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Türkei: Militärputsch von Regierung geplant?

Heute Redaktion
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In der Nacht auf Samstag kam es zu einem Putschversuch in der Türkei. Das Militär wollte Recep Tayyip Erdogan und seine Regierung stürzen. Der Putsch missglückte, die Soldaten werden als Verräter verfolgt. Doch wer könnte tatsächlich für über 260 Tote und knapp 3.000 Verhaftete verantwortlich sein? War es - wie von der Staatsspitze kommuniziert - nur eine kleine Gruppe der Armee? Verschwörungstheorien machen die Runde. Präsident Erdogan macht Fethullah Gülen verantwortlich.

In der Nacht auf Samstag kam es zu einem  

Das putschende Militär verkündete am späten Freitagabend, es habe die Macht im Land übernommen. Kurz darauf widersprach der türkische Präsident Erdogan dieser Machtübernahme per Videobotschaft und forderte die Bevölkerung auf, auf die Straßen zu gehen und sich gegen die "Verräter" zu stellen.

Der Informationsfluss aus der Türkei gestaltete sich sehr unübersichtlich, lange hatte man keine genauen Informationen zur Lage im Land. Diese Umstände ließen viel Platz für Spekulationen, wer denn hinter dem Putsch stehen könnte.

Erdogan dem "Gotteststaat" jetzt näher?

Vor allem in den sozialen Netzwerken kursierten und kursieren Vermutungen, dass die Regierung selbst hinter den chaotischen Zuständen stehen würde. Erdogan wolle so seine politischen Ziele erreichen und aus der Türkei endgültig ein Präsidialsystem machen. Manche sprechen vom "Gotteststaat". Diesen konnten die demokratischen Machtverhältnisse bislang verhindern.

Ein vereitelter Putschversuch würde im Sinne eines Angriffs auf die Demokratie in einem von Terroranschlägen gebeutelten Land möglicherweise zu einem Umdenken bei den Oppositionsparteien führen.
Im Militär wird aufgeräumt

Die türkische Armee steht schon lange unter dem Generalverdacht, sich gegen die islamisch-konservative Regierung zu stellen, so ein ARD-Korrespondent aus der Türkei. Bei all den Vermutungen und Spekulationen ist eines sicher: Präsident Erdogan wird nach dem Putsch kräftig aufräumen. Vor allem ist mit personellen Veränderungen im Militär zu rechnen, um die Armee auf die Seite der Regierung zu bringen. Die Schuldigen für den Putsch werden mit aller Härte gnadenlos verfolgt werden, kündigte Erdogan bereits an.

Der Präsident wird aus den jüngsten Geschehnissen als Nationalheld hervorgehen und als solcher bereits wenige Stunden nach Niederschlagung des Putschs gefeiert. Selbst seine politischen Gegner sowie die gesamte Weltpolitik sprachen sich gegen den Putschversuch aus. Erdogan ist einmal mehr der Mann der Stunde, der die Demokratie beschützt und die "bösen Kräfte" in seinem Land gestoppt hat.

War es eine Verschwörung - egal aus welcher Richtung?

"Der Wunsch, die dramatischen Ereignisse der Nacht in der Türkei in einen Verschwörungszusammenhang zu rücken, ist groß", schreibt auch der Türkei-Experte Gerald Knaus von der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI) auf seiner Facebook-Seite: "Die einen behaupten einen ausgeklügelten Plan Erdogans, die anderen sehen einer Verschwörung aus dem Gülen-Lager."

"Über Generationen hinweg wurden hohe Militärs im Glauben erzogen, dass sie das beinahe göttliche Recht, ja die Pflicht hätten, all das, was gewählte Mandatare sagen, zurückweisen zu können". Hinzukomme, dass das Militär selbst eine Institution sei, in der sich hochrangige Mitglieder gegenseitig mit Misstrauen und Ablehnung begegneten. "Gülen wird von den meisten hochrangigen Militärs abgelehnt", schreibt Knaus.

"Eine große Mehrheit der Türken lehnt heute Militärcoups ab oder wird sich Gruppen, die solche durchführen wollen, entgegenstellen. Was wir jetzt sehen, hat es tragischer und unglücklicherweise schon oft davor gegeben - und ist eigentlich Gegenstand ständiger Debatten", so Knaus weiter.