Gesundheit

Akne an Hoden – "habe täglich Höllenschmerzen"

Christoph (28) leidet seit seiner Jugend an Akne inversa. Um die Abszesse in der Genitalregion zu entfernen, musste er mehr als 30 Mal operiert werden

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Christoph (28) leidet an der chronischen Hauterkrankung Akne inversa.
Christoph (28) leidet an der chronischen Hauterkrankung Akne inversa.
privat / 20min

Christoph (28) leidet an der chronischen Hauterkrankung Akne inversa. Die Krankheit brauch aus, als er in der 9. Schulstufe war. Der Schweizer hat schon über 130 chirurgische Eingriffe hinter sich und hofft, eines Tages trotzdem einmal seinen Traumberuf als Polizist ausüben zu können.

Christoph, was macht dich besonders?

Ich leide an Akne inversa. Wenn man im Internet über Akne liest, denkt man, es ist eine nicht so schlimme Krankheit. Eiterpickel, Mitesser, die kennen wir alle. Aber Akne inversa ist anders. Meine Hauterkrankung ist sehr komplex - es sind vor allem meine Oberschenkel, Leisten und Hoden betroffen. Ich habe ständig Schmerzen und es gibt Tage, an denen ich kaum aus dem Bett aufstehen kann. Angefangen hat es etwa mit 15 Jahren, in der 9. Klasse. Heute habe ich jeden Tag und jede Nacht damit zu kämpfen."

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    Christoph (28) leidet an der chronischen Hauterkrankung Akne inversa.
    Christoph (28) leidet an der chronischen Hauterkrankung Akne inversa.
    privat / 20min

    "Die Akne kann von einem auf den anderen Tag kommen und über mehrere Wochen oder gar Monate bleiben. An manchen Tagen ist sie gar so schlimm, dass ich die Stellen nach dem Aufstehen desinfizieren und komplett verbinden muss. Das schränkt mich in meiner Bewegungsfreiheit sehr ein. Es gibt aber auch Tage, an denen ich keine neuen Ausbrüche habe und ich beinahe schmerzfrei bin. Ich habe immer zwischen 8-18 Abszesse am Körper. Man weiß leider noch nicht sicher, warum diese Krankheit auftritt. Übergewicht, falsche Ernährung sowie Rauchen werden als Teil der Ursache vermutet.

    Wann und wie hast du bemerkt, dass etwas nicht stimmt?

    Ich war mit einem Freund in meinem Zimmer und fragte ihn beiläufig, ob er eigentlich auch so Püggeli (Abszesse) an der Innenseite seines Oberschenkels hätte. Er verneinte und wollte sehen, was ich meine. Ich zog meine Hose aus, um ihm die vier bis fünf roten, schmerzhaften Abszesse an meinem Oberschenkel zu zeigen. Er war ein wenig geschockt und meinte, ich solle unbedingt mit meinen Eltern darüber reden. Das tat ich dann auch – und sie fuhren sofort mit mir zum Hausarzt, der mir die Diagnose Akne inversa stellte.

    Wie ging es weiter?

    Wir holten uns bei einem Dermatologen eine Zweitmeinung ein. Doch die Diagnose blieb dieselbe – mitsamt den sehr geringen Behandlungsmöglichkeiten. Jede*r Arzt*Ärztin sagt mir das Gleiche: Gesunde Ernährung, keinen Alkohol, kein Nikotin wirken vorbeugend. Antibiotika und Lasern helfen ebenfalls, allerdings hält nichts davon lange an. Ich habe es ausprobiert; schon drei Monate nach meiner Antibiotikatherapie fing die Akne inversa wieder voll an. Das Weglasern der Haare funktionierte anfangs in der Leistengegend sehr gut. Mehrere Monate hatte ich Ruhe, doch danach kehrten die Knoten zurück. Derzeit setze ich auf einen gesunden Lebensstil.

    Was ist Akne inversa genau?

    Akne inversa ist eine chronische Hauterkrankung, bei der es zu einer Entzündung der Hautbereiche kommt. Diese Bereiche kommen hauptsächlich bei behaarten Hautpartien, den Achselhöhlen und der Leistengegend vor. An den entzündeten Hautstellen bilden sich häufig erbsengrosse Knoten, Abszesse, Fisteln und Vernarbungen.
    Ein Abszess ist eine abgekapselte Eiteransammlungen im Gewebe, die durch eine Entzündung hervorgerufen wird. In Westeuropa sind etwa ein Prozent der Menschen von dieser Erkrankung betroffen.

    Bis 2017 habe ich als Dachdecker gearbeitet. Ich war damals stark übergewichtig, rauchte und trank Alkohol. Ende 2017 habe ich mit dem Trinken aufgehört, dadurch besserte die Akne ein bisschen. Zudem habe ich in den letzten zwei Jahren mehr als 36 Kilogramm abgenommen. Seither muss ich nicht mehr so oft operieren, da die Abszesse nur noch oberflächlich sind und nicht mehr so tief unter die Haut gehen. Doch an der Anzahl der Abszesse hat sich trotz meiner Lebensumstellung nicht viel verändert.

    Wie hat dein Umfeld auf deine Krankheit reagiert?

    Meine Eltern und Geschwister haben mich immer unterstützt und mir Mut gemacht. Mit Freund*innen und Arbeitskolleg*innen habe ich kaum darüber geredet. Nur mein engstes Umfeld und mein ehemaliger Chef wussten davon. Ich hatte während meiner Lehrzeit bestimmt 30 Operationen. Für meinen Arbeitgeber war das sicher mühsam. Ende 2017 bekam ich die Kündigung, ich vermute, dass es mit meiner Krankheit und den Ausfällen zusammenhing.

    Wie laufen die OPs jeweils ab?

    Während ich in Vollnarkose bin, schneidet der*die Chirurg*in meine Abszesse auf, lässt den Eiter ab und spült die Wunden mit einer Kochsalzlösung aus. Die Abszesse müssen geöffnet werden, da die darin enthaltenen Erreger sonst immer tiefer in das Gewebe eindringen und Muskeln, Organe oder gar Knochen infizieren können. Ich habe mittlerweile 36 Operationen unter Vollnarkose und etwa 100 Eingriffe hinter mir.

    Wie geht es dir heute? Wie sieht dein Alltag mit der Krankheit aus?

    Vor einiger Zeit hatte ich bei einer Narkosevorbereitung eine Horror-Erfahrung, die bei mir Ängste und Herzrasen auslöste. Ich konnte danach zeitweise fast nicht mehr aus dem Haus gehen. Doch ich habe mich aufgerafft und vor etwa einem halben Jahr hat die erste Besserung eingesetzt.

    Bezüglich der Liebe ist es nicht einfach. Verliebt war ich zwar auch schon, aber es wurde bisher nie etwas daraus. Ich brauche Zeit, um mich einer Person zu öffnen, weil ich mich wegen der vielen Narben schäme. Ich sage immer, dass ich deshalb wie ein Gladiator aussehe.

    Mein Tag sieht immer gleich aus. Ich gehe duschen, nehme meine Medikamente und je nachdem müssen wir die Abszesse desinfizieren und verbinden. In meiner Freizeit beschäftige ich mich viel mit Autos. Wenn es mir gut geht, wasche und putze ich sie auch gern. Ein weiteres Hobby von mir sind Polizeibücher und -filme. Mein Wunsch ist es, eines Tages Polizist zu werden - dafür muss ich aber zuerst gesund werden. Ich glaube daran, dass eines Tages etwas erfunden wird, das Akne inversa vollständig heilen und mir ein normales Leben ermöglichen kann.