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Werden Online-Gamer bald zwangstherapiert?

Die Weltgesundheitsorganisation und eine psychologische Vereinigung wollen Gamen möglicherweise zur Sucht erklären.

Heute Redaktion
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Die WHO und die APA wollen die Online-Gamesucht als Krankheitsbild bestimmen. Sind damit e-Sportler, die ausgiebig viel spielen, ebenfalls potenziell krank?
Die WHO und die APA wollen die Online-Gamesucht als Krankheitsbild bestimmen. Sind damit e-Sportler, die ausgiebig viel spielen, ebenfalls potenziell krank?
Bild: Reuters/Jean-Paul Pelissier

Wenn eine Person ausgiebig spielt, und sich besonders oft in Online-Games vergnügt, ist das Wort Spielsucht jeweils schnell zur Hand. Während der Verdacht bislang auf wackeligen Beinen Füßen stand und für exzessives Online-Spielen kein offizielles Krankheitsbild existierte, könnte sich dies laut der Technologie-Plattform "Golem.de" bald ändern.

Demnach arbeiten die American Psychological Association (APA) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit, von der Öffentlichkeit mehr oder weniger unbemerkt, an der Definition neuer Krankheitsbilder – darunter Facebook-, Twitter- und Social-Media-Sucht sowie eben Online-Spielsucht. Diese wird als spezifische, eigenständige Störung definiert und unterscheidet sich grundlegend von der bekannten Spielsucht, zum Beispiel im Casino und im Glücksspiel.

Neue Geldmaschine?

Sollten diese Krankheitsbilder den Weg in die offiziellen Listen finden, würden sich für Ärzte und Psychologen bald neue Geschäftsfelder auftun und die Dienstleistungen – Therapien, akute Behandlungen – ließen sich verrechnen. Damit würde laut Thorsten Quandt, Professor und Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster, der den Artikel für "Golem.de" verfasst hat, eine substanzielle neue Risikogruppe erschlossen.

Zwar sei es noch nicht so weit und die Definition der Krankheitsbilder befände sich noch in der Ausarbeitung. Dennoch regt sich bereits Widerstand. So warnen Wissenschaftler vor einer Pathologisierung alltäglicher Mediennutzung. Auch weist Quandt darauf hin, dass die Ergebnisse der Grundlagenforschung zur Online-Spielsucht dürftig sind. Besonders neuere Studien namhafter Journale seien nicht berücksichtigt worden. Weiter hätten großangelegte Studien zum Thema nur wenige Betroffene gefunden, die zudem selbst kaum Probleme mit ihrem Zustand gehabt hätten.

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Still und heimlich krank

Quandt zählt die Bemühungen, die Online-Spielsucht zu definieren, zur sogenannten "moralischen Panik", die bereits bei anderen Medien wie der Literatur, bei Comics und der Rockmusik zu Überreaktionen geführt hätte. Zwar sehen auch Wissenschaftler die ungebremste Nutzung von Onlinemedien als gesellschaftlich relevantes Problem. Sie werfen aber die Frage auf, wonach die Spieler eigentlich wirklich süchtig sind: Online-Nutzung, spezifische Genres, Videospiele oder etwas anderes?

Diese Wissenschaftler befürchten, dass keine offene Debatte mehr geführt werde, sondern eine "Hardliner-Fraktion" (Quandt) in der APA und der WHO ihre Überzeugungen durchsetzen würde. Das Problem liege darin, dass von heute auf morgen viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene plötzlich therapiebedürftig wären – obwohl kein offensichtliches Problem bestehe. Würde das Online-Gamen plötzlich als mögliche psychische Krankheit definiert, stünden repressive Maßnahmen gegen Einzelne bald auch im Raum.

Quandt sieht deshalb die Möglichkeit, dass hier unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit und der Wissenschaft ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen wird, bei dem es um weit mehr geht als nur um das Hobby von Gamern. (jag)