Politik

Sollen Schüler echt Häkeln lernen, Frau Ministerin?

Heute Redaktion
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Das Interview zum Schulbeginn: Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) über neue Schulen, was sie von Lehrern hält und ob sie im Amt bleiben will.

„Heute": Frau Minister, die Regierung ist zerbröselt. Wurden sie davon überrascht?

Sonja Hammerschmid: Es hat mir vor allem leid getan.

„Heute": Leid worum?

Hammerschmid: Na, wir haben haben schon ordentlich was weitergebracht in den letzten 15 Monaten. Neben dem ganztägigen Schulpaket, das große Autonomiepaket, Anhebung der Berufsschulzeiten, Digitialisierungspaket. Ich hätte einfach gern weitergemacht.

„Heute": An Reformen haben sich viele ihrer Vorgänger und Vorgängerinnen die Zähne ausgebissen. Ist Bildungsministerin der undankbarste Job der Regierung?

Hammerschmid: So würde ich das nicht formulieren. Vielleicht der herausforderndste.

„Heute": Braucht man nach einer langen Gesprächsrunde mit Gewerkschaften nicht erst einmal einen Obstler?

Hammerschmid:Nein (lacht), zur Alkoholikerin bin ich nicht geworden.

„Heute": Aber ist das nicht zermürbend?

Hammerschmid: Geduld habe ich in meiner ganzen Karriere lernen müssen. Wichtig ist, den Dialog zu suchen.

„Heute": Aber verstehen Sie, dass es vielen in Österreich zu langsam geht mit den Reformen?

Hammerschmid: Ich war in den letzten Monaten an vielen Schulen, ich habe mit vielen Lehrerinnen und Lehrern, Eltern, Schülern gesprochen. Da gelingt vieles. Der Großteil der Pädagoginnen und Pädagogen leistet Hervorragendes Das muss man schon auch einmal sagen.

„Heute": Sie haben die Digitalisierung in den Schulen angesprochen. Gibt es überhaupt ausreichend Lehrkräfte mit Know How oder kennen sich die Kinder darin nicht besser aus als die Lehrer?

Hammerschmid: Wir haben die Digitalisierung auf vier Säulen gestellt. Infrastruktur, die Aus- und Weiterbildung der Pädagoginnen und Pädagogen. Alle neuen Lehrkräfte müssen einen digitalen Check machen, damit wir wissen wo sie stehen. Es gibt schon über 1.000 e-learning-Schulen. Dazu die digitalen Lernmaterialien und als letzte Säule der Lehrplan. Da passiert viel.

„Heute": Wie und wann wird man davon an den Schulen etwas bemerken?

Hammerschmid: Das tut man jetzt schon. Zum Beispiel e-book plus, also das digitalisierte Schulbuch. Das haben wir schon an den Schulen. So richtig startet das im aktuellen Schuljahr, wo bei Schulbüchern eine interaktive Plattform dabei ist.

„Heute": Was ändert sich an den Lehrplänen?

Hammerschmid:Wir haben von der Volksschule bis zur Matura die Lehrpläne überarbeitet. Hier gibt es in der Sekundarstufe 1 die verpflichtende Übung „digitale Medienkompetenzen", die breit aufgebaut ist. Da geht es nicht nur um die Anwendung von Software, sondern auch um technische Grundlagen, Coding, aber auch um reflektiertem Umgang mit Inhalten, von Cybermobbing bis Fake-News. Das startet auch als Pilotprojekt schon heuer.

„Heute": Sollen Kinder heute noch verpflichtend Häkeln lernen?

Hammerschmid:Handwerkliche Fähigkeiten gehören auch zu einem Ausbildungs-Portfolio. Kinder haben unterschiedliche Talente. Digitalisierung ist für mich ein vierte Grundkompetenz, neben lesen, schreiben und rechnen. Aber es geht auch um handwerkliches Geschick. Wir suchen ja auch Facharbeiter.

„Heute": Aber warum verpflichtend? Die Schule kann ja Häkeln anbieten, aber es muss nicht jeder machen müssen.

Hammerschmid:: Da haben die Schulen jetzt dank des Autonomiepakets ohnehin mehr Möglichkeiten das zu gestalten.

„Heute": Sind Sie für eine Einschulung ab dem 4. oder 5. Geburtstag, wie es viele Länder haben?

Hammerschmid: Da ist sich die Wissenschaft nicht einig. Finnland etwa, das in vielem ein Vorbild ist, schult die Kinder erst ab 7 ein. Mit dem Alter geht lesen, schreiben, rechnen viel schneller.

„Heute": Aber viele Kinder beginnen sich im Kindergarten zu langweilen, wenn sie einmal 5 Jahre alt sind. Die wollen sich mit etwas beschäftigen und nicht mehr mit den Dreijährigen spielen

Hammerschmid: Genau, der Kindergarten ist für mich die erste Bildungseinrichtung. Die Kinder müssen hier etwa Sprachkompetenzen erwerben, damit sie problemlos in die Schule gehen können.

„Heute: Die Ferien sind zu Ende, die Schulen waren neun Wochen geschlossen. Wäre es nicht klug gewesen, Kinder, die nicht gut Deutsch können, in dieser Zeit in den Schulen zu unterrichten?

Hammerschmid: Wir haben mit dem Ganztagsschulpaket die Möglichkeit genau dafür geschaffen, da sind Fördermöglichkeiten in den Ferien ein Teil davon.

„Heute": Aber es passiert nicht

Hammerschmid: Das Gesamtschulpaket ist am 1. September gestartet. 750 Millionen Euro für ganztägigen Schulausbau, das Geld kann von den Schulen abgeholt werden.

„Heute": Heißt, im nächsten Sommer sind Schulen etwa für Sprachförderung offen?

Hammerschmid: Genau.

„Heute": Wollen Sie nach dem 15. Oktober Bildungsministerin bleiben?

Hammerschmid: Ja.

„Heute": Um was zu tun?

Hammerschmid: Ein Ressort zu gestalten, das alles umfasst, was zu Bildung gehört, vom Kindergarten bis zur Universität. (cnn)