Österreich

Schiffschul: Pläne für neue Synagoge im Zweiten

1938 wurde die "Schiffschul" zerstört. Das jetzige Gebäude ist baufällig. Schon lange bemüht sich der Betreiberverein um einen Neubau.

14.09.2021, 00:41
Teilen

"Wir haben damals in der Krummbaumgasse im 3. Stock gewohnt", erzählt Benno K. Der 89-Jährige war am 11. März 1938, dem Tag des "Anschlusses" Österreichs an Nazi-Deutschland, Augenzeuge der schrecklichen Ereignisse. "Ich stand in meinem Kinderzimmer und konnte zwei Stunden lang diese Hölle beobachten", erzählt er bewegt. "Fackelzüge strömten durch die Straßen, die Leute grölten: ,Ein Volk, ein Reich, ein Führer'." Einige Monate später, in der Pogromnacht von 9. auf 10. November 1938, stürmten SA-Männer die "Schiffschul" in der Großen Schiffgasse 8 in der Leopoldstadt, legten Feuer – die Synagoge wurde komplett zerstört. Benno K. wurde in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert – er überlebte. Nach seiner Rückkehr nach Wien baute K. mit anderen den Verein "Adass Jisroel" wieder auf. Seit 1955 ist in der Großen Schiffgasse 8 – im Vordergebäude, das neu aufgebaut wurde – wieder ein Zentrum des orthodoxen Judentums. Seit Jahrzehnten setzt sich K. unermüdlich für einen Neubau der Synagoge ein, wird dabei von seinem Sohn Sami K. unterstützt.

Die Synagoge "Schiffschul" in der Großen Schiffgasse 8 (Leopoldstadt) wurde 1858 erbaut. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde sie von den Nazis komplett zerstört. Die ursprüngliche Schiffschul bot 700 Sitzplätze und war Zentrums des orthodoxen Judentums. In Wien gab es rund 25 Synagogen – alle bis auf den Stadttempel in der Seitenstettengasse wurden 1938 zerstört. Außerdem rund 70 Betshäuser von Vereinen – jetzt sind es nur noch elf.

Jetziges Gebäude ist baufällig "Es ist eine Minute nach 12. So kann es nicht weitergehen", sagt Sami K. "Heute" war im Haus in der Großen Schiffgasse 8 zu Besuch. Es ist dringend sanierungsbedürftig, im Stiegenhaus zum Teil gepölzt. "Nur die Fassade im Erdgeschoß ist noch im Originalzustand. Die Synagoge im Hof war eine Brandruine", so K. Der Betraum im 1. Stock wurde der alten Synagoge nachempfunden, doch: Der Verein "Adass Jisroel" (Gemeinschaft Israel) wünscht sich eine neue Synagoge – sie soll der ursprünglichen, 1858 im Hof erbauten Synagoge nachempfunden werden. Bislang scheiterte das Projekt an der Finanzierung. Jetzt gibt es einen neuen Plan: Das bestehende Gebäude an der Straße soll abgerissen werden. "Es ist nicht möglich, das zu erhalten", so Sami K. Straßenseitig ist ein Hotel vorgesehen. "Wir müssen den Neubau der Synagoge aus eigener Kraft finanzieren. Daher sind wir gezwungen, einen Investor miteinzubeziehen – um überhaupt bauen zu können." Kosten: voraussichtlich rund drei Millionen Euro.

Pläne für die neue "Schiffschul" Die ursprüngliche "Schiffschul" hatte 700 Sitzplätze, war im Hof und von der Straße nicht einsehbar gebaut. Die neue Synagoge soll 130 Plätze haben, am Vordergebäude vorbei soll eine Passage bis in den Hof führen.

Im Erdgeschoß ist die Synagoge geplant, außerdem sind eine "Memorial Hall" zur Erinnerung an ehemalige Mitglieder der "Schiffschul" und ein Kulturraum vorgesehen. Ins 1. Obergeschoß sollen eine Damengalerie und eine Bibliothek mit einem weiteren Betraum kommen, im 2. Obergeschoß sollen Startwohnungen für vier Jungfamilien der Gemeinde entstehen. Im 1. Kellergeschoß sind ein Veranstaltungsraum, die Mensa und das Ritualbad geplant. Grünes Licht gab es zuletzt aus dem Bezirk: Bei einer baupolizeilichen Sitzung 2016 waren alle Anrainer dafür, am 3. November 2016 wurde das Projekt – noch unter dem vorigen Bezirkschef Karlheinz Hora (SPÖ) – einstimmig im Bauausschuss abgesegnet. Bereits 1998 hatte die damalige Finanzstadträtin Brigitte Ederer geschrieben, dass es sich bei der "Synagoge Schiffschul um ein äußerst wichtiges Projekt für unsere Stadt handelt." IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer sagt: "Wenn es darum geht, dass ein Betshaus revitalisiert wird, sehe ich das positiv." Sami K. hofft, dass die neue Synagoge bald Wirklichkeit wird. "Die Gemeinde hofft auf finanzielle Unterstützung von der Stadt und der Republik Österreich."