Österreich

Bringt dieses Foto Mord-Verdächtigem die Freiheit?

Heute Redaktion
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Im November urteilten acht Geschworene: Shkelzen D. ist nicht der Killer vom Café Blanco. Heute steht er in Wien erneut unter Mordverdacht vor Gericht.

Ist Shkelzen D. (28) ein Mörder oder „nur" Hauptdarsteller in einem mörderisch verworrenen Krimi? Letztes Jahr soll er einen Nebenbuhler mit einer Zastava erschossen haben. Nur Minuten nach der Tat stellte er sich der Polizei und sagte: „Ich habe die Scheiße da gerade gemacht auf der Jägerstraße. Ich wollte das nicht."

Anwälte zerpflückten Anklage

Nach diesem Blitz-Geständnis sind die Ermittlungen offenbar eingeschlafen. Die Anklage – die ein klares Motiv nicht einmal entfernt erahnen ließ –, war so fragil, dass alle (!) Geschworenen den Verdächtigen im November freisprachen. Dennoch setzte der Richtersenat das Urteil aus. Heute steht Shkelzen D. daher in Wien erneut vor Gericht. Seine Anwälte Werner Tomanek und Philipp Wolm haben den Akt in der Zwischenzeit zerpflückt und sind auf einige Kuriositäten gestoßen.

Die Widersprüche im Detail

◙ Der renommierte Ballistikgutachter Ingo Wieser schließt Shelzen D. als Schützen aus.

◙ An den Händen des Verdächtigen wurden keine Schmauchspuren gefunden. Der Einwand, er hätte sich reinigen können, geht ins Leere: Er wurde sofort nach der Bluttat von einem Bekannten mit dem Auto zur Polizei gebracht. Am Wachzimmer Pappenheimgasse gab es keine Waschmöglichkeit in der Arrestzelle. Zudem sind Schmauchspuren auch mit Wasser kaum zu entfern.

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◙ Drei Fotos vom Tatort zeigen das Opfer und den mutmaßlichen Schützen. „Ich habe sie per WhatsApp der Frau B. geschickt", so ein Zeuge. Dennoch nahm die Mordfahnderin sie nicht in den Akt auf. „Das finde ich sehr fragwürdig", donnert Anwalt Werner Tomanek. Heute vor Gericht legen die beiden Verteidiger das angesprochene Bild (oben) Senat wie Geschworenen vor und stellen den Antrag, es von einem Sachverständigen untersuchen zu lassen. „Größe und Statur entsprechen nicht unserem Zwei-Meter-Mandanten. Das wird ein Experte anhand der Proportionen erkennen."

"Wir, die trauernde Familie und Freunde von Igor, bitten Sie um Ihre Hilfe. Jeder Hinweis zur Tat kann hilfreich sein" – dieses Plakat sorgt seit knapp zwei Wochen in der Wiener Brigittenau für Aufsehen. Der traurige Hintergrund: Fast genau ein Jahr nach dem Mord auf offener Straße nehmen die Hinterbliebenen von Igor Z. die Ermittlungen offenbar selbst in die Hand. Sie glauben wohl auch nicht, dass mit Shkelzen D. der Richtige angeklagt ist.

Selbst jeder mittelmäßig aufmerksame „Tatort"-Fan hätte sich angesichts dieser Faktenlage wohl gedacht: Deckt Shkelzen D. jemanden? Warum fragte sich die Polizei das nicht? (coi)