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Vor Gipfel mit EU stellt Türkei Zeitung unter Aufsicht

Heute Redaktion
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Die türkische Regierung hat Freitagabend die Kontrolle über die größte regierungskritische Zeitung des Landes übernommen. "Zaman" wurde nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss unter die Aufsicht einer staatlichen Treuhandverwaltung gestellt. Ein schwerer Schlag für die oppositionellen Medien der Türkei und eine schwierige Situation für die EU-Verantwortlichen vor dem anstehenden Flüchtlingsgipfel.

Die türkische Regierung hat Freitagabend die Kontrolle über die größte regierungskritische Zeitung des Landes übernommen. "" wurde nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss unter die Aufsicht einer staatlichen Treuhandverwaltung gestellt. Ein schwerer Schlag für die oppositionellen Medien der Türkei und eine schwierige Situation für die EU-Verantwortlichen vor dem anstehenden Flüchtlingsgipfel. 

"Das ist das Ende der Pressefreiheit in der Türkei, und das verstößt gegen unsere Verfassung", sagte Sevgi Akarcesme, die Chefredakteurin des englischsprachigen "Zaman"-Schwesterblatts "Today’s Zaman", der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Istanbul. Kurz danach wurde das Redaktionsgebäude von der Polizei gestürmt. "Das ist das Ende der Pressefreiheit in der Türkei, und das verstößt gegen unsere Verfassung. Die Regierung hat unsere Zeitung konfisziert".

"Wenn es uns nicht mehr gibt, bleiben nur noch 'Cumhuriyet' und 'Sözcu' übrig, aber niemand weiß, wie lange. Es sieht so aus, als würden die unabhängigen Medien sterben." Die Zeitung "Zaman" steht der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen nahe, der im US-Exil lebt. Gülen war einst Verbündeter von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, hat sich mit ihm aber zerstritten. Gülens Hizmet-Bewegung ist für die Türkei inzwischen eine Terrororganisation.
"Beschämend für die EU"

Die österreichische Ausgabe von "Zaman" hat Ankara ebenfalls scharf kritisiert. "Es ist beschämend für die EU, wenn in Ankara Verhandlungen geführt werden und gleichzeitig in Istanbul von der Polizei eine Redaktion gestürmt wird und niemand ein einziges Wort darüber verliert, weil man auf die Unterstützung von Erdogan angewiesen ist", sagte Bilal Baltaci, Redakteur in Wien.

Es sei für die türkische Bevölkerung besonders wichtig, auch regierungskritische Medien zu konsumieren, ist sich Baltaci sicher. "Aber Erdogan geht es darum, die oppositionellen Medien mundtot zu machen." Doch nicht nur die Pressefreiheit werde massivst eingeschränkt. Auch die freie Meinungsäußerung gebe es in der Türkei nicht mehr wirklich.

Polizei im Redaktionsgebäude

Freitagabend drang die türkische Polizei gewaltsam in das Redaktionsgebäude von "Zaman" in Istanbul ein. Gegen Hunderte Demonstranten, die sich vor dem Haus versammelt hatten, wurde Tränengas eingesetzt. Die Polizei hätte Überwachungskameras im Gebäude abgeschaltet, um Live-Bilder vom Einsatz zu verhindern. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, das Haus zu verlassen.

Auch Amnesty International spricht von einem schweren Schlag gegen die Pressefreiheit. Der Parlamentsabgeordnete Emrullah Isler von der Regierungspartei teilte dagegen über Twitter mit, die Übernahme durch Treuhänder sei "ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die parallele Struktur". Weiter schrieb er: "Sie zahlen den Preis für ihren Verrat gegenüber dem Staat und dem Volk."

Zeichen vor Gipfel mit EU

Unmittelbar vor dem Sondergipfel am Montag in Brüssel, in dessen Rahmen die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise besprochen werden soll, ist die Zwangsübernahme der Zeitung ein starkes Zeichen. Die Türkei selbst erhöht den Druck, indem sie deutlich macht, dass sie völlig freie Hand hat und sich quasi alles erlauben kann.

Auflagenstärkste Zeitung der Türkei

Erdogan weist regelmäßig Vorwürfe zurück, die Pressefreiheit in der Türkei werde eingeschränkt. Erst im Jänner sagte er: "Weder in Europa noch in anderen Ländern sind die Medien so frei wie in der Türkei.“ Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei aber auf Platz 149 von 180 Staaten - knapp über der Demokratischen Republik Kongo.