Politik

"Django" Mitterlehner ist neuer ÖVP-Chef

Heute Redaktion
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Nach dem Rücktritt von Michael Spindelegger übernimmt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner das Ruder in der ÖVP und wird Parteiobmann und Vizekanzler. Das wurde am Dienstagabend in der Sitzung des Parteivorstands in der Bundesparteizentrale in Wien beschlossen. Erwin Pröll fehlte - er urlaubt weiter in Italien. So haben prominente Politiker auf Spindeleggers Rückzug reagiert. Auf Twitter wird der Rücktritt verhöhnt!

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Nach dem Spindelegger-Rücktritt wurde am Dienstagabend die erste wichtige Personalentscheidung getroffen. Der vom Bauerbund unterstützte Reinhold Mitterlehner ist neuer Parteichef. Er selbst hatte sich vor dem Treffen der führenden ÖVP-Politiker für eine "zeitnahe Entscheidung" ausgesprochen. Wie sein Regierungsteam aussehen wird, steht aber noch nicht fest. Das soll bis 2. September geklärt sein.

"Wir müssen geschlossener auftreten"

"Auch wenn man sich etwas nicht wünscht, gibt es das Notwendige zu tun. Wie müssen als eigene Partei wieder geschlossener auftreten. Und das haben wir heute erreicht" berichtet der neue ÖVP-Chef nach seiner Nominierung.

Auf die Frage von Armin Wolf in der ZIB 2, ob er Finanzminister werden würde, meinte Mitterlehner oder "Django" , wie er in der katholischen Studentenverbindung Austro-Danubia genannt wurde, dass er noch eine entsprechende Lösung vorschlagen werde. "Auszuschließen ist aber nichts", ließ er nur wenig durchblicken. Auch wie lange er ÖVP-Obmann bleiben wolle, ließ er noch offen.

"Müssen schauen wo wir mit der SPÖ zusammenkommen"

In der Steuerfrage, die letztlich einer der Rücktrittsgründe von Spindelegger war, wollte sich Mitterlehner auf keine Schnellschüsse einlassen: "Wir haben eine klare Vorgangsweise, sowohl zeitlich als auch inhaltlich. Es wird über bestimmte Modelle entschieden, aber dem möchte ich nicht vorgreifen. Ich habe eine Grundsatzlinie, dann werden wir sehen in welchen Punkten wir mit der SPÖ zusammenkommen.

Tom Cruise muss warten

Eigentlich hätte er für heute 22.00 Uhr ein Treffen mit Tom Cruise gehabt, der . "Das hat nicht stattgefunden, stattdessen hoffe ich aber nicht eine Mission Impossible sondern eine machbare Mission aufnehmen zu können", so Mitterlehner.

FPÖ: "Mitterlehner hat den Unsinn mitgemacht"

In einer Sondersendung fand der stellvertretende FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl Dienstagabend harte Worte: "Mitterlehner ist jemand der allen Unsinn die der Bevölkerung so reichen mitgemacht hat. Ich erwarte mit nichts Neues." Auch Bundespräsident Heinz Fischer nahm er in die Pflicht, sprach sogar von einer neuen Regierung: "Er hat nicht nur die Kompetenz eine Regierung zu ernennen, sondern auch eine zu entlassen."

Grünen-Chefin Glawischnig kritisierte indes, dass es nur um die Befindlichkeiten der ÖVP zu gehen scheint: "Die Frage wie es der Bevölkerung geht und dass ihre Situation fundamental verbessert gehört, gerät völlig ins Hintertreffen"

Zangerl: "Geht nicht um meine Zufriedenheit"

Der Tiroler Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl, der den Rücktritt von Spindelegger gefordert hatte, hat hohe Erwartungen an Mitterlehner. "Ich kann mit jedem gut, wenn der das auch will" so Zangerl. "Die letzten Jahre gab es ja zu der Partei keinen Kontakt" kritisierte er in der ZIB 2 die mangelnde Zusammenarbeit in der Vergangenheit.

"Mit mir kommt man gut aus, aber man muss es zulassen, dass man miteinander gemeinsame Ziele formuliert. Das habe ich mir erwartet, ist aber nie eingetreten." so Zangerl auf die Frage ob er sich als ÖVP-Chef Parteifreunde wie ihn selber wünschen würde.

Einstimmig nominiert

Wie der steirische Landesparteichef Hermann Schützenhöfer beim Verlassen der Parteizentrale kurz nach 21 Uhr bestätigte, wurde der Wirtschaftsminister einstimmig nominiert. Spindelegger selbst hatte die Parteizentrale kurz zuvor verlassen.

Die Vorbesprechung dauerte fast drei Stunden lang. Derzeit tagt noch der ÖVP-Parteivorstand, der die Beschlüsse offiziell fasst. Im Anschluss soll Mitterlehner seine erste Pressekonferenz als Obmann geben.

ist seit 2007, als Langzeit-Parteichef Wolfgang Schüssel den Hut genommen hatte, der vierte und insgesamt 16. ÖVP-Chef.

"Heute.at"-User wünschten sich Kurz herbei

In einer Umfrage auf "Heute.at" hatte sich ein Viertel der Befragten für Mitterlehner als Spindelegger-Nachfolger ausgesprochen. Auf Platz eins landete Sebastian Kurz mit 44 Prozent. Erwin Pröll kam als Dritter auf 11 Prozent.

Als Übergangschef sieht sich Mitterlehner nicht. "Es macht keinen Sinn bestimmte Fragen im Konjunktiv zu beantworten." antwortete er Wolf, auf die Frage ob er nur eine Übergangslösung sei.

Erwin Pröll fehlt

Eine halbe Stunde vor offiziellem Beginn fanden sich die ÖVP-Spitzen ein. Angesagt hatten sich die meisten Parteigranden, einige mussten extra aus dem Ausland anreisen. Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll ließ sich hingegen entschuldigen - er ist derzeit auf Familienurlaub in Italien.

Kohl: "ÖVP ein kompliziertes Wesen"

Seniorenbund-Obmann Andreas Khol hatte im Vorfeld wie auch der steirische Landesparteichef Hermann Schützenhöfer vor Schnellschüssen gewarnt. "Die ÖVP ist ein kompliziertes Wesen. Innerhalb von zehn Stunden einen Obmann zu finden, halte ich für sehr schwierig."

Wirtschaftsbund-Obmann Christoph Leitl plädierte klar für die Trennung von Vizekanzler und Finanzminister: "Ich habe es drei Mal für einen Blödsinn gehalten und drei Mal bin ich bestätigt worden. Ein viertes Mal sollten wir es nicht machen."

Seite 2: Baustellen für neuen Finanzminister. Bitte blättern Sie um!

Wer neuer Finanzminister wird, ist nicht zu beneiden. Denn auf den Nachfolger von Michael Spindelegger - er trat am Dienstag zurück - wartet eine Reihe offener Baustellen. Allein die staatlichen Problembanken und der Konflikt um die Steuerreform versprechen einen heißen Herbst. Außerdem gilt es die Sparvorgaben aus Brüssel einzuhalten.

STEUERREFORM: Das Drängen weiter Teile der ÖVP nach einer raschen Steuerreform war der unmittelbare Anlass für Spindeleggers Abgang. Tatsächlich hatte sich der VP-Chef in Sachen Vermögensteuern derart einbetoniert, dass ein Kompromiss mit der SPÖ ohne Gesichtsverlust kaum möglich schien. Dass es ein neuer Finanzminister leichter hätte, ist aber nicht gesagt, denn Spindelegger wusste in dieser Frage weite Teile der Partei - etwa Wirtschafts- und Bauernbund - hinter sich. Außerdem ist der budgetäre Spielraum gering.

BUDGET: Was von der Steuerreformdebatte zuletzt in den Hintergrund gedrängt wurde: Die EU-Kommission hat das Defizitverfahren gegen Österreich zwar eingestellt, fordert aber nach wie vor eine Verschärfung des Sparkurses. Ab Mitte Oktober begutachtet die Brüsseler Behörde den Haushalt für 2015 und wird dabei wohl neuerlich auf Einhaltung des "strukturelle Nulldefizits" drängen. Die Regierung hat bereits mehrmals deponiert, dieses Ziel erst 2016 erreichen zu wollen. Sollten die EU-Vorgaben zu weit verfehlt werden, droht Österreich eine Strafzahlung.

HYPO ALPE ADRIA: Die notverstaatlichte Krisenbank wird mit über 18 Mrd. Euro faulen Krediten und Assets zur "Abbaubank", was die Steuerzahler noch ein paar Milliarden koset. Zusätzlich zu den Milliardenverlusten schon bisher. Die Sondergesellschaft soll nach bisherigen Plänen Anfang November starten. Gegen den seit Mitte August laufenden Schuldenschnitt droht eine Klagsflut von Banken, Versicherungen und Fonds. Den Rat des Internationalen Währungsfonds, den Schnitt noch zu überdenken, hat der Finanzminister ausgeschlagen. Sollte die Republik die Prozesse verlieren, muss sie die Gläubiger mit bis zu 1,6 Mrd. Euro entschädigen.

BAYERN: Chefsache des Finanzministers sind die Verhandlungen mit der früheren Hypo-Mutter Bayerische Landesbank (BayernLB). Mit den Bayern braucht es einen Generalvergleich, um im Hypo-Streit Milliardenprozesse aus der Welt zu schaffen.

GRISS-KOMMISSION: Ein Finanzministerauftrag war die Hypo-Untersuchungskommission ("Griss-Kommission"), die den Ablauf der Notverstaatlichung nachprüft. Der Bericht soll Ende des Jahres vorliegen. In der Folge wird auch ein Hypo-Untersuchungsausschuss erwartet.

VOLKSBANKEN: Bei der teilstaatlichen Volksbanken AG (ÖVAG) zeichnet sich wegen der europäischen Stresstests ein neuer Geldbedarf ab, von einer halben bis zu einer Milliarde ist die Rede. Hier hatte sich Spindelegger heuer im Frühjahr einbetoniert: Kein Geld mehr vom Steuerzahler.

REFORMEN: Angehen müsste der neue Finanzminister auch eine Reihe von im Regierungsprogramm angekündigten Reformen im Bund-Länder-Verhältnis. So sollte eine "strukturelle Förderreform" (Stichwort: Beseitigung von Doppelgleisigkeiten) schon seit Ende März vorliegen, zur Jahresmitte fällig war eine Verordnung zur Harmonisierung der Haushaltsregeln der Gebietskörperschaften. Beides sind mögliche Konfliktthemen mit Ländern und Gemeinden.

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