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"Lost Judgment" im Test: Thriller als Adrenalin-Boost

Die Fortsetzung von "Judgment" legt los: Erzählerisch dichter, actionreicher und größer geht man in "Lost Judgment" einem brutalen Verbrechen nach.

Rene Findenig
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    Es ist angerichtet: gerade noch hat das Kult-Ermittler-Duo Takayuki Yagami und Masaharu Kaito in einer Nobelschule, in der es vor Jahren einen Mobbing-Skandal mit einem toten Studenten und einem verschwundenen Junglehrer gab,...
    Es ist angerichtet: gerade noch hat das Kult-Ermittler-Duo Takayuki Yagami und Masaharu Kaito in einer Nobelschule, in der es vor Jahren einen Mobbing-Skandal mit einem toten Studenten und einem verschwundenen Junglehrer gab,...
    SEGA

    Es ist angerichtet: Gerade noch hat das Kult-Ermittler-Duo Takayuki Yagami und Masaharu Kaito in einer Nobelschule, in der es vor Jahren einen Mobbing-Skandal mit einem toten Studenten und einem verschwundenen Junglehrer gab, einen neuen Übergriff auf eine Studentin abgewendet. Ein Anruf ändert aber alles: Das Duo erfährt, dass ein wegen sexueller Belästigung vor Gericht stehender Mann, konkret der Vater des toten Studenten in ihrem Schul-Fall, vor Gericht eine Bombe platzen ließ.

    Warum wusste bisher niemand über die Leiche Bescheid? Hat der Angeklagte den sexuellen Übergriff etwa als Alibi für einen Mord genutzt? Oder ist in Wahrheit alles ganz anders? Das soll der Spieler als Ermittler aufdecken und schlüpft in "Lost Judgment" von SEGA und Ryu Ga Gotoku Studio (PlayStation 5, Xbox Series X|S, PlayStation 4 und Xbox One) einmal mehr in die Haut von Takayuki Yagami. Es warten wieder wie schon im Vorgänger rund 40 bis 50 Stunden feinste Thriller-Kost.

    Kein Angst vor harten Themen

    Zwar steht die "Judgment"-Reihe wie auch die "Yakuza"-Serie für jede Menge Späßchen, Humor und Lacher, der neue Titel teilt dies aber deutlicher als zuvor in einen witzigen und einen brutal harten Teil. Der Plot zeigt: Angst vor irgendwelchen Themen hat man nicht, Suizid, Mobbing und Gewalt werden schonungslos angesprochen. Ein Kompliment geht an die Entwickler, denn nichts rutscht hier in Klamauk ab – das Spiel weiß, wie es seine ernsten Themen vom Spaß abgrenzt. Etwas, das dem Vorgänger in manchen Situationen, etwa bei Flirts mit sehr, sehr jungen Figuren, nicht allzu gut gelungen war.

    "Lost Judgment" umschifft aber auch in allen anderen Bereichen die Schwächen des Vorgängers, ohne dessen Stärken verlorengehen zu lassen. So inszeniert das Game nicht nur Kämpfe, Krimiabschnitte und Plot-Twists toll, sondern nimmt nun auch vermehrt Bezug auf die Geschehnisse. Eine Prügelei etwa ist nicht einfach mehr erledigt, wenn alle zu Boden gingen, Stunden später kann uns die Handlung schon auch mal zeigen, was das psychisch mit einem Beteiligten gemacht hat.

    Gleich zwei Städte lassen sich entdecken

    Entsprechend lohnt es sich, die teils etwas langatmigen Dialoge und Videosequenzen des Open-World-Action-Adventures genau zu verfolgen, denn man wird immer wieder mit solchen Story-Verflechtungen belohnt, die das Abenteuer vom Action-Einheitsbrei abheben. Apropos Open World: Anders als im Vorgänger darf man nun gleich zwei Städte beziehungsweise Teile davon, wieder das Viertel Kamurocho in Tokio und das Areal Ijincho in Yokohama, erforschen. 

    Viel Wert wurde dabei wieder auf die Stadtgestaltung, aber auch die Abwechslung gelegt. Kamurocho strahlt und leuchtet mit Spielautomaten und Rotlichtlokalen neonfarben an jeder Ecke, Ijincho zeigt sich dagegen stellenweise etwas nobler mit lichtdurchfluteten Schulgängen und saftig grünen Parks. Atemberaubend fallen die Charaktere aus: Auf der PlayStation 5 wirken Körper und Gesichter beinahe fotorealistisch, auch die Animationen lassen den Mund vor Staunen offen stehen.

    Traumhaft schöne Details zu erkunden

    "Lost Judgment" geht aber grafisch noch mehr als sein Vorgänger ins Detail. So unterscheidet sich beinahe jedes Geschäft, jedes Lokal und jede Spielhalle in den erkundbaren Städten durch liebevolle Details voneinander. Bedeutet: Egal in welche Gasse man abbiegt, man bekommt nie das Gefühl, in der gleichen zu landen, aus der man gerade kam. Groß loben muss man die Lichteffekte: Ob in Scheiben oder auf Metallstangen, jedes noch so kleine Element bekam tolle Effekte spendiert.

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    Japan-typisch spielen Minigames im Spiel eine mindestens ebenso große Rolle wie der eigentliche Plot. Unser Protagonist kann mit dem Skateboard durch die Städte oder über Parcours rasen, sich bei Mopedrennen messen, Laufkurse absolvieren, Boxtrainings durchführen, Tanzschritte einstudieren, Verbrechergruppen aufmischen, und, und, und... Die Möglichkeiten scheinen in "Lost Judgment" geradezu grenzenlos zu sein – wer will, kann hier Hunderte kurzweilige Spielstunden haben.

    Ein ganz neuer Kampfstil zum Prügeln

    Gekämpft wird nun neben den beiden bekannten Kampfstilen "Kranich" gegen größere Gruppen und "Tiger" bei Mann-gegen-Mann-Duellen auch im neuen "Schlange"-Stil. Dieser eignet sich vor allem dafür, bewaffnete Feinde zu entwaffnen und Angriffe zu kontern. Das bringt nun endlich mehr Realismus auch in den Kampf, den bisher schlug man am besten einfach wild und schnell zu. Neu ist beim Stil auch, dass Gegner eingeschüchtert und schnell ausgeschaltet werden können.

    Technisch läuft alles toll ab: Die Animationen sind schnell und flüssig, Ladezeiten gibt es in der Spielwelt egal bei welcher Tätigkeit keine mehr. Etwas lästig ist allerdings noch, dass das Spiel immer wieder in ungewollte Gefechte zwingt: Kommt man einer Feindgruppe zu nahe, wird geprügelt, ohne Wenn und Aber. Fette Pluspunkte gibt es wiederum für den actiongeladenen Soundtrack und die tolle japanische und englische Sprachausgabe. Deutsch findet sich in den Untertiteln.

    Kein Frust mehr bei den Kämpfen

    Trotz allen Neuerungen lebt "Lost Judgment" aber weiter vor allem von seiner Handlung. Die Gefechte bieten nun zwar mehr Varianz und das Treffer-Feedback sowie die Reaktion der Feinde ist abwechslungsreicher, ab einem gewissen Zeitpunkt wiederholt sich die Vorgangsweise aber dennoch stark und die Button-Presses gehen ab dann beinahe automatisch von der Hand. Dass aber nun vermehrt gekontert werden kann, nimmt den Frust aus den im Vorgänger noch härteren Gefechten.

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    "Lost Judgment" bringt zudem etwas "Assassin's Creed"-Flair neu ins Game: Nun können Feinde öfters und verstärkt abgelenkt und verwirrt sowie hinterrücks lautlos ausgeschaltet werden. Dazu gesellen sich einige Kletter- und Hangel-Passagen an Gebäuden, die sich nett spielen, allerdings nicht Assassinen-Qualität erreichen. Abwechslungsreich sind aber neue Werkzeuge und Gehilfen wie Abhörwanzen oder sogar ein tierischer Begleiter, der mit auf Missionen gehen darf.

    Ein grandioser Nachfolger und Adrenalin-Boost

    Bei der Story lässt "Lost Judgment" ab der Hälfte des Games etwas Potenzial liegen, denn ab da sind so gut wie alle Details des Falls klar und die großen Verschwörungen wurden aufgedeckt. Einige kleinere Wendungen gibt es zwar noch, der ganz große und von uns erwartete Plot-Twist gegen Ende bleibt aber aus. Und auch die grafische Qualität der Videosequenzen und Nahaufnahmen findet sich im Spielgeschehen nicht überall.

    Großteils ist alles atemberaubend schön mit 4K und 60 Bildern pro Sekunde gestaltet, einige Male steht man aber auch vor einer absolut verwaschenen Szenerie. Das fällt im Kontrast zur sonstigen Hochglanz-Präsentation umso mehr auf. Dennoch fällt das Fazit toll aus: "Lost Judgment" ist ein Thriller, den Fans des Vorgängers und der "Yakuza"-Reihe lieben werden und der mit seiner Story, die gekonnt Humor- und Krimi-Elemente kombiniert, für einen Adrenalin-Boost bei allen Spielern sorgt.