Vor dem EU-Gipfel, der am Donnerstag und Freitag in Brüssel stattfinden wird, ist das Staatenbündnis offenbar zu einem Zugeständnis gegenüber Ungarn und dessen Präsident Viktor Orban bereit. Ähnlich wie vor einem Jahr stemmt sich dieser derzeit gegen ein Hilfspaket von 50 Milliarden Euro, dass die Ukraine in den nächsten drei Jahren unterstützen soll.
Auch gegen einen EU-Beitritt des kriegsgebeutelten Landes wehrt sich Viktor Orban, von Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einmal mit "Hallo, Herr Diktator" begrüßt, bisher vehement und argumentiert, dass das Land nicht für einen Beitritt bereit sei. Der ungarische Ministerpräsident hat deshalb angekündigt, am EU-Gipfel sowohl gegen die Beitrittsverhandlungen als auch das Hilfspaket zu stimmen.
Nun hat die EU aber offenbar beschlossen, einen Teil der blockierten Fördermittel für Ungarn freizugeben – und könnte damit womöglich auch Orban umstimmen. Wie die NZZ mit Berufung auf Insider berichten, will die Europäische Union in Kürze zehn Milliarden Euro an eingefrorenen Fördermitteln für Ungarn freigeben.
Insgesamt hält das Staatenbündnis 22 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt zurück, seit die Kommission vor einem Jahr zum Schluss kam, dass Orban und dessen Regierung mit der umstrittenen Justizreform, der Asylpolitik und Gesetzen gegen sexuelle Minderheiten gegen EU-Recht verstößt.
Zumindest in der Justiz sieht die EU aber nun "wichtige Reformen, die zur Stärkung der unabhängigen Justiz in Ungarn beitragen" – so heißt es offiziell. Nichtregierungsorganisationen wie das Helsinki-Komitee beobachten aber lediglich "kosmetische Reformen", laut Insidern in Brüssel soll die Freigabe vor allem auf Drängen von Emmanuel Macron und Olaf Scholz erfolgt sein, in der Hoffnung, dass sich Viktor Orban am Gipfel dann kooperativ zeigt.
"Wenn Fortschritte erreicht wurden, muss man diese auch würdigen", hieß es seitens der deutschen Bundesregierung. Die Kommission könne als "Schiedsrichterin" alleine über die Mittel für Ungarn entscheiden und sie genieße das "vollste Vertrauen" der Bundesregierung.
Am Mittwoch will Scholz im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben, bevor er zu einem EU-Westbalkan-Gipfel nach Brüssel reist. Am Donnerstag und Freitag kommen die europäischen Staats- und Regierungschefs in Belgiens Hauptstadt dann zu ihrem regulären Dezember-Gipfel zusammen.
Am Gipfel wird unter anderem Thema sein, ob mit der Ukraine und Moldau EU-Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollten. Zudem soll über Pläne für eine Überarbeitung des EU-Haushaltsplans für die Jahre 2021 bis 2027 gesprochen werden.