Ukraine

"Ausradieren" – so ernst ist Putins Atomdrohung

Täglich werden in Russland neue Atomangriffspläne auf Europa öffentlich diskutiert. Wie ernst das genommen werden muss, sagt ein Militärexperte.

Rene Findenig
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Spielt gerne die Atomwaffenkarte aus: Russlands Präsident Wladimir Putin.
Spielt gerne die Atomwaffenkarte aus: Russlands Präsident Wladimir Putin.
NATALIA KOLESNIKOVA / AFP / picturedesk.com

Russland können europäische Städte per neuer und angeblich unaufhaltbarer Atomrakete innerhalb von Sekunden auslöschen oder per U-Boot-Drohne und Nuklearzündung unter Wasser einen Atom-Tsunami über Europa hereinbrechen lassen. Was klingt, als käme es in einem Hollywood-Streifen vor, wird von Politikern und Militärs in Russland derzeit täglich und öffentlich in Fernsehsendungen diskutiert. Droht der Krieg mit der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine endgültig zu eskalieren und könnte der russische Präsident Wladimir Putin wirklich einen Atomkrieg starten? 

"Wir sollten das schon ernst nehmen, aber auch nicht übertreiben", so der Militärstratege Generalmajor Günther Hofbauer vom Bundesheer am späten Montagabend in der ORF-"ZiB 2" bei Moderator Armin Wolf. Die Atomdrohung sei einerseits eine "Nachricht an den Westen", andererseits eine Botschaft an das russische Volk. Putin habe recht früh mit der Nukleardrohung nach Start des Krieges begonnen, so der Militärstratege, und "natürlich" sei es eine Option, dass solche Waffen ins Spiel gebracht würden. Primär aber wolle man den Westen warnen, nicht in den Ukraine-Krieg einzugreifen.

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    Am Sonntag erreichten Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk in Mariupol auf einer ausgehandelten Fluchtroute die Ostukraine.
    Am Sonntag erreichten Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk in Mariupol auf einer ausgehandelten Fluchtroute die Ostukraine.
    Sipa Press / Action Press/Sipa / picturedesk.com

    Was Russland dem eigenen Volk verschweigt

    Der Westen solle wissen, dass die Karte mit der Atomwaffen-Drohung bereits auf dem Tisch liege und man bereit sei, sie auch auszuspielen, so Hofbauer. Aber es sei auch eine Nachricht an die eigene Bevölkerung – nämlich, dass man die Feinde Russlands und europäische Städte "ausradieren" könne. Nicht erwähne man dabei, dass viele Staaten ebenfalls über Atomwaffen verfügen würden und es zu Gegenschlägen auf Russland kommen würde, so Hofbauer. 

    Im Ukraine-Krieg selbst ortete der Generalmajor, dass die russische Offensive im Osten aktuell "schön langsam zu rollen" beginne, man aber "bei weitem" nicht das sehe, was man im Vorfeld erwartet hätte. Russland scheine mit schwindenden Infanterie-Kapazitäten zu kämpfen und deshalb verstärkt auf Artillerie zu setzen, müsse aber Dorf um Dorf erkämpfen und könne nicht breite Landgewinne verbuchen. Dabei versuche Russland offenbar, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden und sich nicht vom Nachschub abschneiden zu lassen, so Hofbauer.

    Erhebliche Verluste aufseiten der Russen

    Man sehe außerdem "erhebliche Verluste" aufseiten der russischen Streitkräfte, über die genaue Zahl könne man jedoch nur spekulieren. Jedenfalls sei es für Russland aktuell sicherer, sich auf Angriffe aus der Luft und Artillerie-Beschuss zu fokussieren, als es wieder mit jeder Menge Soldaten beim Bodengewinn zu versuchen, so der Experte. Die Gefahr, dass ukrainische Kräfte im Osten eingekesselt werden könnten, würde laut Hofbauer nach wie vor bestehen, dazu müsste Russland nur ein Durchbruch gelingen. 

    Es wäre für den Kreml "sehr gefährlich" zu sagen, bis zum 9. Mai seien Ziele erreicht, die man dann nicht erreichen könne, wischte Hofbauer zudem Spekulationen über einen schnellen Russland-Sieg bis zu diesem Tag vom Tisch. Innerhalb Russlands werde es aber sicher eine große Siegesparade geben, so der Experte. Und in Sachen Atomdrohung gab Hofbauer zu bedenken: Die russische Seite habe "jede Möglichkeit, noch etwas draufzulegen" bei der Eskalation des Krieges, etwa mit der Einberufung neuer Soldaten.