Szene

"Birdman" mit Chancen auf Start-Ziel-Sieg

Heute Redaktion
Teilen

Filmfest Venedig: Die großen Stars wie Al Pacino, Emma Stone oder Viggo Mortensen haben den Lido wieder verlassen. Jetzt dümpelt das Festival eher unspektakulär der Verleihung des Goldenen Löwen am Samstag entgegen.

Filmfest Venedig: Die großen Stars wie oder Viggo Mortensen haben den Lido wieder verlassen. Jetzt dümpelt das Festival eher unspektakulär der Verleihung des Goldenen Löwen am Samstag entgegen.

Italien, Israel, Schweden, Türkei, Frankreich und China: Das sind die Herkunftsländer der aktuellen Wettbewerbsfilme beim 71. Filmfestival von Venedig. Es sind sehr sehenswerte Produktionen dabei, keine Frage. Doch der Glanz der großen Namen fehlt in diesen Tagen.

Wie jedes Jahr spürt man am Lido die Konkurrenz des Festivals von Toronto, das am 4. September beginnt. Am Startwochenende war es noch leicht, die Stars nach Venedig zu locken. Doch jetzt richtet sich die Aufmerksamkeit Hollywoods auf das immer stärker wachsende Filmfest in der kanadischen Millionen-Metropole.

"Birdman" für viele bisher bester Film

Blickpunkt Venedig: Im Kampf um den Goldenen Löwen könnte es heuer einen Start-Ziel-Sieg geben. Die Ruhm & Kunst-Groteske mit  Michael Keaton  und Emma Stone, die den Wettbewerb eröffnete, ist nach Meinung vieler Beobachter bisher der beste Film im Starterfeld, das 20 Produktionen umfasst.

Natürlich sind in Venedig weit mehr als 20 Filme zu sehen. Doch zahlreiche bemerkenswerte Werke – darunter die etwas nervige Alters-Elegie "The Humbling" mit Al Pacino sowie die Österreich-Beiträge "Im Keller" von Ulrich Seidl und "Ich seh Ich seh" von Veronika Franz & Severin Fiala – treten außerhalb des Wettbewerbs an.

Wirtschafts-Thriller hat auch gute Karten

Chancen auf den Goldenen Löwen hat aber zum Beispiel US-Regisseur Ramin Bahrani, der mit dem Wirtschafts-Thriller "99 Homes" (Hauptrolle: "Spider-Man"-Star ) eine wütende Attacke gegen die Profiteure der US-Immobilienkrise ritt. Viggo Mortensen wiederum, der durch "Herr der Ringe" in die erste Riege Hollywoods aufstieg, überzeugte in einer französischen Produktion. In "Loin des hommes" spielt er einen Lehrer während des Algerien-Kriegs 1954, der einen arabischen Gefangenen (Reda Kateb) vor dem sicheren Tod bewahrt.

Der Amerikaner Mortensen beeindruckt nicht nur mit nachdenklichem Charme und energischem Spiel. Er spricht seinen Part in akzentfreiem Französisch und hat für die Rolle obendrein noch Arabisch gelernt. "'Loin des hommes' ist einer der subversivsten Filme meiner Laufbahn", sagte Mortensen in Venedig. "Denn hier geht es darum, dass verfeindete Seiten miteinander reden und sich in der Mitte treffen. Das ist in unserer Zeit selten geworden.“

Fatih Akin rührt Türkei-Tabu-Thema an

In die Welt des Islam führt auch das Historien-Drama  "The Cut"  von Fatih Akin. Der Hamburger Star-Regisseur, Deutscher mit türkischen Wurzeln, wurde für sein Werk in der Türkei heftig geschmäht. Denn er rührt ein türkisches Tabu-Thema an, den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs.

Wenn in "The Cut" gezeigt wird, wie Gefangenen der Hals durchgeschnitten wird, oder wenn die Stadt Aleppo auftaucht, fühlt man sich an den Syrien-Krieg und den IS-Terror erinnert. Doch Akin lässt aus seinem harten Drama eine Vater-Tochter-Geschichte entstehen, die humanistisches Gedankengut preist. Der Regisseur: "Der Held meines Films verliert seinen Glauben, doch nie die Hoffnung. Und wo es Hoffnung gibt, dort gibt es auch Spiritualität. Das ist es, was ich sagen will: Verabschiedet euch von der Religion und findet zum wahren Ding, zur Spiritualität!"

Spannung am Wochenende

Zum Wochenende hin wird der Wettbewerb von Venedig, was die Namen betrifft, noch einmal Fahrt aufnehmen. Als letzte Kandidaten für den Goldenen Löwen gehen am Donnerstag und Freitag die Regisseure Abel Ferrara (Willem Dafoe spielt die Titelrolle im Künstlerdrama "Pasolini") und Andrew Niccol ( spielt in "Good Kill" einen Piloten von todbringenden Drohnen) an den Start.

Gunther Baumann, Venedig

.