Welt

In Kirche angesprochen, zu Prostitution gezwungen

13.09.2021, 21:06
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Sie werden in der Kirche angesprochen oder erhalten WhatsApp-Nachrichten mit falschen Versprechungen – so locken nigerianische Schleuserringe Mädchen.

Sie hatten von einem besseren Leben in Europa geträumt, jetzt müssen sie sich auf schmutzigen, feuchten Matratzen am Straßenrand fremden Männern hingeben: Junge Nigerianerinnen werden in Italien zur Sexarbeit gezwungen, um ihre Schulden bei Menschenhändlern abzuzahlen. Eine neue Fotoreportage zeigt bedrückende Szenen, die auf italienischen Straßen seit Jahren alltäglich sind: Junge, halbnackte Mädchen auf der Suche nach Freiern. Sie schämen sich, fotografiert zu werden, denn sie schaffen nicht freiwillig an. Viele werden von Zuhälterinnen, sogenannten "Madames" – in den meisten Fällen Landsfrauen –, dazu gezwungen, sich zu prostituieren. Schleuser sind in Kirchen aktiv "Sie sagte, ich würde ihr 20.000 Euro schulden. Ich hatte keine andere Wahl, ich war erst 17 Jahre alt und gerade angekommen. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Ich war verzweifelt. So wollte ich nicht enden", sagte die Nigerianerin Precious der Nachrichtenagentur "AP". Schätzungsweise zwischen 10.000 und 30.000 Prostituierte aus Nigeria gehen in Italien auf den Strich.

Viele Mädchen zwischen 16 und 24 Jahren werden von Menschenhändlern in ihren Heimatdörfern angeworben. Wie die Zeitung "La Stampa" berichtet, sprechen die Schleuser sie in Kirchen an, andere bekommen von angeblichen Freunden in Italien eine Nachricht via WhatsApp oder auf Facebook. Die Männer behaupten, sie hätten Asyl erhalten, und laden die Frauen ein, ihnen zu folgen.

10 Euro für Oralverkehr Spätestens während der langen Reise durch Niger und Libyen wird den Frauen klar, dass es nicht so kommen wird, wie sie es sich vorgestellt haben. Sie werden geschlagen und vergewaltigt, in Italien erfahren sie dann von den Madames, dass sie die Reisekosten zwischen 20.000 und 35.000 Euro mit Sexarbeit abzuzahlen haben. "Der Preis für Oralverkehr beträgt 10 bis 15 Euro. Mit der Hand 5 bis 10 Euro und für Geschlechtsverkehr 20 Euro. Wenn sie es ohne Kondom macht, dann doppelt so hoch", schreibt die Buchautorin Barbie Latza Nadeau in ihrem Buch "Fahrplan zur Hölle", das im März veröffentlicht wurde. Precious hat es geschafft Die nigerianischen Schleuserringe sind gut organisiert – der italienische Staat machtlos. Die Regierung hat seit 2015 die Mittel verdreifacht – auf 22,5 Millionen pro Jahr –, um Frauen zu helfen, die ihrem Leben als Sexsklavinnen entrinnen wollen. Mit dem Geld werden Ausstiegsprogramme finanziert. Aber Hilfsorganisationen bemängeln, dass das nicht genug sei und es keine koordinierte Strategie gebe. Precious ist indes eine der wenigen, die den Ausstieg geschafft haben. Sie lebt nun in einem "sicheren Haus" nahe Rom und absolviert ein bezahltes Praktikum in der Altenpflege. "Ich kann sagen, dass ich jetzt frei bin", sagt sie glücklich. (kle)