Politik

Wirtschaftsskandale und "tickende Zeitbomben"

Autor Ashwien Sankholkar über „tickende Zeitbomben, Angst vor Klagen und Vertrauen in die Justiz im „Heute"-Interview:

Heute Redaktion
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Ashwien Sankholkar beschreibt in seinem neuen Buch „Der geplünderte Staat und seine Profiteure" die aktuellen Wirtschaftsskandale der Republik.

"Heute": Warum haben Sie dieses Buch geschrieben, was war Ihre Motivation?

Ashwien Sankholkar: Das Buch soll Ordnung ins Chaos der täglichen Nachrichtenflut bringen. In sieben Kapiteln werden die größten Wirtschaftskrimis Österreichs aufgearbeitet, vom Burgtheater-Skandal über die Eurofighter-Affäre bis zur Causa Telekom Austria. Personen, die sich bereichert haben werden ebenso genannt, wie jene, die sich ganz legal die Taschen vollgestopft haben. Wenn Sie so wollen: Vom Eurofighter-Lobbyisten bis zum Nationalbank-Luxuspensionisten.

Natürlich wird im Buch der eine oder andere skandalöse Leckerbissen serviert, der bis dato noch unentdeckt blieb. Und ein Kapitel präsentiert Handlungsanleitungen wie Korruption und Misswirtschaft vermieden werden kann.

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"Heute": Ein Kapitel, das von Fremdwährungskrediten handelt, trägt den Titel „Tickende Zeitbomben". Was tickt denn da?



Sankholkar: Sie sprechen das Kapitel über die Staatsbanken-Krise an. Das behandelt zum einen die verstaatlichten Großbanken, also Hypo Alpe-Adria, Kommunalkredit und Volksbanken AG. Zum anderen beschäftigt es sich mit der Österreichischen Kontrollbank OeKB, wo es um Staatshaftungen für milliardenschwere Kreditgeschäfte geht. Einige Deals sind vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Konkret geht es um Schweizer Franken Kredite, die dem Staat bis dato Wechselkursverluste von sechs Milliarden Euro beschert haben. Nur durch einen buchhalterischen Trick konnte das Milliardenminus versteckt werden. Das Schadenpotential hat Hypo-Dimensionen.



"Heute": Die Kontrollbank verwaltet staatliche Haftungen?



Sankholkar: Genau. Für Exportgeschäfte gibt es seit vielen Jahren einen Haftungsrahmen von bis zu 100 Milliarden Euro. Die Kontrollbank agiert als Treuhänder für das Finanzministerium. Über dieses Konstrukt sicherten die großen Banken, darunter Bank Austria, Erste Bank oder Raiffeisen, riskante Exportkredite ab. Exporteure profitierten von niedrigeren Zinsen und für die Bank bedeutete es ein geringeres Risiko, weil im Ernstfall der Steuerzahler einspringt. So wurden Böcke zu Gärtnern gemacht. Denn die Kontrollbank gehört nicht dem Staat, sondern Großbanken.

Als sich Schweizer Franken Kredite vor wenigen Jahren rapide verteuerten, konnten sich viele Kreditnehmer die Rückzahlung nicht mehr leisten. Und da kamen die Staatshaftungen ins Spiel. Die verantwortlichen Finanzminister wollten die Problematik einfach nicht wahrhaben. Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Maria Fekter, Michael Spindelegger und Hans-Jörg Schellling reagierten unzureichend. Beim Management des Franken-Desasters agierten sie wie einfache Häuslbauer. Sie waren völlig überfordert.



"Heute": Ihr Buch beginnt mit dem Burgtheater-Skandal. Wer hat da versagt?



Sankholkar: Auch hier stehen die Politiker an vorderster Front. Bei der Kontrollbank waren es schwarze Finanzminister, beim Burgtheater die roten Kulturminister wie Claudia Schmied. Gemeinsam mit dem fürs Burgtheater zuständigen Chef der Bundestheater-Holding Georg Springer darf ihnen eines zum Vorwurf gemacht werden: Kontrollversagen.

Pikanterweise übernahm Springer den Topjob Anfang der Neunzigerjahre von Rudolf Scholten als der SPÖ-Bildungsminister wurde. Scholten seinerseits war bis 2016 Generaldirektor der Kontrollbank. Da schließt sich der Kreis.

Die Misswirtschaft an der Burg hatte dramatische Folgen. Ohne staatliche Garantie wäre das Burgtheater ein Fall für den Konkursrichter geworden. Springer musste nach Ausbruch des Burgtheater-Skandals 2014 zurückgetreten. Auch die Burgtheater-Direktoren Matthias Hartmann und Silvia Stantejsky mussten gehen. Gegen alle drei ermittelte die Staatsanwaltschaft. Wer und ob angeklagt wird, steht noch nicht endgültig fest. Es gilt die Unschuldsvermutung. Das letzte Wort hat Justizminister Wolfgang Brandstetter.



"Heute": Auch die Pröll-Stiftung wird in Ihrem Buch behandelt. Was kritisieren Sie in diesem Fall?



Sankholkar: Die Ungleichbehandlung durch die Justiz. Der Durchschnittsbürger ist sehr oft mit kompromisslosen Polizisten und Staatsanwälten konfrontiert. Im Fall Pröll wurde mehrmals ein Auge zugedrückt. In einem „ZibB2"-Interview stellte Anchorman Armin Wolf präzise Fragen an Erwin Pröll, die seine Stiftung betrafen. Eigentlich wäre das die Arbeit der Staatsanwälte gewesen.

Pröll reagierte in der „ZiB2" erbost mit den Worten „Machen Sie doch nicht den Fehler, Dinge zu erklären, die nicht zu erklären sind." Es entsteht der Eindruck, dass Prölls Message bei den Staatsanwälten ankam, die – frei nach Pröll – nicht den Fehler machen wollten, Dinge zu ermitteln, die nicht zu ermitteln sind. Dass von Beginn an ernsthaft geprüft wurde, darf bezweifelt werden. Das hinterlässt den Beigeschmack einer Zweiklassen-Justiz, die es ja offiziell nicht gibt. Der Justizminister hätte ein Machtwort sprechen müssen.



"Heute": Ist Österreichs Justiz vertrauenswürdig? Haben Sie den Eindruck, dass viel vertuscht wird?



Sankholkar: Die Justiz ist kein monolithischer Block. Ich kenne sehr viele hochanständige Richterinnen und Richter sowie engagierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Die besitzen ein Berufsethos, das vorbildlich ist. Doch es gibt auch Personen, die aus karrieretechnischen Gründen faule Kompromisse eingehen. So kommt es vor, dass in prominenten Fällen Akten verloren gehen, ewig lang ermittelt wird oder offizielle Erhebungen viel zu spät eingeleitet werden. Die Folge sind dann Einstellungen aufgrund von Verjährung oder überlanger Verfahrensdauer. Das riecht dann irgendwie nach Vertuschung.



"Heute": Haben Sie als investigativer Journalist keine Angst vor Klagen?



Sankholkar: Das gehört zum Berufsrisiko. Journalisten sind keine Polizisten, Staatsanwälte oder Richter. Wir führen keine Verhöre, schreiben keine Anklageschriften und entscheiden nicht über Schuld oder Unschuld. Unsere Aufgabe ist es schonungslos zu informieren. Dass das nicht jedem gefällt, ist klar. Ich bemühe mich sorgfältig und gewissenhaft zu arbeiten.



"Heute": Welche Skandale könnten nie aufgeklärt werden? Und warum?



Sankholkar: Da wären zunächst die unbekannten Fälle. Skandale, von denen keiner etwas weiß. Worüber Journalistinnen und Journalisten schreiben ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Dass vieles unbekannt bleibt, ist zwar unbefriedigend, aber damit muss man leben lernen. Empörend sind aber jene Skandale, die enthüllt werden und dann von der Justizbürokratie kaputt administriert werden. Die werden nicht aufgeklärt, weil es aus politischer Sicht nicht opportun erscheint. Derartige Fälle sollen und dürfen nicht stillschweigend akzeptiert werden. Auch darum habe ich dieses Buch geschrieben

Ab morgen, 26. September, bringt "heute.at" Auszüge aus dem Buch "Der geplünderte Staat und seine Profiteure".





"Der geplünderte Staat und seine Profiteure" des mit dem Alfred Worm-Preis ausgezeichneten Aufdeckerjournalisten Ashwien Sankholkar erscheint im Residenz Verlag. Das 240 Seiten starke Hardcover gibt es um 22,00 Euro beim Buchhändler ihres Vertrauens.

ISBN: 9783 7017 34269

ISBN ebook: 9783 7017 45616

(GP)