagt Lelia Hunziker, Geschäftsführerin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ. Hier brauche es zwingend Überlegungen und Maßnahmen für Lösungen und Unterstützung.

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