Wirtschaft

Tilo Berlin im Hypo-Prozess: "Wer zahlt, schafft an"

Heute Redaktion
Teilen

"Wer zahlt, schafft an", sagte Ex-Hypo-Chef Tilo Berlin im Verlauf seiner gut achtstündigen Einvernahme am Handelsgericht Wien. Gefragt wurde er, ob er nach der mehrheitlichen Übernahme der Kärntner Hypo durch die BayernLB 2007 als Hypo-Chef die Planungen für die Bank vom durch BayernLB-Vertretern dominierten Aufsichtsrat habe genehmigen lassen müssen, was Berlin bejahte.

"Wer zahlt, schafft an", sagte Ex-Hypo-Chef Tilo Berlin im Verlauf seiner gut achtstündigen Einvernahme am Handelsgericht Wien. Gefragt wurde er, ob er nach der mehrheitlichen Übernahme der Kärntner Hypo durch die BayernLB 2007 als Hypo-Chef die Planungen für die Bank vom durch BayernLB-Vertretern dominierten Aufsichtsrat habe genehmigen lassen müssen, was Berlin bejahte.

In Wien läuft ein 10 Mio. Euro-Zivilprozess der Bayerischen Landesbank (BayernLB) gegen die Hypo-Mitarbeiter Privatstiftung (MAPS). Erst etwa Mitte 2014 wird hier mit einem Urteil in erster Instanz gerechnet. In Klagenfurt steht Berlin am 18. November erneut vor Gericht.

Die Vorgaben der BayernLB nicht umzusetzen wäre für ihn nicht möglich gewesen, sagte Tilo Berlin. Bereits seine "konstruktiven" Gegenvorschläge zum "Hypofit 2013"-Programm der BayernLB, das eine drastische Redimensionierung der Hypo bedeutet hätte, hätten ausgereicht, die Vertrauensbasis zur BayernLB zu verlieren. Dies sei schlussendlich auch der Grund für sein Ausscheiden aus der Hypo im April 2009 gewesen. Sein Nachfolger war Ex-ÖVAG-Chef Franz Pinkl.

"Auf Glatteis eine Vollbremsung"

"Es ist schlecht, auf Glatteis eine Vollbremsung zu versuchen", charakterisierte Berlin das Programm, das eine drastische Redimensionierung der Hypo vorsah. Es sei absehbar gewesen, dass das Programm zu einer massiven Schädigung der Bank führt, einerseits durch den raschen Abverkauf von Werten in der bereits ausgebrochenen Finanzkrise, den Verlust der kritischen Masse durch die Verkleinerung des Netzwerkes und die mit den Radikalmaßnahmen verbundene Verunsicherung von Kunden und Mitarbeitern.

Damit einher gegangen sei eine Verlagerung der Kommunikation von Klagenfurt nach München mit teilweise folgenschweren Missverständnissen. Die Bereitschaft von Kemmer und auch BayernLB-Vorstand Stefan Ermisch, zuzuhören, sei zu diesem Zeitpunkt nicht hoch gewesen. Vielmehr sei er als uneinsichtig bezeichnet worden.

"Mein Verdacht war, dass die BayernLB in vorauseilendem Gehorsam für EU-Auflagen, die sie selbst zu erwarten hatte, hier einen Kahlschlag geplant hatte", meint Berlin. Die BayernLB habe ja im November 2008 selbst Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen. Der Plan der BayernLB, die Hypo zu redimensionieren, sei auch im Widerspruch zu den Bedingungen für das staatlich garantierte Partizipationskapital gestanden.

Österreich-Gelder als deutsche Bank

Die Hypo hatte Ende 2008 vom Bund 900 Mio. Euro erhalten. Dazu habe es auf mehreren Ebenen und auch auf politischer Ebene zwischen der bayerischen Staatsregierung und der Republik Österreich Gespräche gegeben. Die Hypo habe sich bei der Beantragung des PS-Kapitals auf Wunsch der BayernLB engstens mit dieser abstimmen müssen. Während der Verhandlungen sei auch ein Vertreter der BayernLB anwesend gewesen.

Die Besonderheit dabei sei gewesen, dass die Hypo ja eine Tochter einer deutschen Bank gewesen sei, warum sollte sie also von der Republik Österreich Unterstützung erhalten. Berlin stellte in Abrede, dass er oder auch Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer die BayernLB zum Zeitpunkt des Aktienkaufs bewusst getäuscht haben. Vielmehr hätte er damals als das Interesse der BayernLB an der Hypo weit genug gereift war, alle Unterlagen, die die Berlin & Co AG hatte, zur Verfügung gestellt.

Die BayernLB habe die Hypo nicht wegen ihrer Kapitalausstattung, sondern wegen ihrer Geschäftsaussichten gekauft. Vom gesamten Kaufpreis von 1,65 Mrd. Euro seien nur 200 Mio. Euro dam Kapitalerwerb zuzuordnen, der gesamte Rest der Marktstellung, Marke und dergleichen. Von Anfang an sei es die Zielsetzung der BayernLB gewesen, die Hypo ausführlich mit Kapital auszustatten, um das weitere Wachstum zu finanzieren und das Risiko rauszunehmen.

Seite 2: Was Kulterer, Grasser und Co mit Hypo und Tilo Berlin zu tun haben!

Im Strafverfahren müssen sich neben Tilo Berlin die Ex-Hypo-Chefs Wolfgang Kulterer und Siegfried Grigg, dazu der ehemalige Hypo-Leasing-Vorstand Josef Kircher sowie die Flick-Stiftung als Aktienkäuferin ab 18. November am Landesgericht Klagenfurt verantworten. Die Manager sollen die Bank durch Rückkaufgarantien geschädigt haben, die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden mit mehreren Millionen Euro. Die Anklage lautet auf Untreue.

Wesentlicher Punkt der Anklage: Käufern der Vorzugsaktien wurde in Nebenvereinbarungen garantiert, dass die Bank die Papiere zurückkaufe. Das bedeutete aber auch, dass die Einnahmen aus der Aktien-Begebung nicht als Eigenkapital in die Bilanz genommen hätten werden dürfen. Darauf wiederum basiert die Anklage gegen drei der vier Ex-Vorstände wegen Bilanzfälschung.

Berlin seit 2006 am Tapet

Tilo Berlin war im Zusammenhang mit der Kärntner Hypo seit 2006 in vielen Funktionen in Erscheinung getreten, Ende 2006 etwa als Hamburger Vermögensverwalter und Vertreter einer Investorengruppe. Berlin hatte bei "vermögenden Privatpersonen" aus Österreich und Deutschland 125 Mio. Euro aufgetrieben und kaufte sich mit rund 4,5 Prozent ein.

Grasser mit Schwiegermama-Geld dabei

Bei der Finanzierung über Genussscheine war auch Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit 500.000 Euro dabei, die er nach eigenen Angaben von seiner Schwiegermutter erhalten habe. Auch Ex-IV-Chef Veit Sorger hatte sich beteiligt. Im Frühjahr 2007 schob Tilo Berlin noch einmal 125 Mio. nach und kündigte an, die Sperrminorität erlangen zu wollen.

Berlin plötzlich Bankenchef

Am 26. April 2007 hieß es plötzlich, dass Tilo Berlin Kurzzeit-Chef Siegfried Grigg als Vorstandschef ablösen soll. Die Kärntner Bank bekam damals innerhalb eines knappen Jahres schon den dritten Chef..

Haider fädelte Deal mit BayernLB ein

Bis zum Sommer sollten noch einmal 380 bis 400 Mio. Euro investiert werden, um die Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie an der Hypo zu erlangen, hieß es am 2. Mai 2007. Bereits zwei Wochen später, am 17. Mai 2007, erklärte jedoch der damalige Landeshauptmann Jörg Haider, dass die BayernLB die Mehrheit an der Hypo übernehmen will und für 50 Prozent plus eine Aktie rund 1,5 Mrd. Euro biete.

Tilo Berlin war zu diesem Zeitpunkt bereits designierter Hypo-Chef. Haider sprach sich dafür aus, dass Berlin auch unter den neuen Eigentumsverhältnissen Hypo-Vorstandsvorsitzender bleiben sollte. Am 22. Mai 2007 wurde der Verkauf in Klagenfurt vertraglich besiegelt. Vorstandschef der BayernLB war damals Werner Schmidt.

Mit 1. Juni 2007 übernahm Tilo Berlin den Vorstandsvorsitz bei der Hypo, den er bis 6. Juni 2009 ausübte. Von 11. September 2007 bis 27. August 2009 war er unter anderem auch Vorsitzender der nunmehr von der BayernLB beklagten Hypo-Mitarbeiter Privatstiftung (MAPS).

Entschlagungsrecht

Im Zusammenhang mit den von der Hypo Leasing im Jahr 2006 ausgegebenen Vorzugsaktien, die auch im gegenständlichen Zivilprozess eine Rolle spielen, ist Tilo Berlin auch im Strafverfahren angeklagt. Insoferne dürfte er in der  Einvernahme im Zivilprozess auch von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen, um sich nicht selbst zu belasten.

 

In einem ähnlichen Verfahren, bei dem es um Vorzugsaktien aus dem Jahr 2004 ging, waren Kulterer und sein damaliger Stellvertreter Günter Striedinger im Mai 2012 zu dreieinhalb bzw. vier Jahren Haft verurteilt worden.

Den Zivilprozess hat die BayernLB angestrengt, weil sie sich von der Mitarbeiterstiftung (MAPS) über die Kapitalausstattung der Hypo arglistig in die Irre geführt fühlt. Bei der Übernahme der Bank kauften die Bayern auch Hypo-Aktien von der Mitarbeiterstiftung: Am 22. Mai 2007 erwarben sie 14.989 Stück um knapp über 10 Mio. Euro und später am 17. Dezember 2007 weitere 160.327 Stück um rund 107,5 Mio. Euro. Beim ersten Kaufvertrag war Ex-Hypo-Chef Kulterer auch MAPS-Vorstandsvorsitzender, beim zweiten Kaufvertrag Ex-Hypo-Chef Berlin.

Die BayernLB wirft der Stiftung vor, diese Kaufverträge über die Hypo-Aktien im Wissen über "eigenkapitalschädliche" Nebenabreden mit Hypo-Vorzugsaktionären geschlossen zu haben. Dies weisen die MAPS und die Nebenintervenienten im Prozess entschieden zurück. Im Vorfeld des Einstiegs der BayernLB hatte die Hypo 2004 und 2006 in zwei Deals Vorzugsaktien an zahlreichen Investoren mit einem Nominale von insgesamt 200 Mio. Euro verkauft, um auf Konzernebene zusätzliches Eigenkapital zu generieren.

Durch die Nebenabreden hätte die 2009 notverstaatlichte Kärntner Hypo in ihrem Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2006 zumindest ein um 150 Mio. Euro zu hohes Kernkapital ausgewiesen, meinen die Bayern. Sie hätten die Kaufverträge nicht so geschlossen, wenn die Mitarbeiterstiftung wahrheitsgemäß informiert hätte, betont die Bank im Verfahren.