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"Belügen wir uns mit der offenen Beziehung?"

Eva führt mit ihrem Freund seit einem Jahr eine offene Beziehung. Seither wird sie von allen Seiten vor diesem Experiment gewarnt. Ist sie zu naiv?

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Eva (22) an Doktor Sex:Ich bin seit vier Jahren mit meinem Freund zusammen. Seit einem Jahr führen wir eine offene Beziehung. Wir machen zwar von unseren Freiheiten beide kaum Gebrauch, finden aber, dass es zwischen uns so gut läuft wie nie zuvor, seit wir uns für diese Beziehungsform entschieden haben. Wir sprechen über alles und wir zeigen uns auch viel häufiger, dass wir wirklich zusammen sein wollen.

Nun sieht mein Umfeld das alles aber ziemlich anders. Dauernd werde ich gewarnt. Manche sagen, ich sei zu naiv oder hätte etwas Besseres verdient. Andere finden, das sei gar keine richtige Liebe usw. Was mich verunsichert, ist, dass alle so reden, als wüssten sie genau, was eine Beziehung ist oder wie sie sein soll und was Liebe ist. Ich finde toll, was ich mit meinem Freund zusammen habe, jedoch ist es mir nicht möglich, Beziehung und Liebe so eindeutig zu definieren wie die Menschen in meinem Umfeld dies tun. Wenn ich sage, ich liebe meinen Freund, dann fühlt sich das für mich sehr richtig an. Mache ich mir etwas vor? Bin ich zu naiv und habe nur noch nicht kapiert, dass das, was ich denke, was eine Liebesbeziehung ist, in Wirklichkeit gar nichts damit zu tun hat? Wie kann es sein, dass in meinem Umfeld alle so anders darüber denken?



Antwort von Doktor Sex

Liebe Eva

Vielen Menschen ist das Beziehungsglück des Gegenübers suspekt. Weil sie dadurch auf das eigene Unglück und die Möglichkeit zurückgeworfen werden, etwas falsch zu machen und so für ihre Misere selber verantwortlich zu sein. Ist das Glück – wie bei dir – auch noch auf eine Art zustande gekommen, die aus ihrer Sicht moralisch zweifelhaft ist, kommt schnell der Reflex, die glückliche Person darauf aufmerksam machen zu wollen, dass sie einem Irrtum unterliegt. Die Argumentation solcher Menschen beruht aber nicht auf einer objektiven Sicht der Tatsachen, sondern auf einem Verdrängungsmechanismus. Sie funktionieren nach dem Prinzip, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

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Keiner dieser selbsternannten Moralapostel kann letztlich sagen, welche Beziehungsform für euch die passende oder was "richtige" Liebe ist. Lass dich also nicht verunsichern von diesem angstgeleiteten, nur dem eigenen subjektiven Sicherheitsempfinden verpflichteten und daher egoistischen Gehabe deiner Mitmenschen. Bleib ruhig und mit Freude einfach bei dem, was du mit deinem Freund zusammen aufgebaut hast und was ihr beide als stimmig erachtet – auch wenn dies bedeutet, dass ihr euch immer wieder gegen unerwünschte Ratschläge und subtile Manipulationsversuche abgrenzen müsst.

Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich auch eure Beziehung dieser nicht entziehen kann. Wenn du aber weiterhin deinen Wahrnehmungen und Gefühlen gegenüber aufmerksam bleibst und dich traust, selber zu denken, statt blind den von anderen vorgefertigten Lebensrezepten oder der Angst zu folgen, wird kein Veränderungsprozess dich aus der Bahn zu werfen vermögen. (wer)