Politik

Vor Höchstrichtern! Doskozil will über ORF auspacken

Zündstoff vor der Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs am 26.9. zum ORF. Im "Heute"-Interview bietet sich SP-Landeschef Doskozil als Zeuge an.

Clemens Oistric
Burgenland-Chef Hans Peter Doskozil (53) im <em>"Heute"</em>-Interview
Burgenland-Chef Hans Peter Doskozil (53) im "Heute"-Interview
Denise Auer

Royalblauer Anzug, aufgeknöpftes weißes Hemd – Hans Peter Doskozil kommt gut gelaunt zum "Heute"-Interview im schattigen Garten des Hotels "The Resort" in Andau im Seewinkel. Hier hat er eben bei einer Klubklausur sein Personalpaket für die Landtagswahl 2025 auf den Weg gebracht. "Ich möchte die 49,9 Prozent vom letzten Mal gerne einstellen", gibt der 53-Jährige die Marschroute vor. Vergessen scheinen die SPÖ-internen Querelen aus dem Frühjahr. Über Andreas Babler spricht er höflich-distanziert; aus dem Umstand, dass er inhaltlich vieles anders als die Bundespartei sieht, macht er weiter keinen Hehl. Noch im September gibt es beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine öffentliche Verhandlung über Doskozils Beschwerde zu den politischen Besetzungen im ORF. Das große "Heute"-Gespräch.

"Heute": Herr Landeshauptmann, nächste Woche findet auf Ihren Wunsch hin eine öffentliche Verhandlung zum ORF-Gesetz beim Verfassungsgerichtshof statt. Warum wollen Sie den Generaldirektor stürzen?
Hans Peter Doskozil: Mir geht es weniger um den jetzigen ORF-Chef, sondern vielmehr um die Art und Weise, wie die Spitzenfunktionen im ORF bestellt werden. Das sind rein politische Besetzungen – das traue ich mich aus eigener Erfahrung zu sagen. Mir ist aber klar, dass alle politischen Parteien ein Problem damit haben, das zu verändern.

... wohl auch Ihre eigene.
Natürlich. Man hätte dann, wenn man selbst in Regierungsverantwortung ist, nicht mehr die Möglichkeit, im ORF zu bestimmen. Das wäre aber gut und richtig so aus meiner Sicht. Ich habe nämlich selbst erlebt, wie das abläuft – nicht nur jetzt, sondern auch früher als Büroleiter von Landeshauptmann Niessl.

Wie läuft es denn ab?
Nicht akzeptabel. Das gibt es in keinem anderen Unternehmen, dass ein Vertrag nach fünfjähriger Tätigkeit nur dann verlängert wird, wenn die politische Elite in den Ländern und auf Bundesebene zustimmt. Das hat überhaupt nichts mehr mit der Qualität der Arbeit zu tun, sondern da wird die politische Runde gedreht und gefragt: ja oder nein? Daumen nach oben, Daumen nach unten. Dann wird das Personal entschieden. Und das im öffentlich-rechtlichen Sender des Landes, der eigentlich ein Objektivitätsgebot hat.

Kanzler Babler? Doskozil im Wordrap

Ist der ORF denn objektiv?
Ich will nicht pauschal urteilen. Es gibt engagierte Mitarbeiter in gewissen Bereichen, die auch in Konflikt mit der Führungsebene sind – das merken wir ja auch durch den Zuspruch bei unserer Verfassungsklage. Aber die Führungsebene ist politisch besetzt und das ist nicht okay.

Werden Sie beim Verfassungsgerichtshof über Ihre zuvor geschilderten Erfahrungen auspacken?
Wenn es gewünscht ist, und der Verfassungsgerichtshof will von einem Politiker als Zeugen hören, wie das praktisch abläuft – dann stehe ich gerne unter Wahrheitspflicht bereit.

Was würden Sie dann erzählen?
Dass diese Objektivität, die im ORF immer argumentiert wird, bei der Besetzung von Führungsfunktionen in Wirklichkeit nur eine scheinbare ist.

Haushaltsabgabe? "Man sollte die Bevölkerung nur belasten, wenn der ORF wirklich von den politischen Machthabern entkoppelt ist."

Haben Sie konkrete Beispiele?
Natürlich, ich habe gute Beispiele, wo ich auch selbst betroffen war.

Was erwarten Sie sich von der öffentlichen Verhandlung am 26.9.?
Ich bin überzeugt davon, dass wir gut vertreten sind und den Sachverhalt wirklich gut aufbereitet haben. Ich hoffe, dass wir das Bild, das ich jetzt gezeichnet habe, dort öffentlich aufzeigen und den ORF in Zukunft wirklich unabhängig machen können.

Wie würden Sie die Leitung des ORF neu aufstellen?
Man muss sich ansehen, wie man Objektivität hineinbringt. Ich bin gar nicht sicher, ob man dafür am Ende des Tages einen Stiftungsrat benötigt. 

Das heißt: Sollte der ORF in Ihrem Sinne entscheiden, bräuchte es einen neuen ORF-Chef und neue Landesdirektoren?
Wenn der Verfassungsgerichtshof dieses Gesetz kippt, muss es adaptiert und angepasst werden. Ich gehe davon aus, dass es dann mit der nächsten Periode, wenn die Organe neu zu bestellen sind, auch ein neues Regime geben müsste.

Ist es in Ordnung, dass der ORF-General mehr als der Bundeskanzler verdient?
Ich habe mich bisher nicht damit beschäftigt. Aber es gibt öffentliche Bereiche, wo viel höhere Summen bezahlt werden – schauen Sie sich nur die ÖBAG an, da werden Summen bezahlt, die man der Bevölkerung gegenüber sicherlich nicht argumentieren kann ...

Ist eine verpflichtende Haushaltsabgabe der richtige Weg der Finanzierung?
Die Bundesregierung hat diesen Weg eingeschlagen. Aber ich bin der Meinung, dass man die Bevölkerung nur belasten sollte, wenn der ORF wirklich von den politischen Machthabern entkoppelt und eine vollständige Unabhängigkeit erreicht ist. Sonst soll sich die Regierung dazu bekennen, dass das nicht so ist, und ihn auch bezahlen.

Themenwechsel. Derzeit steigen die Corona-Zahlen wieder massiv an. Für viele potentiell Erkrankte ist es kaum noch möglich, einen Gratis-PCR-Test zu bekommen. 
Von der Regierung kommt schon wieder viel zu wenig. Im Vorjahr gab es noch fünf Gratis-Tests für jeden. Man muss sich dem Thema dringend wieder widmen, Verhaltensweisen in Erinnerung rufen, sagen, wie mit dem Thema Impfen umzugehen ist. 

Koalition? "Ideal wäre weiter eine Koalition mit der burgenländischen Bevölkerung."
Interview im Seewinkel: Doskozil im Gespräch mit <em>Heute.at</em>-Chefredakteur Clemens Oistric
Interview im Seewinkel: Doskozil im Gespräch mit Heute.at-Chefredakteur Clemens Oistric
Denise Auer

Wo finden Auffrischungsimpfungen im Burgenland statt?
Schon lange im niedergelassenen Bereich, für alle Burgenländer, die dieses Angebot ohne jeden Druck in Anspruch nehmen möchten.

Sie kandidieren 2025 nochmals als Landeshauptmann?
Mein Zugang ist klar: Wenn meine Umfragewerte passen, stehe ich zur Verfügung. 

Bis 2030?
Selbstverständlich. Auch hier gilt mein Credo, das ich auch immer auch auf Bundesebene eingefordert habe: So lange ich die Partei ziehe und nicht die Partei mich ziehen muss. 

Welche Koalition streben Sie nach der Landtagswahl an?
Die ideale Koalition wäre die gleiche wie jetzt – nämlich die Koalition mit der burgenländischen Bevölkerung.

Das bedeutet ...
... dass ich das Wahlergebnis vom letzten Mal – nämlich 49,9 Prozent – gerne einstellen möchte. Bei allen Schwierigkeiten, die sich jetzt auch auf Bundesebene entwickeln.

"Es ist Usus, dass der Stimmenstärkste mit der Regierungsbildung beauftragt wird."

Welche meinen Sie da konkret?
Die ideologische Ausrichtung der Partei, die ich inhaltlich gar nicht bewerten möchte. Dann natürlich die Frage, wann die Bundeswahlen stattfinden und ob die SPÖ danach in einer Regierung ist ... 

Kanzler Andreas Babler?
Ich bin Sozialdemokrat, er ist unser Vorsitzender – also ist das natürlich unser Ziel.

Ist Herbert Kickl noch zu schlagen?
Man kann nie wissen, was passiert. Ich bin letzte Woche von einem hohen ÖVP-Funktionär gefragt worden, ob ich glaube, dass Sebastian Kurz noch in den Ring steigen wird. Also das sagt schon sehr viel.

Und, wird er?
Das wird wohl vom Ausgang seiner Gerichtsverfahren abhängen.

Abschließende Frage: Sollte der Bundespräsident Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragen, sollte er die Wahlen gewinnen?
Es ist Usus, dass der Stimmenstärkste beauftragt wird. Und auch, wenn nicht der Stimmenstärkste beauftragt wird, kommt es nur auf die Dynamik zwischen den politischen Parteien und die Frage an: Wie schafft man es, eine Mehrheit für den Nationalrat zu gestalten? Und wer diese Mehrheit findet, wird Bundeskanzler sein – nicht der, den sich die Opposition oder der Bundespräsident wünscht.

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    Hans Peter Doskozil wurde im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015 einer großen Öffentlichkeit bekannt. Hier im Bild: Der damalige Polizeidirektor mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
    Hans Peter Doskozil wurde im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015 einer großen Öffentlichkeit bekannt. Hier im Bild: Der damalige Polizeidirektor mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
    Screenshot ORF