Verstappen nimmt Hamilton in letzter Runde WM weg

Verrückt, verrückter, Verstappen! Das niederländische Supertalent krönt sich in Abu Dhabi mit 24 Jahren zum ersten Mal zum Formel-1-Weltmeister. Der Red-Bull-Star schnappt Rekordweltmeister Lewis Hamilton den Titel in der letzten Rennrunde weg.

Der Showdown in der Wüste ist an Spannung nicht zu überbieten. Der strahlende Sieger kann sein Glück selbst kaum fassen, stößt über den Teamfunk Freudenschreie aus, nimmt ein Bad in der Menschenmenge bestehend aus seiner Crew und Familie. Die ersten Gratulanten: Papa Jos Verstappen und Freundin Kelly Piquet.

Große Emotionen

Verstappen: "Verrückt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin so stolz auf mein Team. Für mich ist ein Wunder geschehen. Vielen Dank auch an Checo (Sergio Perez, Anm.) - er ist ein toller Teamkollege. Ich liebe meine Fans. Ich hoffe, das geht noch 10 oder 15 Jahre so weiter."

Hamilton: "Gratulation an Max und sein Team. Sie haben einen super Job gemacht das ganze Jahr. Auch unser Team hat das ganze Jahr so hart gearbeitet in der schwierigsten Zeit. Ich habe alles rausgehaut. Wir haben niemals aufgegeben. Ich bin stolz."

Das Herzschlagfinale: Hamilton führt fünf Runden vor dem Ende mit mehr als elf Sekunden Vorsprung, hat eine Hand schon am achten Titel. Dann crasht Nicolas Latifi, löst eine Safetycarphase aus. Verstappen kommt an die Box, holt sich frische, weiche Reifen. Zunächst heißt es, überrundete Piloten dürfen nicht überholen. Verstappens Chance ist vermeintlich dahin. Dann rudert die Rennleitung plötzlich zurück. Eine Runde vor dem Ende kommt es zum Re-Start. Hamilton vor Verstappen, weil jetzt jene Überrundeten, die zwischen den beiden liegen, an Hamilton vorbeiziehen dürfen. Der Red Bull setzt sich mit den schnelleren Reifen gegen den Mercedes durch. Die Sensation ist perfekt.

Drama pur! Die Freude beim österreichischen Rennstall ist riesig. Die Enttäuschung bei Hamilton und seinen Fans ebenso. Rennleiter Michael Masi hat durch seine 180-Grad-Wende eine Runde vor Schluss eine kontroverse Entscheidung getroffen. Über diesen Grand Prix wird noch lange geschwärmt aber auch diskutiert werden.

Hamilton ehrt, dass er seinen Ärger im Interview runtergeschluckt, seinem Rivalen gratuliert hat.

Rot-Weiß-Roter Jubel

Die österreichische Hymne ertönt, bevor Verstappen seine Pokale für den Rennsieg und die WM entgegen nimmt. Der Niederländer ist der zweite Weltmeister des heimischen Rennstalls. Sebastian Vettel wurde vier Mal Champion.

Mit Helmut Marko hat der österreichische Motorsportboss von Red Bull einen großen Anteil am Triumph. Ihr einziger, kleiner Wermutstropfen: Die Konstukteurs-Weltmeisterschaft geht an Mercedes mit dem Wiener Teamchef Toto Wolff.

Marko: "Emotionen waren schon am Start da. Der Max war nervös, hat durchgedreht. Wir haben dann gesehen, dass wir das Tempo nicht mitgehen können. Dann haben wir gewusst, wir brauchen eine Safetycar-Phase. Die ist dann gekommen. Wir haben nie die Hoffnung verloren. Nach all dem Pech musste sich das Glück wenden. Mercedes hat zwei Safetycar-Phasen verschlafen. In dem Fall haben sie es uns leicht gemacht."

Unglaubliches Finale

Verstappen siegt vor Hamilton und Ferrari-Pilot Carlos Sainz.

Der WM-Kampf überstrahlt am letzten Rennwochenende in Abu Dhabi alles andere. Die beiden Rivalen gehen punktegleich an den Start. Verstappen führt, weil er mehr Rennsiege hat. Verstappen startet zudem auf Pole, Hamilton daneben auf zwei und der mittleren Reifenmischung. Verstappen muss auf Soft starten - ein Nachteil, weil die Teams zunächst eine Ein-Stopp-Strategie anstreben.

Nächster, riesiger Vorteil für den Briten: Verstappen verschläft den Start. Hamilton zieht vorbei.

Dann der erste Aufreger: In Kurve neun riskiert Verstappen alles. Er überholt Hamilton innen, schickt ihn von der Strecke. Der 36-Jährige kürzt ab. Die Rennleitung entscheidet, dass er seine Führung behalten darf. Red Bull schäumt.

Hamilton zieht davon. Beide kommen binnen einer Runde an die Box, ziehen die harten Reifen auf. Alles sieht nach einer klaren Angelegenheit für den Seriensieger aus.

Einzig Sergio "Checo" Perez kann den Rückstand von Verstappen gering halten. Der Mexikaner führt zwischenzeitlich, weil er noch nicht an der Box war. Er bekommt die Order, Hamilton möglichst lange aufzuhalten. Er tut es. Und wie. Es kommt zu gleich mehreren spektakulären Manövern. Über mehrere Kurven hinweg wechselt die Führung zwischen Perez und Hamilton. Verstappen pirscht sich von hinten heran und funkt: "Checo ist eine Legende."

Hamilton kann sich erneut absetzen. Dann kommt die erste Safetycar-Phase. Verstappen kommt an die Box für frische Reifen. Hamilton bleibt draußen, macht sich aber Sorgen: "War das die richtige Entscheidung?", fragt er sein Team.

Die Antwort scheint er sich zunächst selbst auf der Strecke zu geben: Ja! Er geht mit souveräner Führung in die finale Rennphase. Doch dann passiert das, wovor Mercedes Angst hatte: Ein schwerer Crash, eine weitere Safetycar-Phase. Latifi ist unverletzt, sein Auto aber schwer beschädigt. Es muss geborgen werden.

Wie weiter oben beschrieben ist fünf Runden vor Schluss unklar, ob das Rennen überhaupt noch einmal gestartet werden kann. Bis unmittelbar vor dem Start der letzten Runde scheint es möglich, dass die WM hinter dem Safetycar enden könnte. Zudem hat Verstappen keine Chance mehr, zu überholen - schließlich hat Masi doch per Funk bestätigt, dass er die zu überrundenden Fahrzeuge noch nicht überholen darf.

Dann, kurz vor der letzten Runde, ist doch alles anders. Verstappen darf die vier Autos zwischen ihm und Hamilton überholen, klebt am Heck des Führenden - es kommt zum Re-Start der Superlative. Mit dem besseren Ende für den jüngeren Piloten auf den jüngeren Reifen.