Szene

K.O. für Vokuhila-Moretti und seine "Gipsy Queen"

13.09.2021, 15:12
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Ali (Alina Serban) macht mehr durch als "Rocky" Sylvester Stallone. Box-Trainer Tobias Moretti will sie groß rausbringen. Aber Hamburg ist nicht Philadelphia.

Als alleinerziehende Roma-Frau hat man es im Hamburg der Jetzt-Zeit schwer. Ali (Alina Serban) wurde von ihrem Vater von klein auf, auf eine Boxkarriere vorbereitet und sogar nach der Legende Muhammad Ali benannt. Doch dann kam das erste Kind und damit der Bruch mit dem Papa.

Vom Arbeiterstrich ...

Jetzt lebt Ali mit ihren beiden Kindern in einer Hamburger WG mit einer Einheimischen, weil man nur mit deutschem Namen einen Mietvertrag bekommt. Bei ihrem Putzjob versucht die Vorgesetzte sie abzuzocken. Am illegalen Arbeiter-Strich muss sie um fünf Euro die Stunde nachts auf Asbest-Baustellen arbeiten. Dann klopft auch noch das Jugendamt an. Alis Leben liegt in Scherben.

... in den Boxring

Bei einem Gelegenheitsjob landet Ali im Boxklub "Zur Ritze", wo sich der saufende Ex-Boxer Tanne (Tobias Moretti mit Vokuhila!) im Hinterzimmer oral befriedigen lässt. Als das Pausenmaskottchen, ein schwarzer Boxer, abhaut, weil er sich zum Gaudium der Zuschauer nicht mehr in ein Affenkostüm stecken lassen will, übernimmt Ali. Boxtalent Tanne hat sich seine Chance auf seinen ganz großen Sieg versaut. In Ali sieht er eine potentielle Gewinnerin. Ihr könnte die Karriere aus der Armutsfalle helfen.

Hamburg ist nicht Philadelphia

Kurz danach läuft sie schon zu Trainingszwecken die Kaistufen in Hamburg hinauf. Sie soll gegen die amtierende Weltmeisterin antreten. Die erinnert trotz Cornrows an Ivan Drago (Dolph Lundgren) aus Rocky IV. Nur: Hamburger Kaistufen sind nicht die Stufen der Bibliothek von Philadelphia, die Rocky in seiner Trainingsszene unsterblich gemacht haben. Und statt Survivors "Eye of the Tiger" spielt es in Hamburg (guten) Deutsch-Rap. Trailer "Gipsy Queen"

"Rocky" und Muhammad Ali wecken Erwartungen

Im Boxen entstehen Legenden nicht nur durch ihr Können sondern auch durch ihre große Klappe. Muhammad Alis Spruch "Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene", ist bei Nicht-Box-Fans bekannter als seine Erfolge im Ring. Auch Rockys Trainingslauf ist 40 Jahre nach dem Filmstart berühmter als der Endkampf (den er beim ersten Versuch verlor). Auf die Schultern dieser Giganten stellt sich Huseyin Tabaks "Gipsy Queen". Leider geht ihm kurz vor dem Ende die Puste aus.

Moretti beim Boxen angezählt

Moretti überzeugt als abgehalfterter Ungustl. Aber nur, bis er zum ersten Mal zuschlägt. Jetzt könnte man natürlich sagen, er schlägt wie ein Mädchen. Doch dass stimmt nicht, denn Alina Serban würde den Jedermann aufmischen, bis er seine eigene Buhlschaft nicht mehr erkennt. Das ist schade und ruiniert in einer Mini-Szene jegliche Glaubwürdigkeit.

"Gipsy Queen" am Ende ausgezählt

Die Story baut durch die Rocky-Parallelen große Erwartungen auf. Doch dann kommt das Ende. Das will ich hier nicht spoilern. Nur soviel: Kurz vorm Schlussgong geht zwar nicht die Hauptdarstellerin, jedoch der Film "Gipsy Queen" K.O. Trotzdem ist "Gipsy Queen" für drei österreichische Filmpreise nominiert (Bester männlicher Darsteller Tobias Moretti, Bestes Drehbuch und Beste Musik). Alina Serban wurde beim Tallinn Black Night Film Festival bereits als Beste Schauspielerin ausgezeichnet. "Gipsy Queen" läuft ab 6.12.2019 in Österreichs Kinos