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Virenschleudern: Aus für Klimaanlagen im Sommer?

Abstand halten ist das Gebot der Stunde. Wenn die Klimaanlagen angeschmissen werden, sollte dieser laut neuer Studie noch größer sein.

Heute Redaktion
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Bereits zwei bis drei Tage vor dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen können an Sars-CoV-2 Infizierte hochgradig infektiös sein. Das ist mit ein Grund, warum sich das Virus innerhalb weniger Monate weltweit ausbreiten konnte. Denn wer nicht weiß, dass er erkrankt ist, geht sorglos vor die Tür.

Welche Folgen das haben kann und welche Rolle dabei zu wenig Abstand und eine laufende Klimaanlage spielt, zeigt nun eine im Fachjournal "Emerging Infectious Diseases" veröffentlichte Studie. In dieser zeichnen die Autoren um Jianyun Lu von der Gesundheitsbehörde in Guangzhou nach, wie ein asymptomatischer Patient am 24. Jänner 2020 während eines Restaurantbesuchs zur Mittagszeit zehn weitere Personen angesteckt hat.

Ein Restaurantbesuch, zehn Neuinfektionen

Der Infizierte, der von den Forschern A1 genannt wird, war mit vier Familienmitgliedern (A2-A5) auswärts essen. Die erst vor Kurzem aus Wuhan in die chinesische Stadt Guangzhou gereiste Gruppe saß am mittleren von drei Tischen. An den beiden anderen Tischen waren zwei weitere Familien platziert (B und C). Alle drei Tische befanden sich im Luftstrom von ein und derselben Klimaanlage.

Wie Lu und seine Kollegen schreiben, entwickelte A1 noch am selben Tag die ersten Symptome: Mit Fieber und Husten suchte er das Spital auf und erhielt die Diagnose Covid-19. In den Tagen nach dem Restaurantbesuch erkrankten dann auch seine vier Begleiter, genauso wie drei Mitglieder der Familie B und zwei Mitglieder der Familie C.

Die restlichen 73 Gäste des Restaurants blieben dagegen gesund. Sie hatten laut den Forschern nicht im Luftstrom der Klimaanlage gesessen. Auch die acht Mitarbeiter des Betriebs wurden nachfolgend negativ auf Covid-19 getestet.

Klassische Tröpfcheninfektion ausgeschlossen

Diese Auffälligkeit deutet laut dem Team um Lu auf eine Beteiligung der Klimaanlage hin, in deren Luftstrom die drei Familien gesessen haben. Dieser sei zunächst über den Tisch der Familie C geströmt, dann über den der Familie des Erkrankten, bevor er schließlich den Tisch von Familie B erreichte. Offenbar sei die Luft danach wieder vom Klimagerät angesaugt worden. Anders ist nicht zu erklären, warum nicht nur Mitglieder der Familie B erkrankten, sondern auch Angehörige der Familie C, so die Forscher.

Für ein Mitwirken spricht noch ein weiterer Punkt, so die Forscher: "Die Virusübertragung kann nicht allein durch Tröpfchenübertragung erklärt werden." Voraussetzung für eine solche sei nämlich, dass sich die andere Person in direkter Nähe befindet. Ansonsten würden die Tröpfchen aufgrund ihres Gewichts zu Boden sinken.

Arten der Übertragung

Die rasche Verbreitung des neuartigen Coronavirus stellt Wissenschaftler nach wie vor vor Rätsel. In Frage kommen drei Übertragungsarten:

Tröpfcheninfektion: Bei einer solchen gelangt der Erreger beim Niesen, Husten, Sprechen durch Speichel-Tröpfchen an die Luft und wird dann von einer anderen Person eingeatmet oder über die Schleimhäute aufgenommen. Sie gilt als erwiesen.

Luftinfektion: Dabei docken Erreger nicht an Tröpfchen, sondern an Aerosole an. Diese können aufgrund ihrer geringen Grösse und ihres geringen Gewichts länger in der Luft überdauern. Ob das bei Sars-CoV-2 der Fall ist, ist unklar. Während es die einen Forscher für möglich halten, gehen andere davon aus, dass so verbreitete Covid-19-Erreger wahrscheinlich nicht hoch genug dosiert sind, um Infektionen auszulösen.

Schmierinfektion: Bei einer solchen werden Erreger über eine Kette von Berührungen weiter gereicht. Diese können von Mensch zu Mensch erfolgen, aber auch über Gegenstände. Auch dieser Übertragungsweg ist Gegenstand von Diskussionen.

Mehr Abstand in klimatisierten Räumen

Da die Abstände zwischen den Tischen der Familien A, B und C aber alle größer waren als Tröpfchen fliegen können, käme das als Erklärung nicht in Frage. "Der Luftstrom aus der Klimaanlage könnte die Tröpfchen jedoch über eine größere Distanz als üblich befördert haben."

Um eine weitere als übliche Ausbreitung von Sars-CoV-2 und anderen Erregern in klimatisierten Räumen zu verhindern, empfehlen die Wissenschaftler nun, den Abstand zwischen den Tischen zu vergrößern und die Belüftung zu verbessern.

Schwäche der Studie

Lu und seine Kollegen weisen darauf hin, dass nicht erwiesen ist, dass sich alle Patienten im Restaurant bei A1 infizierten. Dieser könnte seine Angehörigen genauso gut außerhalb angesteckt haben. Ebenso könnte sich in den Familien B und C zunächst eine Person infiziert und das Virus später zuhause an die anderen weitergereicht haben.

Da die Erkrankungen jedoch alle in etwa zur gleichen Zeit auftraten, sei davon nicht auszugehen. Die Forscher betrachten es als gesichert, dass A1 im Restaurant mindestens je eine Person an den beiden Nachbartischen übertragen hat.