Szene

Professor Bernhardi ordiniert (endlich) wieder

Vielbejubelte Premiere des Schnitzler-Klassikers "Professor Bernhardi" im Theater in der Josefstadt am Donnerstag Abend.

13.09.2021, 22:30
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"Bin ich etwa auch ein Antisemit? Ich, der ich immer mindestens einen jüdischen

Assistenten habe? Gegenüber

anständigen Juden gibt

es keinen Antisemitismus" Filitz Ärzte ohne Grenzen Schnitzlers düstere Komödie "Professor Bernhardi" ist heute aktueller denn je, denn dieses politische Trauerspiel um jenen jüdischen Arzt, dessen höchst menschliche Entscheidung, einer jungen Frau die letzten Sakramente zu verweigern, um sie in einem Zustand der hoffnungsvollen Euphorie sterben zu lassen, wird Auslöser eines "Dirty Campaigning"-Politskandals mit antisemitischen Hintergrund. Beruflicher Tod eines Moralisten oder eine Frage der Ehre So böse und so hinterhältig hat man Florian Teichtmeister schon lange nicht mehr gesehen. Er, der deutschnationale Dr. Ebenwald, der den großen Menschen Bernhardi zu Fall bringt um sich selbst auf den judenfreien (Ärzte)-Thron zu erheben. Überhaupt ist dieses hochrangige Männerensemble unter der Regie von Erfolgsregisseur Januz Kica perfekt aufgestellt und aufeinander eingestellt. Alma Hasun stellt sich als einzige Frau und fromme Schwester Ludmilla einem Chor aus 19 gestandenen Männern (Besetzung siehe unten) - und macht ihre Sache kurz und gut. Immerhin ist ihre Falschaussage der Grund, warum aus einer durchaus menschlichen Arztentscheidung ein handfester Politskandal entsteht. Nicht die Herkunft, der Mensch steht hier im Vordergrund Hausherr Herbert Föttinger ist hier etwas Entscheidendes gelungen: Er rückt die allgegenwärtige Geschichte um den Antisemitismus so gut wie möglich zur Seite und stellt die ethische Frage und den Menschen in den Vordergrund. Bernhardi muss nicht mehr zwangsläufig jüdischer Abstammung sein, ebenso gut könnte er Syrer oder ein einstiger Flüchtling sein, der es geschafft hat, durch sein medizinisches Können, Fuß in der Gesellschaft zu fassen. Anfangs stark und mächtig, erlebt man den Verfall der Professors schmerzhaft mit. Man möchte beinahe aufstehen und seinem Gerechtigkeitssinn Gehör verschaffen, wären da nicht einige wenige treue Anhänger Bernhardis, die ihn an unserer Statt in den Arm nehmen und trösten. Von Anfang an auf verlorenem Posten In der Rolle des Filius pendelt Nikolaus Barton zwischen Verzweiflung und kindlicher Ohnmacht. Er, der den Vater verehrt und ihm nicht helfen kann. Weil keiner dem Professor wirklich helfen kann - außer er selbst. Da hilft auch die Verteidigung des Winkeladvokaten Dr. Goldenthal (Michael Dangl) wenig, denn wie sagt Bernhardis ehemaliger Jugendfreund, Prof. Dr. Flint (Bernhard Schir), so schön? "Du warst von Anfang an verloren." Vielleicht ob seiner jüdischen Abstammung, vielleicht ob seiner Abneigung gegen die Katholische Kirche und deren auferlegten Zwänge, vielleicht aber auch ob seines Zynismus und männlichen Stolzes. In der Kürze liegt oft die (Theater-)Würze Janusz Kica hätte das über drei Stunden dauernde Stück vielleicht etwas kürzen können, ohne dem Stück dabei seinen essentiellen Kern zu rauben. Man kann nicht sagen, dass es sich gezogen hätte, eine gewisse Kürzung hätte das Ganze aber vielleicht ein wenig aufgefrischt. Am Ende zeigt sich das Spiel um Bernhardis Fall als durchaus berührend, tiefgehend und hochaktuell. Bernhard Schir ist hier zwar ein verlogener, nur an sich denkender, redegewaltiger und höchst hinterhältiger Mensch, dennoch muss man ihn lieben. Es ist Schirs Spiel mit Herbert Föttinger, welches den Zuschauer fesselt und für Gänsehaut-Momente sorgt. So schön steril wie in einem OP Das karge, beinahe sterile Bühnenbild von Karin Fritz rückt den Text und das Spiel umso mehr in den Vordergrund. Kica hat Schnitzler hier zwar modern aber nicht zwangsweise neu inszeniert. Das Thema, aktueller denn je, ist eine perfekte Studie über Menschen und Macht, Politik und Religion. Trotz der Trauer um Chefdramaturgin Ulrike Zemme stand den Männern die Spielfreude ins Gesicht geschrieben, vielleicht auch gerade deswegen, widmete man dem langjährigen Josefstadt-Mitglied doch die Premiere. Wer also viel aktuelles Theater für wenig Geld bekommen möchte, der sollte sich Professor Bernhardi unbedingt in der Josefstadt anschauen. In Gedenken an Chefdramaturgin Ulrike Zemme Erst am Montag war die langjährige und allseits beliebte Chefdramaturgin Ulrike Zemme während der Bernhardi-Probenphase verstorben. Bei der anschließenden Premierenfeier im Palais Coburg würdigte ein sehr ergriffener Josefstadt-Direktor Ulrike Zemme mit folgenden Worten: "Ich möchte hier keine Schweigeminute für Ulrike einlegen, das wäre nicht in ihrem Sinne. Vielmehr möchte ich sie noch einmal um einen Applaus für unsere langjährige Freundin bitten." Und den hat Ulrike Zemme bekommen. Wer weiß, vielleicht sah sie ja an diesem Abend von oben zu und war ebenso stolz auf dieses wunderbare Ensemble, wie Herbert Föttinger es war. Satirische Fake-News verärgerten Partei Zu Saisonbeginn hatte man im Theater in der Josefstadt mit sarkastisch-satirischen Fake-News ("Strache macht 1 Jahr Bildungskarenz") für Schlagzeilen und Ärger bei der FPÖ gesorgt. Damals wie heute zeigt sich Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger von der Politik und diversen Subventions-Kürzungs-Drohungen gewisser Politiker relativ unbeeindruckt. Die Kunst ist (Gott sei Dank) noch frei So berichtete Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny erst am Montag Abend bei der Nestroy-Gala im Ronacher, wie eine gewisse Partei auf diese satirischen Zeilen reagiert hatte. Man habe beim Stadtrat ernsthaft um eine Rückerstattung jeglicher Subventionen des Josefstadttheaters gefordert - aufgrund des Missbrauches der Freiheit von Kunst. Gott sei Dank ist die Kunst aber (noch) frei und der sehr sympathische Kulturstadtrat gar nicht erst auf diese unfassbare Bitte eingegangen.

BESETZUNG Regie: Janusz Kica Bühnenbild und Kostüme: Karin Fritz Dramaturgie: Ulrike Zemme, Leonie Seibold Licht: Manfred Grohs MIT: Dr. Bernhardi, Direktor des Elisabethinums: Herbert Föttinger Dr. Ebenwald, Professor und Vizedirektor: Florian Teichtmeister Dr. Cyprian, Professor für Nervenkrankheiten: André Pohl Dr. Pflugfelder, Professor für Augenkrankheiten: Michael König Dr. Filitz, Professor für Gynäkologie: Christian Nickel Dr. Tugendvetter, Professor für Dermatologie: Michael Schönborn Dr. Löwenstein, Dozent für Kinderkrankheiten: Johannes Seilern Dr. Schreimann, Dozent für Halskrankheiten: Wojo van Brouwer Dr. Adler, Dozent für pathologische Anatomie: Peter Scholz Dr. Oskar Bernhardi, Sohn Bernhardis: Nikolaus Barton Dr. Kurt Pflugfelder, Assistent Bernhardis: Alexander Absenger Dr. Wenger, Assistent Tugendvetters: Alexander Strömer Hochroitzpointner, Kandidat der Medizin: Holger Schober Ludmilla, Krankenschwester: Alma Hasun Professor Dr. Flint, Unterrichtsminister: Bernhard Schir Hofrat Dr. Winkler, im Unterrichtsministerium: Martin Zauner Franz Reder, Pfarrer: Matthias Franz Stein Dr. Goldenthal, Verteidiger: Michael Dangl/Alexander Strobele Dr. Feuermann, Bezirksrat in Oberhollabrunn: Oliver Rosskopf Kulka, ein Journalist: Patrick Seletzky Tickets und Infos: Theater in der Josefstadt