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"Sifu" im Test: Knallharter Kung-Fu-Action-Hit

Gegner auf Kreuz legen wie Jackie Chan und dabei gefordert werden wie in einem "Souls"-Game? "Sifu" bietet beides und zeigt sich dabei als Action-Hit.

Rene Findenig
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"Sifu" ist so fordernd wie befriedigend. Als Kung-Fu-Kämpfer gehen Spieler auf Rachefeldzug.
"Sifu" ist so fordernd wie befriedigend. Als Kung-Fu-Kämpfer gehen Spieler auf Rachefeldzug.
Sloclap

Dass sie Martial-Arts in Videospielform perfekt umsetzen können, haben die Entwickler von Sloclap bereits mit ihrem Game "Absolver" eindrucksvoll bewiesen. Nun wird mit "Sifu" für PlayStation 4 und 5 sowie PC noch eine Schippe draufgelegt. Der Titel zeigt sich als beinhartes Kung-Fu-Game, das so fordernd wie befriedigend ist. In "Sifu", das ein reines Einzelspieler-Game ist, schlüpfen Zocker in die Haut eines jungen Kampfsportlers, der nach einem Attentat auf seinen Vater die Mörder seiner Familie jagt. Gespielt wird dabei in Third-Person-Perspektive, trotz linearer Level kommt aber keine Langeweile auf.

Die fünf Regionen im Spiel wirken nur am Papier recht knapp bemessen, in der Praxis sind sie mit Feinden gespickt und spielen sich durchaus kurzweilig und anspruchsvoll. Auch die YouTube-Videos mit Speedruns in unter 30 Minuten sollte man als Durchschnittsspieler ignorieren, denn bis man "Sifu" meistert", gehen einige Stunden ins Land. Jeder der fünf Abschnitte ist zudem mit einem Boss versehen, der dem Spieler das bis dahin Gelernte abverlangt und ihn bis aufs Blut fordert. Zwar handelt es sich um zwei komplett verschiedene Genres, vom Härtegrad gesehen kommt aber ein "Souls"-Feeling auf.

Atemberaubend gutes Kampfsystem

Beim Kampfsystem geht es allerdings nicht nur darum, blitzschnell zu reagieren, sondern auch Button-Kombos einzustudieren. Einfach wild die Tasten drücken? Damit steht man allerspätestens beim ersten Boss vollkommen an! Kernstück des Gameplays ist es, die Verteidigung des Feindes zu durchbrechen. Das gelingt nicht mit wilden Attacken, sondern mit gutem Timing, dem richtigen Einsatz der jeweiligen Attacken und dem Erarbeiten von Spezialangriffen durch Konter und einen Mix aus Angriff und Verteidigung. Es gilt: Scheitern, daraus lernen und besser werden in Dauerschleife.

Der Kampf eröffnet dem Spieler ungeahnte Freiheiten. Zwar werden per Dreieck- und Quadrat-Button am PlayStation-Controller nur schwere und leichte Attacken geboten, ihre richtige Aneinanderreihung löst aber Dutzende Manöver aus. Beispiel: Quadrat, Quadrat, Dreieck lässt die Spielfigur den Gegner mit einem Tritt von uns wegfliegen, dreimal Quadrat und einem Dreieck löst dagegen einen Roundhouse-Kick aus. Die Kombos fordern und überfordern anfangs gehörig, wie in Hardcore-Rollenspielen à la "Nioh" fühlt es sich jedoch fantastisch an, wenn man den Dreh endlich raus hat.

Waffen bringen zusätzliche Würze ins Spiel

Zusätzliche Würze bringen Waffen ins Spiel, die optional in der Spielwelt genutzt werden können. So gut wie an jedem Ort kann man sich ein oder zwei Dinge in der Umgebung schnappen und sie gegen die Feinde einsetzen – etwa riesige Messer in einer Küche oder ein rostiges Stück Abflussrohr in einem staubigen Hinterhof. Außerdem weiß man in "Sifu" nie, was einen gerade erwartet: Prügelte man sich gerade noch durch eine Gruppe lächerlicher Kameraden, kann der nächste Feind plötzlich unüberwindbar stark sein, obwohl er kein Boss ist. Das fühlt sich im Spiel ungewohnt, aber überraschend erfrischend an.

Von beinhart aber gar nicht zu reden. Wie beinhart? So sehr, dass Sloclap uns sogar einen Speicherstand für das Endgame bereitstellte, sollten wir es aus eigener Kraft und eigenem Können nicht so weit schaffen. Wer an einer Stelle gar nicht mehr weiterkommt, kann einige Trainingsstunden im eigens dafür vorgesehenen Modus absolvieren. Dort lernt man in kleineren Schritten die perfekten Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten, die man zu den durchschlagenden Kombos verketten kann. Wer ein Beat 'em up erwartet, bei dem Feinde bei jeder Berührung sofort umfallen, ist bei "Sifu" wohl an der falschen Stelle.

Mit jedem Tod wird man ein Stück älter

Wie in "Nioh" ist der Spieler auch in "Sifu" gefordert, sich fast alles selbst beizubringen. Das macht jenen Spaß, die sich in Games wie den Teilen der "Souls"-Reihe richtig reinfuchsen wollen, lässt aber Gelegenheitsspieler eher durch die Finger schauen. Bisher bietet "Sifu" auch keine verschiedenen Schwierigkeitsgrade und ist als Roguelite deswegen für alle Spieler gleich fordernd – die Entwickler planen jedoch bereits ein Update, das sowohl einen leichteren als auch einen schwereren Schwierigkeitsgrad für das Spiel bringen soll. Wann das genau passieren wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch unklar.

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    Dass sie Martial-Arts in Videospielform perfekt umsetzen können, haben die Entwickler von Sloclap bereits mit ihrem Game "Absolver" eindrucksvoll bewiesen. 
    Dass sie Martial-Arts in Videospielform perfekt umsetzen können, haben die Entwickler von Sloclap bereits mit ihrem Game "Absolver" eindrucksvoll bewiesen.
    Sloclap

    Neben den nutzbaren Waffen bietet "Sifu" auch noch eine weitere, sehr spezielle Mechanik. Stirbt man in einem Level nach einer Tracht Prügel, geht es nicht direkt von vorne los, sondern man darf direkt an der Stelle des Scheiterns weiterspielen. Dafür sorgt ein magischer Anhänger der Spielfigur – doch die vermeintliche Erleichterung macht das Game in Wahrheit noch ein Stück knackiger. Je Spieltod und neuem Versuch sorgt der Talisman dafür, dass die Spielfigur Jahr für Jahr altert – das ist nur begrenzt möglich und wenn es zu viel wird, muss man das gesamte Level komplett von vorne neu beginnen.

    Jung und wild oder lieber alt und stark

    Die Altersmechanik offenbart aber noch weitere Geheimnisse. Etwa, dass mit steigendem Alter unser Charakter zwar stärker, die Gesundheitsleiste aber immer kürzer wird. Entsprechend wie im realen Leben werden Spieler so vom jungen Kung-Fu-Schüler zum weisen Meister, der die Techniken des Kampfsports perfekt beherrschen soll. Dazu kommt, dass man mit jedem Spieltod auf einen Fähigkeitenbaum zugreifen und dort die erspielten Erfahrungspunkte in neue Techniken und Kombos investieren darf. Ein geschicktes Abwägen von Tod, Wiedergeburt und Können ist deswegen jederzeit absolut notwendig.

    Je nach Spielweise schwankt man anfangs zwischen zwei Extremen: Wer "Sifu" gut beherrscht, wird ohne sonderlich viel Tode als junger Kämpfer einigermaßen weit kommen, dann aber über kaum neue Attacken und Kombos verfügen und dadurch immer mehr unter Druck geraten. Auf der anderen Seite werden Spieler, die oft scheitern, schnell stärker, müssen dann aber ihren "Todeszähler" über weite Spiel-Strecken niedrig halten und dabei auch kaum Angriffe einstecken, um nicht vollends das Zeitliche zu segnen. Erst nach mehrmaligen Durchläufen findet man dabei den persönlich besten Mix.

    Grafisch sensationell und toll inszeniert

    Grafisch geht "Sifu" ebenso wie spielerisch einen ganz eigenen Weg – gezockt wird in einer Art düsterem Anime-Comic-Look, wobei sich die fünf Regionen abwechslungsreich voneinander unterscheiden. Gestartet wird in einem Dojo, dann prügelt man sich durch ein heruntergekommenes Lagerhaus – in dem sich die Perspektive teils zu einem Sidescroller verändert, eine tolle Überraschung! – bis hinein in neonbeleuchtete Bars und moderne Hightech-Tower sowie schneebedeckte Hügel und beschauliche Wassergebiete mit Wellengang. Die Kamera zoomt und schwenkt dazu im Takt der Fäuste – toll inszeniert!

    In Sachen Grafik und Inszenierung geht "Sifu" seinen eigenen, toll umgesetzten Weg.
    In Sachen Grafik und Inszenierung geht "Sifu" seinen eigenen, toll umgesetzten Weg.
    Sloclap

    Die sich je nach Spielsituation von ruhig zu treibend verändernde Musik tut ihr übriges zum super Eindruck dazu. Hat man "Sifu" einmal durchgespielt, gibt es Dutzende Gadgets, die den Wiederspielwert erhöhen. Bei weiteren Durchgängen schalten sich manchmal neue Level-Abschnitte oder optionale Zusatzgegner frei, außerdem finden sich geheime Items und andere Sammelobjekte in den Arealen und eine Art Übersichtsboard zeigt nicht nur den Sammel-Fortschritt, sondern liefert Hinweise darauf, wie sie mit dem Spiel und zueinander in Verbindung stehen. Wer will, kann locker 100 Stunden mit "Sifu" verbringen.

    "Sifu" ist ein knallharter Kung-Fu-Action-Hit

    Bei der Handlung wäre noch etwas mehr drinnen gewesen, die Story verläuft zum größten Teil erwartungsgemäß und die zwischendrin wählbaren Dialogoptionen bei Treffen mit Charakteren scheinen kaum etwas am Ablauf zu verändern. Umso mehr treibt uns an, das Spiel in verschiedenen Stilen und vor allem verschiedenem Alter des Protagonisten zu bestreiten. Die Todes-Mechanik der Entwickler wird schnell zur Faszination, die die Spieler zu immer neuen Durchläufen antreibt. Dass dabei mit jedem Versuch die Kämpfe immer flüssiger werden, ist ein zusätzlicher Antrieb am Weg zum Kung-Fu-Meister.

    Beinharte Action, lohnende Kämpfe und eine gewaltige Atmosphäre, die auch nach dem zehnten Durchgang noch anständig motiviert – wer weiß, dass er sich mit dem neuen "Sifu" auf knallharte Kung-Fu-Action einlässt, bekommt das wohl beste Martial-Arts-Videospiel unserer Zeit. Mitbringen muss man Geduld, Lernwilligkeit und eine hohe Frustrationsgrenze – wohl ebenso wie in der Realität, wenn man sich in Kung Fu üben will. Im Test hat der neuartige Roguelite-Mix vollkommen überzeugt – und lässt uns mit Spannung erwarten, welche zusätzlichen Inhalte die Entwickler Sloclap "Sifu" noch spendieren könnten.