Szene

Jö schau! Da hängen überall Nackerpatzerln ab

14.09.2021, 12:43
Teilen

Es muss nicht immer das Hawelka sein. Ab 23.8. wimmelt es in Zürich nur so vor Entblößten – und sogar die Polizei streckt den blanken Daumen nach oben.

Da vorne windet sich ein Nackerpatzerl um den Laternenmast, drüben kugeln Adam und Eva in inniger Umarmung über den Asphalt, ums Eck wird inbrünstig auf den Stufen gefläzt – und wer ist eigentlich die Dame in Üppig? Fragen, die sich Passanten auf der Zürcher Rathausbrücke von 23. bis 25.8. bestimmt stellen werden. Festival zur "Auslotung des gesellschaftlichen Reibungspotenzials" Denn da steigt in der Schweiz das "Body and Freedom Festival", laut Mastermind Thomas Zollinger eine "weltweit einzigartige experimentelle Plattform zur künstlerisch-praktischen Erkundung des gesellschaftlichen Umgangs mit dem nackten Körper". Drei Tage irritiert die Sause mit Nackt-Performances aller Art, das Spektakel dient (im wahrsten Sinne des Wortes) der "Auslotung des gesellschaftlichen Reibungspotenzials". "Unverschämt fette" Performance-Künstlerin aus Wien Bei der imposanten Lady mit den pinken Gymnastikpatscherln handelt es sich übrigens um die in Wien lebende transdisziplinäre Künstlerin Julischka Stengele ("Mein unbezahlter Vollzeitjob ist es, unverschämt fett, queer und femme-inistisch zu sein. Für Geld performe, wider-spreche und schreibe ich, kreiere Fotos, Installationen, leite Workshops, organisiere Events oder ziehe mich aus."). Gemeinsam mit 17 Kollegen (u.a. Austro-Künstler Matthias Mollner) aus ganz Europa bringt sie Zürich noch mehr ins Schwitzen – besonders schweißtreibend: eine 4,5-Stunden-Aktion an Tag 2 (die meisten Aufritte dauern 20 bis 30 Minuten und werden an einem anderen Tag wiederholt). Ein Fall für die Exekutive?

1.000 Franken Strafe für "Nacktspaziergang" "Nein, der Event ist natürlich behördlich genehmigt. Es dauerte ein wenig, die Bewilligung zu bekommen, aber die Schweizer sind da ja eher offen", erzählt Zollinger im "Heute"-Talk. Das war nicht immer so. "Für eine ,Stadtwanderung mit Nacktakzenten' 2014 in Biel/Bienne (Vorläufer des ersten ,Body and Freedom Festivals" 2015 ebenda, Anm.) hatte ich nur eine Teilgenehmigung. Wir duften in der Altstadt performen, aber nicht in der Geschäftszone. Daran hielten wir uns nicht. Ein Polizist in Zivil kam damals auf mich zu und flüsterte mir diskret ins Ohr: ,Entweder Sie brechen ab, oder Sie zahlen 1.000 Franken Bußgeld!'. Ich nahm das Bußgeld." 1.000 Franken Bußgeld für "Stadtwanderung mit Nacktakzenten" Events von "Naked Ufo" bis "Nacktknäuel" Zollinger beschäftigt sich seit 1994 mit partizipativen und performativen Inszenierungen des menschlichen Körpers, mit Gruppen bis zu 30 Personen und im Stadtraum, seit 2008 vor allem nackt. Sein Fokus liegt auf Performances des Gehens und des Stehens. Grosses Aufsehen erregte er mit dem "Naked Ufo" anlässlich der Schweizerischen Plastikausstellung utopics in Biel (2009), dem „Naked Slow Walk" am „Zagreb I love you Festival" (2014) und dem Body and Freedom Festival 2015. Dazwischen realisierte er bereits einige Nacktperformance-Projekte in Zürich , so den "Naked Art Walk" auf dem Turbinenplatz" (2012) und den "Nacktknäuel" auf der Rathausbrücke (2013). Textilfreie Sause könnte schon bald in Wien steigen Ein Festival, das mit realer Nacktheit von Körpern im öffentlichen Raum der Gesellschaft den Spiegel vorhält – klingt wie maßgeschneidert für das nackterprobte Wien (u.a. ImPulsTanz, auch Fotokünstler Spencer Tunick startete seine Karriere 1999 in Österreich). "Konkrete Pläne gibt es noch keine", so Zollinger. "Aber ich habe schon darüber nachgedacht, hier mal vorzufühlen. Ich denke, das könnte super funktionieren!" Abendliche "Nacktgespräche" runden Spektakel ab Das Festival wird von einem kulturellen Abendprogramm begleitet. Mit den "Nacktgesprächen" wird ein Forum für kritische Reflexion geboten. Sie umfassen Kurzvorträge aus kulturhistorischer-, kunst- und sozialwissenschaftlichen Perspektiven, Feedbacks und Diskussion. Werkpräsentationen sowie Performances ergänzen das Programm. HIER gibt's noch mehr Infos Übrigens: Zollinger liebäugelt auch mit Wien als Festival-Location: „Das könnte gut funktionieren!