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"Er will ständig und überall Sex haben"

Vivienne leidet an der Getriebenheit ihres Mannes. Sie fühlt sich ausgenutzt und überrannt. Wie kann sie ihm sagen, dass sie das nicht mehr will?

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Vivienne (43) an Doktor Sex: Vielleicht sollte ich froh sein, dass mein Partner mehrmals täglich Sex will. Aber ich habe vor allem Probleme damit. Der Sex ist in der Regel grob, schmerzvoll und meist einfach nur ein schnelles Gerammel. Und ich fühle mich durch sein Verhalten ausgenutzt und überrannt. Im Anschluss daran verlangt er Liebesbeteuerungen und will wissen, wie er war. Sobald der Sex vorbei ist, zieht er sich zurück und es gibt keinen Körperkontakt mehr. Seine Begründung dafür ist, dass er dies nicht ertrage. Eine Stunde später beginnt das Spiel von vorne.

Von meiner früher ausgeprägten Lust auf Sex ist in der Zwischenzeit nichts übriggeblieben. Meine Versuche, ihn darauf anzusprechen, haben nichts gebracht, da er sofort Kritik heraushört und total beleidigt reagiert. Ist unser Sex zur Bestätigung seiner Männlichkeit geworden? Dient Sex bei ihm nur dazu, sich abzureagieren? Wie kann ich ihm meine Gefühle mitteilen und ihm sagen, dass ich mich dabei wie eine Wegwerfnutte ohne Bezahlung fühle?

Antwort von Doktor Sex

Liebe Vivienne

Beim Lesen deiner Zeilen taucht vor meinem inneren Auge das Bild eines machohaften und egoistischen Mannes auf, dessen rüpelhaftes Auftreten mich eine unsichere und instabile Persönlichkeit vermuten lässt. Und ihm gegenüber sehe ich eine etwas verbittert wirkende und verunsicherte Frau stehen, deren äussere Haltung darüber hinwegtäuscht, dass in ihrem Inneren genügend Energie vorhanden ist, um gezielt und kraftvoll den Zustand zu verändern, von dem sie sich im Moment erdrückt und bedrängt fühlt.

Zu deinen Fragen: Ja – es ist wahrscheinlich, dass das Verhalten deines Mannes beim Sex dem Spannungsabbau und der Selbstbestätigung dient. Latent in einem Zustand von Verunsicherung zu leben und immer wieder mit Zweifeln konfrontiert zu sein in Bezug auf die eigene Männlichkeit kann sehr anstrengend sein und zu großen inneren Spannungen führen. Indem sich dein Partner so verhält, schlägt er zwei Fliegen auf einen Streich: Einerseits baut er mit dem Sex den sich stets von neuem aufbauenden Druck ab und andererseits versichert er sich so gleichzeitig seiner Potenz.

Kurzfristig führt diese Strategie aus Sicht deines Mannes zwar zu Entspannung und einem Gefühl von Sicherheit. Auf Dauer löst sein Verhalten aber das Problem nicht – im Gegenteil: Es setzt eine fatale Endlosspirale in Gang. Du wirst von ihm zum Objekt gemacht, das er für seinen neurotischen Lösungsversuch braucht. Die dadurch bedingte Verschiebung der Ebenen führt zwingend zu Grenzüberschreitungen und aus eurer Partnerschaft wird in der Folge eine Abhängigkeits- und Missbrauchsbeziehung. Daran wird sich von selbst kaum etwas ändern.

Wie du schreibst, hast du bereits versucht, ihm deine Sicht der Dinge mitzuteilen, bist damit aber nicht angekommen, weil dein Mann sich nicht auf ein Gespräch eingelassen, sondern gleich in die Opferrolle verabschiedet hat. Ich denke daher, dass es keinen Sinn macht, es weiter im Zweiersetting und auf eigene Faust zu versuchen. Erfolgversprechender scheint mir, wenn du deinem Partner klarmachst, dass du diese Situation nicht mehr länger duldest und du dich mit ihm zusammen zu einer Fachperson begeben willst, um gemeinsam eine Beziehungsklärung vorzunehmen. Viel Glück! (wer)

(mp)