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Solid, ausgeglichen und ganz schön sympathisch

Mit dem 170 V nahm Mercedes-Benz nach dem Krieg die Produktion wieder auf. Und das Vorkriegsmodell schlug sich noch über Jahre wacker.

Heute Redaktion
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Dass der Mercedes-Benz 170 V kein Youngtimer ist, sieht man sofort. Die herausstehenden Kotflügel und der aufrechte Kühlergrill erinnern zu Recht an die "richtigen" Oldtimer aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings wurde dieses schwarze Exemplar erst nach dem Krieg gebaut. Und dass es der 170 V auf eine Bauzeit von fast 20 Jahren brachte, zeigt, wie ausgereift und fortschrittlich die Konstruktion aus dem Jahr 1936 war.

Der 170 V wurde als einziges Vorkriegs-Modell nach dem Krieg weitergebaut und sicherte den Wiederaufbau der Mercedes-Fabriken in Sindelfingen und Untertürkheim. Schon kurz nach Kriegsende entstanden bereits wieder die ersten Fahrzeuge, zunächst für den Einsatz als Leichtlastwagen, Krankenwagen oder Polizeifahrzeuge. Doch schon bald entstanden auch wieder viertürige Limousinen.

Schritt um Schritt verbessert

1950 wurde der 170 V einer Modellpflege unterzogen, leistete nun 45 PS mit 1,8 Liter Hubraum anstatt 38 PS mit 1,7 Liter Hubraum. Die Spur wurde breiter, der Kofferraum war nun von außen zugänglich. Damit war man für die erstarkende Konkurrenz der Nachkriegszeit gerüstet.

Mit einer Rohrrahmenkonstruktion als Chassis und Einzelradaufhängungen rundum (hinten als Pendelachse ausgeführt) war der 170 V auch Anfang der 1950er-Jahre auf der Höhe der Zeit. Der robuste Vierzylinder hatte sich bewährt, die vier Gänge waren nun alle synchronisiert. Selbst ein bisschen Luxus in Form von Tankuhr oder Heizung war an Bord.

Für Sparfüchse gab es noch eine Dieselvariante 170 D, die zwar um rund 20 Prozent teurer war, dafür aber auch über zwei Liter Treibstoff pro 100 km sparte. Trotzdem rechnete sich der Diesel, der notabene damals schon dieselben Fahrleistungen bot wie der Benziner, erst nach einer Fahrtstrecke von rund 80.000 km.

Fast 70 Jahre später

Wer sich heute in einen rund 70-jährigen 170 V setzt, muss schon ein wenig umlernen. Das beginnt schon mit der nach hinten öffnenden Tür, die man besser gut verschließt, wenn man drinsitzt.

Mit dem Zündschlüssel wird das Lenkrad entriegelt (fortschrittlich!) und die Zündung eingeschaltet, gestartet aber wird mit einem Knopf oberhalb des Gaspedals. Man drückt also mit dem Fußballen auf den Knopf und regelt die Gemischzufuhr mit der Ferse. Wenn das Auto flach steht, geht dies problemlos, doch wenn man im Gefälle auch noch gleichzeitig kuppeln und bremsen möchte, dann fehlt einem ein Fuß. Natürlich lässt sich dieses Dilemma durch Anziehen der Handbremse links unter dem Lenkrad oder Neutralstellung der Gangschaltung lösen.

Die Schaltwege des vollsynchronisierten Vierganggetriebes sind lang, und ab und zu haben die Finger schmerzhaften Kontakt mit den Kanten am Armaturenbrett, wenn man nicht aufpasst.

Sportlich ist man kaum unterwegs, aber ein Verkehrshindernis wird man auf der Landstraße auch nur selten. Die 45 PS reichen für zügiges Fortkommen der rund 1,2 Tonnen schweren Limousine durchaus aus. Auch hinten kann man ganz bequem sitzen, allein das Verladen von Gepäck im Kofferraum kann zum kraftraubenden Akt werden.

Sympathien überwiegen

Auf offener Strecke löst der 170 V spontane Sympathiekundgebungen aus. Neid jedenfalls empfindet kaum jemand. Ein richtiges rollendes Kulturgut halt. Gebaut wurde der 170 V übrigens noch bis 1953, insgesamt verließen gegen 175.000 Exemplare in Benzin- und Dieselausführung die Fabrik.

Weitere Informationen, viele Bilder, Prospekte und ein Tonmuster zum Mercedes-Benz 170 V gibt es auf Zwischengas.com.