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Brandrisiko! So gefährlich sind Gangbetten

Heute Redaktion
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Erst vergangene Woche gab es Aufregung um Gangbetten im SMZ Ost.
Erst vergangene Woche gab es Aufregung um Gangbetten im SMZ Ost.
Bild: privat

Schlechtes Bettenmanagement führe zu oft dazu, dass Gangbetten eingerichtet werden - was wiederum ein Sicherheitsrisiko sie, so der Stadtrechnungshof.

Gleich mehrere der aktuellen Berichte des Stadtrechnungshofes beschäftigen sich mit dem Thema Gangbetten. In einem Bericht schaute sich das Kontrollorgan das Belagsmanagement in den KAV-Spitälern seit 2006 an – und zwar hauptsächlich in Bezug auf "belegte Betten, die nicht in einem Zimmer, sondern in Gängen, Aufenthaltsräumen oder Nischen aufgestellt waren".

Vor allem in Zeiten von Grippewellen oder im Bereich der Unfallchirurgie kam es zu "einer gehäuften Aufstellung von Patientenbetten am Gang", so der Stadtrechnungshof. Der Bericht zeigt: Im Jahr 2006 lag die Anzahl der systematisierten Betten bei 9.068, 2016 waren es nur mehr 8.217 – die Kapazität sank um 9,4 Prozent.

Bei den gesperrten Betten waren es 2006 970, 2016 dagegen 1.183 Stück. Das heißt: Die Zahl stieg um 22 Prozent. Notbetten wurden 2006 laut Krankenanstaltenverbund (KAV) 130 Stück aufgestellt, 2016 waren es 73. Eine genaue Anzahl der Gangbetten wurde dem Stadt-RH für diesen Zeitraum nicht übermittelt.

Erst durch das "Gangbetten-Tool" gibt es Zahlen. Im April 2017 gab es laut Stadtrechnungshof-Bericht 300 Gangbetten in KAV-Spitälern – davon 210 für die Dauer von 12 bis 24 Stunden und 90 in der Zeitspanne von mehr als 24 Stunden. Im Mai 2017 gab es 200 Gangbetten, im Juni insgesamt 216 Gangbetten. In diesem Zeitraum waren rund drei Viertel der Gangbetten im Donauspital und im Wilhelminenspital aufgestellt. Die Abteilungen für Unfallchirurgie, Neurologie und Innere Medizin waren am meisten betroffen.

In Gemeindespitälern: Anstieg der gesperrten Betten um 40,6 %, im AKH: Rückgang der gesperrten Betten um 22,3 %

Bei einer genaueren Betrachtung zeige sich, dass "im Betrachtungszeitraum die Anzahl der systematisierten Betten kontinuierlich rückläufig war und in den Wiener Städtischen Krankenhäusern von 6.873 auf 6.284 und im Allgemeinen Krankenhaus von 2.195 auf 1.933 sank. In den Wiener Städtischen Krankenhäusern stieg die Anzahl der gesperrten Betten

um 40,6 % an, wohingegen sie sich im Allgemeinen Krankenhaus um 22,3 % verringerte", so der Stadt-RH.

Soll heißen: Die Anzahl der Betten, die in Zimmern frei gewesen wären, aber nicht belegt wurden, stieg um 40,6 % an. Die Folge: "Insgesamt führte dies zu einem deutlichen Rückgang der belegbaren Betten", so der Stadt-Rechnungshof.

Kritik: "Keine adäquate Unterbringung"

Die Kritik: "Nach Ansicht des Stadtrechnungshofes Wien stellen Gangbetten keine adäquate Form der Unterbringung von Anstaltsbedürftigen dar und können darüber hinaus Verletzungen

gesetzlicher Verpflichtungen darstellen, weshalb derartige Betten künftig jedenfalls vermieden werden sollten."

Das Prüforgan empfiehlt, das "elektronische Gangbetten-Tool" flächendeckend in den KAV-Spitälern einzusetzen – um Kontrolle über die Gangbetten und deren Anzahl zu erlangen. Außerdem empfiehlt der Stadt-RH ein "effizientes Belagsmanagement" auch an Wochenenden und Feiertagen. Und: "Bei akuten Überbelagssituationen sollten jedenfalls auch jene Patienten,

die bereits in einem Zimmer aufgenommen sind, für interdisziplinäre Verlegungen in Erwägung gezogen werden", so der Stadt-RH. Soll heißen: Der Stadt-RH empfiehlt die Verlegung von Patienten auf andere Stationen, wenn dort mehr Betten frei sind.

KAV: "Interdisziplinäre Verlegung nur in Einzelfällen"

Das "Gangbetten-Tool werde bereits "in allen Häusern eingesetzt", so der KAV in seiner Stellungnahme. Für Wochenenden und Feiertage sei bereits eine "Regelung in Ausarbeitung, die im ersten Quartal 2018 in Kraft treten soll", so der KAV. Für Werktage gebe es bereits eine "strukturierte Arbeitsanleitung", die die "Taskforce Gangbetten" erarbeitet habe. Eine "interdisziplinäre (fachübergreifende) Verlegung von bereits in Behandlung stehenden stationären Patienten kann nur nach Maßgabe der medizinischen Notwendigkeiten erfolgen und sollte nur in Einzelfällen herangezogen werden, um temporäre Überbelagsbetten am Gang zu vermeiden", so der KAV.

Stadt-RH: Gangbetten "brandschutztechnisch kritisch"

In einem zweiten Bericht kritisiert der Stadtrechnungshof, dass das Aufstellen von Gangbetten "brandschutztechnisch kritisch zu sehen" sei. Außerdem kritisierte das Prüforgan die "vielfache Nutzung der Gangbereiche als Lagerfläche für Gegenstände aller Art". "In korridorartigen Stationsgängen entstand durch die Aufstellung von Betten eine zum Teil erhebliche Beeinträchtigung des Verkehrsflusses", so der Stadt-RH.

Der Stadtrechnungshof empfahl "grundsätzlich, Betten aus Gangbereichen zu entfernen, wenn dies den gesetzlichen Vorgaben widerspricht". Außerdem empfiehlt der Stadt-RH häufigere "Schulungen durch den Brandschutzbeauftragten" und eine Entfernung von Lagerungen am Gang.

Laut KAV werden die Empfehlungen umgesetzt.

Kritik der Opposition: "Fehlplanungen"

Die Rathaus-Opposition übt scharfe Kritik. "Diese Prüfung offenbart ein Totalversagen des KAV-Managements im Bereich Gangbetten", so Neos-Wien-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Und: "Dass Patientinnen und Patienten in Gangbetten liegen müssen, ist ein Symptom für die Fehlplanungen der Stadtregierung im Wiener Gesundheitssystem, das hat jetzt auch der Stadtrechnungshof bestätigt."

Und: "Wie kann es sein, dass man zwischen 2006 und 2016 nicht einmal wusste wie viele Gangbetten in den KAV-Krankenhäusern standen?"

ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec ortet ebenfalls "massive Fehlplanungen". Und: "Es kann nicht sein, dass Patientinnen und Patienten weiterhin unter diesen menschenunwürdigen Zuständen in den Spitälern untergebracht werden." FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl sagt: "Die aktuelle Grippewelle mit tausenden zusätzlichen Kranken, von der der KAV alljährlich überrascht wird, wird vermutlich erneut eine noch höhere Zahl dieser unwürdigen Form der Krankenversorgung in Wiens Spitälern zur Folge haben." Außerdem sieht die FPÖ ein Sicherheitsproblem: "Vorschriften im Bereich Brandschutz sowie gesetzlich festgelegte Fluchtwege werden in der Praxis schlichtweg ignoriert", so Seidl.

Frauenberger: "Jedes Gangbett ist eines zuviel"

"Jedes Gangbett ist eines zu viel, daher werden wir unsere Anstrengungen, Gangbetten zu vermeiden, weiter fortsetzen", reagierte Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) auf den Bericht. Seit 2006 sei eine "Vielfalt an Maßnahmen" gesetzt worden. Es gebe mittlerweile "einheitliche Vorgangsweisen und ein aussagekräftiges Monitoring" bei den Gangbetten.

In Ausnahmesituationen könne es zu Gangbetten kommen, betonte der der medizinische Direktor der KAV Michael Binder: "Zu bestimmten Zeiten lassen sich Gangbetten leider nicht vermeiden. Das ist auf der ganzen Welt so. Der KAV nimmt das Thema Gangbetten nicht auf die leichte Schulter, ein Bündel an Maßnahmen trägt dazu bei, diese für Patientinnen und Personal die Situation möglichst kurz zu halten."

Dass Betten tageweise gesperrt werden – wie der Stadtrechnungshof kritisierte – "könne vorkommen", so der KAV. Gründe seien u.a. Umbauarbeiten, Reinigungen oder Patienten mit anstrengenden Krankheiten, die allen in einem Zimmer liegen müssen.

Der KAV setzte noch weitere Schritte zur Vermeidung von Gangbetten – etwa kürzere Verweildauern im Krankenhaus und zusätzliches Monitoring bei Überbelegung. "Das Thema Sicherheit – etwa Brandschutzbestimmungen und vorgeschriebene Fluchtwegbreiten – ist für den KAV dabei ein zweiter ganz wesentlicher Aspekt", so Binder.

(gem)