Österreich

Zahnärzte rechnen in Buch mit Kassensystem ab

Heute Redaktion
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Knallhart sind die drei Zahnärzte Gerald Jahl, Gernot Österreicher und Ulrich Guserl in ihrem neuen Buch "Zahn um Zahn": Das Kassensystem öffne dem Missbrauch Tür und Tor.

Je schlechter die Qualität, desto besser verdient der Arzt. Klingt absurd? Laut den Wahl-Zahnärzten DDr. Gerald Jahl mit Praxis in Eggenburg (Horn), Dr. Gernot Österreicher mit Ordination in Hollabrunn und Dr. Ulrich Guserl aus Linz ist das aber die traurige Realität – zumindest, wenn man nach dem System der staatlichen Krankenkassen geht.

Schlechte Wurzelbehandlung = mehr Geld

In ihrem neuen Buch "Zahn um Zahn in Österreich. Über die Zahnfee und das Zahngeschäft" rechnen sie knallhart mit dem Kassensystem ab.

Ein genanntes Beispiel: Die Wurzelbehandlung. Laut Krankenkasse gelte eine Wurzelbehandlung als erfüllt, wenn zwei Drittel des Kanals abgefüllt seien, wie Guserl erklärt. Das Problem: "Das ist eine nicht vollständig durchgeführte Behandlung", sind sich die drei Ärzte einig.

Und die kann zu gröberen Problemen führen: "Was passiert, wenn der Zahn schlecht wurzelbehandelt wird? Irgendwann entwickelt er (...) eine chronische Entzündung an der Wurzelspitze. Eventuell bekommt er dann eine akute Entzündung. Der Patient kommt zu dem Zeitpunkt, an dem er schließlich Beschwerden hat, er wird operiert, er bekommt ein Antibiotikum. Dann wird er hier nachbehandelt und dort nachbehandelt. (...) Im allerletzten Fall (...) bekommt er eine Wurzelspitzen-Resektion, das ist der wirklich letzte Rettungsversuch. Irgendwann landet man bei der Extraktion, dann entfernen wir den Zahn." (...)

Fazit der Mediziner: "Wenn man im Vorfeld dafür gesorgt hätte, dass die Wurzelbehandlung, die am Anfang gemacht wird, echt perfekt gemacht wird, müsste die Krankenkasse in Summe viel weniger bezahlen", erklärt Dr. Österreicher.

Viele Leistungen in kürzester Zeit

Gerald Jahl kennt das Problem an der Wurzel: "Wann verdient ein Kassenarzt gut? Er hat zwei Möglichkeiten: Entweder er hat wahnsinnig viele Patienten und arbeitet extrem viel oder er hat extrem viele Leistungen, die er über die Kasse abrechnen kann." Die Folge: Es werden in möglichst kurzer Zeit viele Leistungen abgerechnet. Kontrolle, ob korrekt und gut gearbeitet wurde, gibt es keine. "Absurderweise führt so eine schlechte Wurzelbehandlung zu einem vermehrten Umsatz", resümiert Jahl. "Es ist sehr überspitzt formuliert. Wir unterstellen keinem Arzt, dass er das so macht, aber dennoch ist zu sagen: Das System öffnet Tür und Tor für solche Dynamiken", fügt Österreicher hinzu.

Honorare "wirtschaftliche Bankrotterklärung"

Auch an den Honoraren wird kein gutes Haar gelassen: So dürfe ein Kassenarzt höchstens ein Mal im Quartal 13,20 Euro für Beratungstätigkeiten verrechnen. "Angenommen der Zahnarzt hat einen ausgedehnten Fall, er muss viel mit dem Patienten besprechen, im Wartezimmer sitzen noch zehn andere Patienten, drei kommen noch als Schmerzpatienten dazu, und du sollst um 13,20 Euro bei laufendem Betrieb dem einen Patienten eine halbe Stunde lang erklären, welche Probleme er hat und welche Alternativen der Behandlung es gibt. Das kann nicht funktionieren, das wäre eine wirtschaftliche Bankrotterklärung", so Österreicher und Jahl weiter. Juristisch sei man aber dazu verpflichtet, den Patienten vollständig aufzuklären.

Eine mögliche Lösung des Grundproblems: In Prophylaxe investieren, wie es in den nordischen Staaten bereits gemacht wird. "Unser System ist ein reines Reagieren", bilanzieren die Ärzte.

Das Buch "Zahn um Zahn in Österreich. Über die Zahnfee und das Zahngeschäft" von DDr. Gerald Jahl, Dr. Gernot Österreicher und Dr. Ulrich Guserl umfasst 352 Seiten, erschien im "Verlag Ideenmanufaktur" und ist als Hardcopy (14,99 Euro) oder E-Book (7,99 Euro) erhältlich.