Politik

"Brillen"-Berater Fischer bittet um Gnade für Politik

Heute Redaktion
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Zum zehnten Mal wandte sich unser Bundespräsident Heinz Fischer bei der Neujahrsansprache im ORF an sein Volk. Er bat um einen Vertrauensvorschuss für die neue Regierung: "Ich weiß, dass es derzeit in den Medien und auch in der Bevölkerung ziemlich viel politisches Unbehagen gibt", sagte das Staatsoberhaupt. Er bitte aber darum, sich auch in der Politik um ein "ausgewogenes Urteil" zu bemühen und die "Vorurteilsbrille", "Pessimismusbrille", "Parteibrille" und "Egoismusbrille" abzulegen.

Zum zehnten Mal wandte sich unser Bundespräsident Heinz Fischer bei der Neujahrsansprache im ORF an sein Volk. Er bat um einen Vertrauensvorschuss für die neue Regierung: "Ich weiß, dass es derzeit in den Medien und auch in der Bevölkerung ziemlich viel politisches Unbehagen gibt", sagte das Staatsoberhaupt. Er bitte aber darum, sich auch in der Politik um ein "ausgewogenes Urteil" zu bemühen und die "Vorurteilsbrille", "Pessimismusbrille", "Parteibrille" und "Egoismusbrille" abzulegen.

Fischer bittet, die Regierung nicht schlechter zu behandeln als die österreichischen Sportler: "Dennoch bin ich überzeugt, dass es fair und sinnvoll wäre, so ähnlich vorzugehen wie im Sport, wo einer österreichischen Nationalmannschaft am Beginn eines internationalen Turniers oder am Beginn einer neuen Saison ja auch ein Vertrauensvorschuss gegeben und ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt wird."

Kritik, so Fischer sei zwar sinnvoll und wichtig, aber nur mit  "Augenmaß" bei der Beurteilung von Stärken und Schwächen. Denn: "Zuviel Salz kann auch die besten Speisen verderben." Auch warb Fischer für Vertrauen "in die vielfach bewiesene Leistungsfähigkeit unseres Landes und Zuversicht für die Zukunft". Fischer betonte, dass Österreich ein Land mit hoher Lebensqualität sei - dies könne "niemand bestreiten".

Fischer als "Brillen-Berater"

Weiters bat der Bundespräsident darum, "Brillen" abzulegen - nämlich jene, "die unseren Blick trüben und verzerren" könnten. Fischer sprach von der "Vorurteilsbrille", der "Pessimismusbrille", der "Parteibrille" und der "Egoismusbrille". Allerdings sollen sich nicht nur die Bürger am Riemen reißen, auch die Politiker sollesn sich um ein ausgewogenes Urteil bemühen: "Nenne wir das, was schlecht ist, beim Namen, aber auch das, was gut ist."

Gleich drei Jubiläen 2014

Auch an die vielen Jubiläen 2014 erinnerte der Bundespräsident: Etwa den Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren, den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren oder den Fall des Eisernen Vorhanges vor 25 Jahren. All dieses Ereignisse würden "Gelegenheit geben, uns mit der Geschichte, und mit dem, was wir aus ihr lernen können, zu beschäftigen", so der Präsident, der den Bürgern für 2014 "alles erdenklich Gute" wünschte.

Die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten in voller Länger - bitte umblättern

Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Es ist heute das 10. Mal, dass ich Sie am ersten Abend eines neuen Jahres von dieser Stelle aus begrüßen und Ihnen für das junge neue Jahr alles erdenklich Gute wünschen darf.

Dieses Jahr 2014 ist ein Jahr, das uns mehrfach an unsere Geschichte erinnern wird: 100 Jahre seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges

und 25 Jahre seit dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Berliner Mauer werden Gelegenheit geben, uns mit der Geschichte und dem, was wir aus ihr lernen können, zu beschäftigen.

Der Beginn des Jahres 2014 ist aber auch der Beginn einer neuen Gesetzgebungs- und Regierungsperiode in Österreich und damit ein wichtiger Schritt in die Zukunft.

Vor rund drei Monaten ist der Nationalrat neu gewählt worden. Die Zeiten, wo eine Partei mit Mehrheit allein regieren konnte, sind längst vorbei, und die Wählerinnen und Wähler haben Mandatare aus sechs wahlwerbenden Parteien ins Parlament entsandt. Dabei sind die Stimmen so verteilt, dass nur eine Partnerschaft der beiden stimmenstärksten Parteien über eine stabile Mehrheit im Parlament verfügt. Darauf war bei der Regierungsbildung Bedacht zu nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Vor drei Wochen hat mir der mit der Regierungsbildung betraute Herr Bundeskanzler in Übereinstimmung mit dem Herrn Vizekanzler mitgeteilt, dass die Regierungsverhandlungen zwischen den beiden stärksten Parteien erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Auf dieser Basis ist eine neue Bundesregierung ernannt worden und hat vor wenigen Tagen ihre Arbeit aufgenommen.

Ich weiß, dass es derzeit in den Medien und auch in der Bevölkerung ziemlich viel politisches Unbehagen gibt.

Das hat sich auch auf den Prozess der Regierungsverhandlungen und auf das Ergebnis der Regierungsbildung erstreckt.

Dennoch bin ich überzeugt, dass es fair und sinnvoll wäre, so ähnlich vorzugehen wie im Sport, wo einer österreichischen Nationalmannschaft am Beginn eines internationalen Turniers oder am Beginn einer neuen Saison ja auch ein Vertrauensvorschuss gegeben und ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt wird.

Ein solches Gemeinschaftsgefühl ist etwas sehr wichtiges. Ich weiß natürlich, dass Kritik als Salz der Demokratie bezeichnet wird und dass es absolut notwendig ist, Kritik an Missständen, an zu wenig Schwung bei Reformen - z.B. in der Bildungspolitik - an zu viel Bürokratie oder an zu wenig sozialer Symmetrie in unserer Gesellschaft zu üben.

Eine Demokratie ohne Möglichkeit zur Kritik wäre keine Demokratie. Auf der anderen Seite benötigen wir aber auch Augenmaß bei der Beurteilung von Stärken und Schwächen, Vertrauen in die vielfach bewiesene Leistungsfähigkeit unseres Landes und Zuversicht für die Zukunft.

Denn zu viel Salz kann auch die besten Speisen verderben. Schließlich kann niemand bestreiten, dass Österreich ein Land mit hoher Lebensqualität einer starken Volkswirtschaft und einem regen Kulturleben ist. Ein stabiles Land mit hoher äußerer, innerer und sozialer Sicherheit.

Wir haben es darüber hinaus gerade in den letzten Jahren zum zweithöchsten pro Kopf-Einkommen unter allen 28 EU-Ländern gebracht. Das alles ist uns nicht in den Schoß gefallen, sondern wurde hart erarbeitet, und zwar gemeinsam erarbeitet. Und in dieser Gesamtleistung der Frauen und Männer, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Wissenschaftler und Künstler, der Bauern und Gewerbetreibenden ist auch die Leistungsfähigkeit unseres politischen Systems enthalten.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Mein Wunsch und meine Bitte ist es daher, dass wir jene Brillen ablegen, die unseren Blick trüben und verzerren können: Die Vorurteilsbrille, die Pessimismusbrille, die Parteibrille, die Egoismusbrille, etc.

Bemühen wir uns auch in der Politik um ein ausgewogenes Urteil. Blicken wir vergleichend auch über die Grenzen unseres Landes hinaus. Nennen wir das, was schlecht ist, beim Namen, aber auch das, was gut ist.

Das gilt genauso für die Regierung und die Regierungsparteien, wie auch für die Opposition.

Auch in den nächsten Jahren soll und wird Österreich ein freies, demokratisches und soziales Land sein, das unter den Staaten Europas einen ausgezeichneten Platz innehat.

Auch in den nächsten Jahren soll und wird "Made in Austria" ein Zeichen für Fortschritt und Qualität sein.

Dieses Ziel werden wir erreichen, wenn jeder und jede Einzelne von uns sich mit dem Projekt Österreich identifiziert und solidarisch daran mitarbeitet.

Am Projekt Österreich mitarbeiten heißt nicht nur berufliche Aufgaben erfüllen, sondern sich nach Möglichkeit auch um Nachbarn und Mitmenschen kümmern, den Schwächsten in unserer Gesellschaft helfen, in Vereinen, in der Gemeinde oder auch an überregionalen Projekten freiwillig mitarbeiten und sich zu unseren europäischen Grundwerten zu bekennen.

In diesem Sinne darf ich, gemeinsam mit meiner Frau, Ihnen allen - auch jenen von Ihnen, die derzeit im Ausland tätig sind, - für das neue Jahr alles Gute wünschen und auf ein friedliches Jahr 2014 hoffen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

APA/red.

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