Szene

Der Aufmischer hat Geburtstag!

14.09.2021, 03:33
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Bild: Hannibal Hanschke (dpa)

Theater ohne ihn? Für viele erstrebenswert, für andere nicht mehr als eine Illusion. Seit 45 Jahren wirbelt Claus Peymann die Bühnenluft auf - von Selbstzweifeln gequält, vom Größenwahn getrieben. An der Burg provozierte er den größten Skandal der deutschsprachigen Theatergeschichte, morgen wird er 75.

Theater ohne ihn? Für viele erstrebenswert, für andere nicht mehr als eine Illusion. Seit 45 Jahren wirbelt Claus Peymann die Bühnenluft auf – von Selbstzweifeln gequält, vom Größenwahn getrieben. An der Burg provozierte er den größten Skandal der deutschsprachigen Theatergeschichte, morgen wird er 75. Vier Zentimeter dick, 480 Seiten schwer, rauer Inhalt auf rauem Papier: Wer das Phänomen Peymann in mundgerechten Stücke serviert haben will, wird scheitern - zumindest den Versuch dazu liefert das Lexikon "Peymann von A–Z" (Das Neue Berlin, 25 Euro). Herausgeber Hans Dieter Schütt trägt im "Selbstbildnis von fremder Hand" zusammen, was den ewig Unzufriedenen ausmacht: Es sind vor allem die wenig wohldosierten Wortspenden, mit denen sich der Theatermacher etwa im Zeit-Interview 1986 über die "pompösen Gebärden" der Burgstars auskotzte. 2007 versetzte seine Ansage, den nach 26 Jahren aus der Haft entlassenen RAF-Terroristen Christian Klar als Praktikant am Berliner Ensemble aufzunehmen, das Volk in Rage. Und schon 30 Jahre zuvor erzürnte er mit einer Spende, um RAF-Gefangenen Zahnbehandlungen zu finanzieren. Aber das alles zählt nichts, wenn's im selben Atemzug mit "Heldenplatz" genannt wird. Die Uraufführung von Thomas Bernhards Konfrontation mit dem latent präsenten Antisemitismus brachte das Burgtheater 1988 unter seiner Führung metaphorisch zum Brennen. Bis 2014 ist der Aufmischer in Berlin im Amt. Dann geht’s vielleicht nach Amerika. Oder in den Garten.