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Sprengt Trump heute Wiener Atomabkommen?

Heute Redaktion
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Der US-Präsident will heute entscheiden, ob er wieder Sanktionen über den Iran verhängt. Tut er das, könnte das das Ende des Wiener Abkommens bedeuten.

US-Präsident Donald Trump gilt als überzeugter Gegner des Atomabkommens mit dem Iran, das nach dreizehn Jahren Verhandlung voller internationaler Spannungen und Streitigkeiten 2015 im Wiener Palais Coburg beschlossen wurde. Schon im Wahlkampf vor zwei Jahren hatte der Kandidat der Republikaner den Deal scharf kritisiert.

Am heutigen Dienstag, um 20 Uhr MESZ, will Trump nun seine Entscheidung zum Atomabkommen mit dem Iran verkünden, wie er selbst über Twitter verkündete. Hinweise darauf, wie seine Entscheidung aussieht, gab er allerdings nicht.

Bis zum kommenden Samstag hätte Trump noch Zeit für seinen Beschluss gehabt. An diesem Stichtag läuft eine von einem US-Gesetz vorgegebene Frist ab, innerhalb welcher der US-Präsident Trump entscheiden muss, ob er auf Basis des Atomabkommens ausgesetzte Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft setzt oder nicht.

Denkbar ist, dass Trump die betreffenden Strafmaßnahmen neu verhängt, ohne formell den Ausstieg aus dem Abkommen von 2015 zu verkünden. De facto würde aber das erneute Inkraftsetzen der Sanktionen dem mühsam ausgehandelten Wiener Abkommen einen schweren Schlag versetzen – und könnte dessen Ende bedeuten.

Was, wenn die USA tatsächlich aussteigen?

Nach Einschätzung von Experten könnte dies schwerwiegende Folgen für die Stabilität der ganzen Region haben: Iran-Experte Walter Posch befürchtet eine weitere Eskalation im Nahen Osten. Eine Kündigung des Abkommens könnte im Iran die Hardliner stärken, die in Syrien und anderen Ländern der Region einen harten Kurs verfolgen, warnt der Forscher vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der österreichischen Landesverteidigungsakademie in Wien.

Was will das Atomabkommen eigentlich?

Das Abkommen, das nach jahrelangen Verhandlungen im Juni 2015 zwischen dem Iran und der Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschland geschlossen wurde, soll sicherstellen, dass der Iran nicht die Fähigkeiten zur Entwicklung von Atomwaffen erlangt. In dem Abkommen willigt der Iran ein, seine Urananreicherung deutlich zu reduzieren und verschärfte internationale Kontrollen seiner Atomanlagen zu akzeptieren.

Nachdem Teheran diese Bedingungen erfüllt hatte, hoben UNO, USA und EU im Januar 2016 die im Atomstreit verhängten Finanz- und Handelssanktionen auf. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat seitdem wiederholt bestätigt, dass sich der Iran vollständig an das Wiener Abkommen hält. Seit dem Amtsantritt Trumps im Januar 2017 steht die Zukunft des Abkommens aber wieder in Frage.

Was ist Trumps Kritik?

Der US-Präsident bemängelt, dass die Restriktionen für Irans Nuklearprogramm ab 2025 auslaufen. Er wirft zudem Teheran vor, mit seinem Raketenprogramm und seinem aggressiven Kurs in der Region gegen den "Geist" der Vereinbarung zu verstoßen. Trump beschuldigt Teheran insbesondere, die zusätzlichen Einnahmen aus dem Ölexport zu nutzen, um pro-iranische Milizen im Irak, in Syrien und im Jemen aufzurüsten.

Was will er stattdessen?

Trump will die Restriktionen für das Atomprogramm auf Dauer festschreiben, Irans Raketenprogramm beschränken und seiner aggressiven Außenpolitik in der Region stärker entgegentreten. Er hat den Europäern Zeit gegeben, bis zum 12. Mai verschärfte Auflagen für den Iran zu beschließen. Nun will er schon am Dienstag verkünden, ob er die im Zuge des Abkommens ausgesetzten Sanktionen wieder in Kraft setzt.

Was sagen die Europäer?

Frankreich, Großbritannien und Deutschland wollen an dem Wiener Abkommen festhalten, haben Trump aber signalisiert, dass sie zu einer härteren Haltung bei Irans Regionalpolitik und seinem Raketenprogramm bereit sind. In der EU wird auch über neue Sanktionen wegen Irans Rolle im Syrien-Konflikt diskutiert, um die USA zu beschwichtigen, doch gibt es dazu keine Einigkeit. Besonders Italien lehnt neue Sanktionen ab.

Wie reagiert der Iran?

Der Iran lehnt ebenso wie die Vertragspartner China und Russland jegliche Nachverhandlungen strikt ab. Er betont, dass weder sein Raketenprogramm noch die Unterstützung von Milizen wie der libanesischen Hisbollah jemals Gegenstand der Verhandlungen waren. Die Regierung wirft den USA zudem vor, durch ihre Sanktionspolitik ausländische Firmen von Investitionen im Iran abzuhalten und damit das Abkommen zu unterlaufen.

Sollte Trump das Abkommen kündigen, hat Teheran gedroht, die Urananreicherung wieder aufzunehmen und weitere "drastische Maßnahmen" zu ergreifen.

Wenn die Europäer und die anderen Vertragspartner Russland und China das Abkommen nicht entschieden verteidigten, werde der Iran auch keinen Grund mehr zur Zurückhaltung in der Region sehen, warnt Iran-Experte Posch. (red/20 Minuten)