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Warum Austro-Türken so stark Erdogan halfen

Türken in Österreich haben Erdogan zum Sieg verholfen. In der Schweiz bekam er aber einen Korb. Eine Spurensuche.

Heute Redaktion
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Recep Tayyip Erdogan.
Recep Tayyip Erdogan.
Bild: Reuters/Alkis Konstantinidis

Die Türken in Österreich haben mit überwältigender Mehrheit Erdogans Verfassungsänderung abgesegnet, auch in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Belgien waren ähnliche Ergebnisse zu sehen. In der Schweiz bekam der türkische Präsident dagegen einen Korb verpasst. Nur 38 Prozent sagten Ja.

"Die Integration ist gescheitert", schrieb der Deutsch-Türke Hasnain Kazim auf der Onlineplattform des "Spiegel". Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die fehlende Willkommenskultur dazu beigetragen habe, dass selbst Menschen, die ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht hätten, dort geboren seien, sich dennoch fremd fühlten.

Besser integriert?

Sind also Türken in der Schweiz besser integriert als in den Nachbarländern, auch als in Österreich? Nein, meint Türkei-Experte Christoph Ramm, der an der Universität Bern lehrt. In vielen Ländern seien die meisten Türkeistämmigen gut integriert. Die Wähler der Erdogan-Partei AKP seien zudem oft auch gut gebildet und erfolgreich.

Rund 2,9 Millionen Auslandstürken waren zur Teilnahme am Referendum aufgerufen, das sind in etwa fünf Prozent aller Stimmberechtigten.

In Europa entschieden sich 59,2 Prozent für ein "Ja", in der Türkei selbst waren es nur 51,4 Prozent.

In Belgien stimmten sogar knapp über drei Viertel der Referendumsteilnehmer (75,1 Prozent) für eine Änderung, Österreich liegt mit 73,23 Prozent nur knapp dahinter.

Grund für das Resultat sei vielmehr, dass in der Schweiz geschichtlich bedingt mehr regierungskritische Menschen aus der Türkei lebten: "Viele Türken kamen nach dem Militärputsch 1980 als Flüchtlinge in die Schweiz. Diese Gruppe war naturgemäß staatskritisch." Zudem stammten sie eher aus städtisch gebildeten Schichten und seien links eingestellt gewesen. In der Schweiz lebten zudem viele Kurden aus der Türkei, die ebenfalls nicht viel von Erdogan hielten.

Österreich, Deutschland und Holland dagegen hätten nach 1960 Türken direkt angeworben, weil man Arbeitskräfte gebraucht habe. "Diese kamen meist vom Land und waren oft konservativ eingestellt." Eine Blick auf die Geschichte zeigt zudem, dass es Österreich den ursprünglich einwandernden Türken alles andere als einfach machte, eine neue Heimat zu finden.

Ausgewiesen und wieder angeworben

In Österreich hatte sich die damalige österreichische Bundesregierung unter Josef Klaus für die Anwerbung türkischer Gastarbeiter entschieden. Am 15. Mai 1964 wurde eine dementsprechende Vereinbarung mit der Türkei geschlossen. Österreich und die meisten Gastarbeiter hatten zuerst aber die Absicht, dass die Arbeiter Österreich wieder verlassen. Das taten sie nicht, viele Gastarbeiter blieben hier und gründeten Familien.

In der 70ern wurde die Anwerbung schließlich gestoppt und sogar eine große Zahl der Gastarbeiter ausgewiesen. Viele Gastarbeiter bekamen auch finanzielle Anreize, um in die Heimat zurückzukehren. Allerdings wendete sich Mitte der 80er durch ein Wirtschaftswachstum das Blatt, Österreich benötigte wieder Arbeiter. Diese kehrten daraufhin wieder aus der Türkei nach Österreich zurück. (asc/rfi/sda)