Szene

Eltern verzweifelt gesucht

Land: D, Genre: Gesellschaft + Soziales

13.09.2021, 19:44
Teilen
Bild: Kein Anbieter

In Deutschland sind über 75 000 Kinder in Pflegefamilien untergebracht, weitere 95 000 in Heimen. "37°" begleitet eine Familie, die einem Pflegekind aus dem Heim ein neues Zuhause geben will. Anne (45) und Frank (47) leben mit Tochter Lönja (14) in Köln. Seit zehn Jahren sind sie ein Paar. Das Jugendamt vermittelt ihnen die neunjährige Pflegetochter Nermina, die bereits drei Jahre im Kinderheim gelebt hat. Nerminas Eltern haben sich getrennt, die Mutter ist psychisch schwer erkrankt. Niemand konnte sich in ihrer frühen Kindheit ausreichend um Nermina kümmern. Das neunjährige Mädchen wünscht sich, in einer richtigen Familie statt im Kinderheim aufzuwachsen. Als Anne und Frank sich als Pflegeeltern zur Verfügung stellen, scheint ihr Glück perfekt. Doch so groß Nerminas Wunsch nach mehr Bindung ist, so sehr Pflegeeltern und Pflegeschwester sich Mühe geben, die Anfangszeit gestaltet sich für alle sehr schwierig und kräftezehrend. "Als Pflegefamilie musst Du Geduld haben und Frust aushalten können", weiß Pflegemutter Anne. Die gelernte Sozialpädagogin übt regelmäßig Mathe und Deutsch mit ihrer Pflegetochter, die eine Förderschule besucht. Nermina kann sich nur schwer auf die Hausaufgaben konzentrieren und verzweifelt schnell, weil das Lernen für sie so mühsam ist. "Ich frage mich, ob ich das überhaupt schaffe, ob ich dazu pädagogisch in der Lage bin", formuliert Pflegevater Frank seine Zweifel. Denn Nermina testet gerade in der Anfangszeit ihre Grenzen aus, provoziert die ganze Familie. Sie kann nicht glauben, dass sie wirklich in der Pflegefamilie bleiben darf, egal, was passiert. Zu tief sitzt die Angst, wieder abgegeben und ins Heim abgeschoben zu werden. In ihren ersten Jahren hat Nermina Erwachsene immer nur als unzuverlässig erlebt. Zu viel Familienharmonie kann sie auch heute nur schwer ertragen. Wenn ihr mal wieder alles zu viel wird, verlässt sie kommentarlos das Haus und radelt durch die Gegend. Oft machen sich ihre Pflegeeltern dann Sorgen, sie hoffen, dass es ihnen schließlich gelingen wird, Nerminas Vertrauen zu gewinnen. Die 14-jährige Lönja, Annes leibliche Tochter, hat sich das vorher ganz anders vorgestellt mit einer Pflegeschwester. Sie ist oft genervt von Nerminas Wut. "Manchmal, wenn Nermina so ausrastet, denke ich, es geht einfach nicht mehr", gibt Lönja zu. Dann wünscht sie sich die kleine Pflegeschwester einfach nur weg. Doch die "Ausraster" werden im Lauf der Zeit immer weniger, und die Pflegefamilie wächst Schritt für Schritt zusammen. Nach vielen Turbulenzen steht für Nermina fest: "Hier ist es viel schöner als im Kinderheim, hier ist mein Zuhause." Und Schwester Lönja ergänzt: "Ich vergesse ganz oft, dass Nermina noch eine andere Familie hat, für mich gehört sie zu uns." Die gesamte Familie kann sich sogar vorstellen, ein weiteres Pflegekind aufzunehmen. Anne und Frank sprechen erneut beim Jugendamt vor. Doch der bürokratische Aufwand vonseiten der Jugendämter ist hoch, die lange Wartezeit zermürbt die Pflegeeltern. Wird es überhaupt noch zu einer weiteren Vermittlung kommen? "37°" hat die Pflegefamilie zwei Jahre bei ihrem allmählichen Zusammenwachsen begleitet.