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Dem/Den – so reagiert der Körper auf falsche Grammatik

Eine neue Studie der Universität Birmingham hat zum ersten Mal gezeigt, wie gestresst unser Körper reagiert, wenn er falsch verwendete Grammatik hört.

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Dem/Den – so reagiert der Körper auf falsche Grammatik
Für viele ist schlechte Grammatik ein Ärgernis. Jetzt haben Experten herausgefunden, dass sie tatsächlich eine körperliche Reaktion hervorruft.
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Es gibt solche Menschen, die andere während des Gespräches ausbessern. Zum Beispiel, weil sie eine falsche Grammatik verwenden. Häufiger Fauxpas: Die Verwendung der Artikel "dem" und "den". Was man unter "besserwisserisch" einsortieren könnte, hat laut einer neuen Studie tatsächlich eine medizinische Grundlage. Neue Forschungsergebnisse der Universität Birmingham (England) zeigen, dass schlechte Grammatik bei Menschen Stress auslöst – und sogar eine "Kampf- oder Flucht"-Reaktion auslöst. Demnach löst das Fehlen einer korrekten Sprache oder Schreibweise mehrere Reaktionen im vegetativen Nervensystem aus – einem Netzwerk, das die unbewussten Prozesse des Körpers steuert und aus zwei Teilen besteht: dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem. In ihrer Studie entdeckten die Professoren Dagmar Divjak und Petar Milin einen direkten Zusammenhang zwischen schlechten Grammatikkenntnissen und der Herzfrequenzvariabilität (HRV) der Probanden. 

Sympathikus und Parasympathikus sind Teil des vegetativen Nervensystems. Der Sympathikus reguliert die Körperfunktionen in Stresssituationen und ist für Erregung und Aktivität zuständig. Er sorgt dafür, dass das Herz schneller und kräftiger schlägt, sich die Atemwege erweitern, um besser Atmen zu können und die Darmtätigkeit gehemmt wird. Kurz gesagt: Der Sympathikus macht den Körper bereit zu kämpfen oder zu flüchten. Das parasympathische System reguliert die Körperfunktionen in Phasen der Ruhe und Erholung und ist zuständig für die Regeneration.

Veränderung des Herzschlages

Die Forscher der Universität Birmingham rekrutierten 41 britische englischsprachige Erwachsene, die sich 40 englische Sprachproben anhörten, von denen die Hälfte grammatikalische Fehler enthielt. Sie zeichneten die Herzfrequenzvariabilität der Teilnehmer auf, während sie den Ausschnitten zuhörten. Die Herzfrequenzvariabilität erfasst die Zeit zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Diese Intervalle sind in einem entspannten Zustand eher variabel, werden aber regelmäßiger, wenn eine Person gestresst ist. Außerdem ist sie ein Indikator für die Fähigkeit, die Herzfrequenz den körperlichen und mentalen Anforderungen anzupassen.

Die Analyse zeigte: Je mehr Fehler eine Person hörte, desto regelmäßiger wurde ihr Herzschlag – ein Zeichen für Stress. Den Forschern zufolge scheinen grammatikalische Fehler im menschlichen Körper eine "Kampf- oder Flucht"-Reaktion auszulösen. Professorin Dagmar Divjak, die Leiterin der Studie, sagte: "Das Wissen über die Erstsprache ist weitgehend implizit, d. h. man musste sich nicht hinsetzen und sie lernen wie wir eine Fremdsprache lernen. Und der Gebrauch der Erstsprache erfordert, wenn überhaupt, nur wenige Gedanken. Das bedeutet auch, dass es Ihnen schwer fallen wird, genau zu bestimmen, was an einem Satz richtig oder falsch ist, und, was noch schlimmer ist, zu erklären, warum das so ist, vor allem, wenn Sie keine formale Sprachausbildung hatten."

Körperliche Reaktion auf mentalen Reiz

"Das Modell bestätigte, dass es eine Herz-Kreislauf-Reaktion auf grammatikalische Verstöße gibt. Wir registrierten eine statistisch signifikante Reduktion der Herzfrequenzvariabilität (...) als Reaktion auf Stimuli, die Fehler enthalten. Die Beobachtung, dass sprachliches Wissen anhand von Herz-Kreislauf-Messungen erkannt werden kann, rückt eine neue Dimension der komplizierten Beziehung zwischen Körper und Geist ins Blickfeld und eröffnet neue Wege zur Erforschung dieser Verbindung."

Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt brachten Forscher an der Universität von Illinois Grammatikliebhaber mit einer Form von Zwangsstörung in Verbindung, dem so genannten Grammatikalischen Pedanterie-Syndrom. Die Hirnaktivität der Verbalfanatiker zeigte Ähnlichkeiten mit zwanghaftem Verhalten. "Die Ergebnisse dieser Studie rücken eine neue Dimension der komplexen Beziehung zwischen Körper und Geist ins Blickfeld", so Divjak. "Die Beziehung zwischen Sprachkognition und dem autonomen Nervensystem hat bisher weniger Beachtung gefunden."

red
Akt.
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