Politik

Grüner gegen Impfpflicht im Interview mit "Heute"

Christian Kozina hat am Mittwoch mit einem Facebook-Post aufhorchen lassen. Aufgrund der Impfpflicht überlegt er einen Austritt aus der Grünen Partei. 

Tobias Kurakin
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Symbolbild: Die Impfpflicht stößt vielerorts auf Gegenwehr.
Symbolbild: Die Impfpflicht stößt vielerorts auf Gegenwehr.
Daniel Bockwoldt / dpa / picturedesk.com

Wie berichtet, liebäugelt der Grünen-Abgeordnete des Grazer Gemeinderats Christian Kozina mit einem Parteiaustritt. Grund dafür: Seine Partei hat heute die Impfpflicht beschlossen. In einem ausführlichen Interview stellt sich der Lokalpolitiker noch vor der Schicksalsabstimmung den Fragen von "Heute"

Heute.at: Sind Sie bereits aus der Partei ausgetreten?

Christian Kozina: "Nein, es werden jetzt interne Gespräche folgen, die darauf ausgelegt sind, einen Weg zu finden. Ich bin einst der Grünen Bewegung aus voller Überzeugung heraus beigetreten und habe selbstverständlich kein Interesse, diesen Werten und dieser Bewegung allgemein zu schaden."

Apropos Werte, welche Werte waren für Sie ausschlaggebend für einen Partei-Eintritt in der Grünen Bewegung. Wie war Ihr politischer Werdegang?

"Ich habe mich schon lange in der Zivilgesellschaft für nachhaltige Wirtschaft und Klimaschutz stark gemacht. Irgendwann habe ich jedoch gemerkt, dass man in der Zivilgesellschaft ansteht. Deshalb bin ich Anfang 2020 der Grünen Bewegung beigetreten, hauptsächlich aufgrund des Themas „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“. Das war alles noch vor Corona.

Nun ist aber Covid zum bestimmenden Politikum geworden, wo Sie die Parteilinie verlassen. Ihr Posting hat hohe Wellen geschlagen, haben Sie zuvor auch den Kontakt zu Parteigranden gesucht, um intern zu „rebellieren“?

"Ja, das habe ich, besser gesagt, haben wir. Ich bin Teil der Initiative 'Grüne gegen Impfpflicht und 2G' - da sind viele Parteimitglieder dabei, die die Corona-Politik kritisch sehen. Innerhalb der Grünen haben wir immer wieder Gespräche gesucht, vor allem mit Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner. Leider haben die nicht die gewünschten Resultate gebracht."

Sind Sie selbst gegen Covid-19 geimpft?

"Das ist Privatsache."

Kommen wir zu Ihrem Posting: Sie schreiben, dass die Impfung nicht vor der Weitergabe schützt, jetzt gibt es jedoch Studien, die belegen, dass die Impfung zumindest zu einem gewissen Teil vor einer Weitergabe und einer Infektion schützt, würde dann eine Impfpflicht nicht doch Sinn machen?

"Man muss das, glaube ich, differenzierter sehen. Es geht darum, Risikogruppen zu schützen, das muss immer das oberste Ziel sein. Die Risikogruppen sind zudem klar definiert. Wenn diese sich infizieren, dann ist auch eine Impfung ein adäquater Schutz. Bei anderen Gruppen muss man jedoch überlegen, ob nicht andere Maßnahmen sinnvoller wären als eine Impfung."

Die Covid-Impfstoffe gehören zu den transparentesten Forschungen in der Medizingeschichte. Es gibt unzählige Papers, Studien, Q&A's von diversen Plattformen, wie beispielweise der AGES. Eine große Mehrheit an diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt: Die Impfung ist der beste Schutz. Was soll Ihrer Meinung nach dagegengestellt werden?

"Ich, oder wir, ich spreche auch für unsere Initiative, sind dafür, dass man die Menschen zu Beratungsgesprächen einlädt. Es soll nicht mehr länger mit Pauschalisierungen gearbeitet werden, sondern mit individuellen medizinischen Behandlungen. Letztlich ist nicht jeder über 60 automatisch Teil der Risikogruppe. Es gibt gute Hausmittel, die zu Beginn zum Einsatz kommen können, wenn sich Leute infizieren. Wenn Leute infiziert sind, sollen zudem Ärzte in vertrauensvollen Gesprächen versuchen, ihre Patientinnen und Patienten zu beruhigen und ihnen die Angst zu nehmen, wenn das medizinisch möglich ist. Ansonsten läuft man Gefahr, dass Menschen aufgrund ihrer Angst noch schwere Verläufe haben. Ärzte sollten demnach Infizierten mitteilen, dass es zu einem gewöhnlichen Verlauf dazugehört, auch einmal höheres Fieber zu haben. Wenn sich Menschen gut beraten fühlen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie gut durchkommen."

Im Zusammenhang mit der Impfpflicht sprechen Sie auch davon, dass „das alle Menschen zum regelmäßigen Impfen verpflichtet - obwohl besonders für junge Menschen ohne Vorerkrankungen völlig unklar ist, ob mittel- und langfristig die Risiken nicht höher sind als der Nutzen.“ Die Impfung schützt nachweislich vor Long-Covid, also vor den Spätfolgen, die Wochen bzw. Monate nach einer Infektion mit mildem Verlauf auftreten. Das ist prinzipiell die Definition von mehr Nutzen als Risiko, oder?

"Das Phänomen Long-Covid muss man sich im Detail ansehen, das hängt natürlich auch mit schweren Verläufen zusammen. Es muss jedoch klar angesprochen werden, wie hoch dieses Risiko tatsächlich ist, an Long-Covid zu erkranken. Gerade bei Jugendlichen und Kindern, die äußerst selten schwer erkranken, muss man demnach das Risiko zwischen einer Infektion und einer Impfung mit ihren Nebenwirkungen miteinander abwägen."

Studien belegen jedoch, dass Long-Covid nicht nur bei schweren Verläufen auftritt. So leiden etwa elf Prozent der infizierten Kinder unter Langzeitfolgen der Erkrankung.

"Bei Long-Covid gibt es unterschiedliche Aussagen, aber ich bin da zugegebenermaßen kein Experte, der sich damit tiefer beschäftigt hat. Letztlich geht es mir darum, dass wir nicht länger auf die Krankheit von Menschen, sondern auf ihre Gesundheit schauen sollen und alles daran setzen, dass sie ein besseres Immunsystem aufbauen und länger gesund leben."

Ihrem Posting nach zu urteilen, glauben Sie, dass die Impfung nicht der adäquate Weg aus der Krise ist, was wären denn Ihre Maßnahmen?

"Da gibt es einige Punkte, die darunter fallen: Frühbehandlungen von Infizierten, groß angelegte, offene Beratungsgespräche und ein Paradigmenwechsel der Medizin. Wir müssen weg von einer mechanischen Medizin und wieder hin zu einer menschlichen Medizin mit einem guten Arzt-Patienten-Verhältnis."

Sie haben in Ihrem Posting selbst die Polarisierung der Gesellschaft angesprochen, die zu einer Gefahr für die Demokratie wird. Jetzt ganz offen gefragt: Wer treibt diese Polarisierung mehr voran? Ihre Bundespartei, die eine Impfpflicht einführt, oder FPÖ-Chef Herbert Kickl?

"Zur Polarisierung innerhalb einer Gesellschaft gehören immer mehrere Gruppen und Menschen. Der Spalt, der zwischen Geimpften und Umgeimpften entstanden ist, bietet natürlich auch immer wieder für Populisten die Gelegenheit, sich darauf zu setzen und dafür zu sorgen, dass der Spalt größer wird. Ganz generell muss man jedoch sagen, dass der Ursprung dieser Spaltung bei der 2G-Regel und der Impfpflicht liegt."

Kommen wir zum Abschluss noch einmal zurück zu Ihrem Parteiaustritt und den Folgen. Bleiben Sie dem Grünen Klub als Abgeordneter erhalten, immerhin braucht die Grazer Koalition jede einzelne Stimme?

"Ich möchte mich mit vollem Einsatz und Elan weiterhin auf meine Tätigkeit in Graz konzentrieren, dafür bin ich in die Politik gegangen und dafür lege ich mich weiter ins Zeug. Wir werden dafür mit Sicherheit einen Weg finden in Gesprächen. Mein Hauptanliegen bleibt, dass ich mich für eine nachhaltige Klimapolitik einsetze."