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'Es wird immer schwerer, neue Pokémon zu erfinden'

Im Interview sprechen die kreativen Köpfe hinter den Nintendo-Games über die neue Pokémon-Generation und Herausforderungen bei der Entwicklung.

Heute Redaktion
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Bei einem Interview-Termin in den Büros der Pokémon Company in London sind viele Menschen im Raum. Zwei Japanisch-Übersetzer (je einer für Fragen und Antworten), mehrere PR-Verantwortliche, ein Interviewpartner und ein Videocall-Setup, das die Kommunikation mit einem zweiten Entwickler in Japan ermöglicht. Es geht um Pokémon Schwert und Pokémon Schild – die neuesten Ableger der traditionsreichen Spielereihe.

"Heute.at": Es gibt bereits jetzt schon mehr als 800 Pokémon. Mit Schwert und Schild kommen weitere hinzu. Werden neue Spieler damit überfordert?

Shigeru Ohmori, Game Director von Schwert und Schild: Egal, ob man alle Pokémon-Spiele gespielt hat oder noch nie Kontakt mit der Serie hatte: Wir wollen sicherstellen, dass sich alle Spieler von Beginn an zuhause fühlen. Schwert und Schild sind dabei keine Ausnahme: Man lernt in den ersten Stunden, worum es geht, wie man Pokémon fängt und alles Weitere, das man für sein Abenteuer benötigt.

Wie lange dauert die Entwicklung neuer Pokémon?

Ohmori: Besonders das Designen der Starter-Pokémon nimmt viel Zeit in Anspruch – an einem Charakter arbeiten wir länger als sechs Monate. Abgesehen von ihrem Aussehen haben wir ihnen in Schwert und Schild auch Persönlichkeiten verliehen: Hopplo ist ein energiegeladener Draufgänger, Memmeon etwas scheu und Chimpep sehr neugierig. So können Spieler ihr Starter-Pokémon erstmals auch nach diesen Merkmalen auswählen.

Junichi Masuda, Producer von Schwert und Schild: Dazu kommt die Schere-Stein-Papier-Mechanik der Pokémon-Typen Feuer, Pflanze und Wasser, die bei den Startern angewendet wird. Da es die ersten Pokémon sind, die man im Spiel erhalten kann, müssen sie also visuell kommunizieren, welchem Typ sie angehören. Gleichzeitig sollen die Designs so gestaltet sein, dass Kinder sie problemlos nachzeichnen können.

Ohmori: Für die Designer wird es natürlich immer schwieriger, neue Pokémon zu entwerfen. Es gibt bereits so viele Pokémon und unter diesen Voraussetzungen neue Figuren mit eigenen Charakteristiken zu erschaffen, ist eine echte Herausforderung. Auf der anderen Seite müssen auch technische Themen wie die Spielbalance und verschiedene Rollen im Kampf beachtet werden.

Wird es von Jahr zu Jahr schwerer, neue Pokémon zu designen?

Ohmori: Ja, es fühlt sich wirklich so an, als würde es immer schwerer werden. Wir müssen zwar darauf achten, dass sich die Designs nicht mit existierenden Wesen in unserer Spielwelt überschneiden, doch die große Zahl ist nur ein Aspekt. Denn wir arbeiten nun mit 3D-Figuren, und das heißt, dass Pokémon nicht nur von vorne einen Wiedererkennungswert haben müssen, sondern auch von allen Seiten betrachtet werden können. Und sie müssen sich natürlich auch in einer Art bewegen, die zu ihrem Aussehen passt.

Mit Schwert und Schild kommt die erste neue Generation auf Nintendo Switch. Was hat sich optisch seit den Nintendo 3DS-Tagen getan?

Ohmori: Nachdem wir Pokémon-Spiele nun nicht mehr für den Nintendo 3DS, sondern für Nintendo Switch entwickeln, können wir Charaktere und Pokémon sehr viel ausdrucksstärker gestalten. In diesen Bereich ist sehr viel Zeit und Mühe geflossen. Pokémon: Let's Go, Pikachu und Pokémon: Let's Go, Evoli! waren im vergangenen Jahr ein Sprungbrett für die Entwicklung dieser neuen Welt. Und daher haben wir jetzt sehr lebendige Zwischensequenzen mit vielen Animationen.

Mit dem Dynamax-Phänomen können Pokémon im Kampf auf ein Vielfaches ihrer echten Größe anwachsen. Woher kam diese Idee?

Ohmori: Pokémon war sehr lange eine Handheld-Serie. Mit Nintendo Switch kann man Pokémon jetzt auch auf dem Fernseher spielen. Deshalb können wir Größenverhältnisse nun besser darstellen als auf dem Nintendo 3DS. Hier war es sehr schwer, etwas größer wirken zu lassen. Ein weiterer Punkt ist, dass es im Vereinigten Königreich, das ja als Inspiration für die neue Region dient, viele Mythen und Sagen über Riesen gibt.

Die Spiele sind in der Galar-Region angesiedelt. Was ist die Bedeutung dieser neuen Welt?

Ohmori: In Pokémon Sonne und Pokémon Mond konnten Spieler verschiedene Inseln und ihre Natur erkunden. Mit Schwert und Schild wollten wir eine Welt erschaffen, in der die Menschen und die Pokémon in Wohlstand leben, der wegen ihrer Zusammenarbeit entstanden ist. Inspiriert wurden wir dabei vom Vereinigten Königreich und der Industriellen Revolution. Es gibt zum Beispiel ein Pokémon, das als Taxi zwischen den Städten fungiert. So wollen wir das Verhältnis zwischen den Wesen und den Menschen unterstreichen.

Die neue Naturzone bringt einen Hauch Open-World mit sich. Wie entstand diese Idee?

Ohmori: Mit der Naturzone wollen wir Spielern mehr Einblicke in das Leben der Pokémon geben – zum Beispiel wo sie leben und wie sie sich in ihrer natürlichen Umgebung verhalten. Als Inspiration diente uns der Lake District, ein Nationalpark in Großbritannien. Große offene Wiesen und Seen laden dazu ein, das gesamte Areal zu erkunden. Und das funktioniert nicht nur allein, sondern auch zusammen mit anderen Spielern.

Masuda: In der Naturzone sind die Charaktere anderer Spieler, die sich gerade mit ihrer Nintendo Switch in der Nähe befinden, zu sehen. Uns ist das Gefühl, mit anderen Menschen zusammen zu spielen, sehr wichtig. Natürlich kann man auch Pokémon tauschen oder gegeneinander kämpfen.

Es ist eine Premiere in einem Hauptteil der Serie: Statt aus dem Gras zu springen, sind die Pokémon schon beim Erkunden sichtbar. Wieso diese Abkehr von der Tradition?

Masuda: Ich war auch Game Director für Let's Go, Pikachu und Evoli. Bei diesen beiden Spielen wollten wir das Fangen der Pokémon ganz besonders in den Mittelpunkt stellen. Außerdem haben Spieler das Gefühl, selbst zu wählen, welchen Pokémon sie begegnen.

Ohmori: Wir wussten ursprünglich nicht, wie viele Pokémon wir technisch gleichzeitig auf dem Bildschirm darstellen können. Als wir mit der Entwicklung von Schwert und Schild begannen, hatten wir dieses Feature nicht geplant. Doch als wir dann die Reaktion auf Let's Go, Pikachu und Evoli sahen, wollten wir diese „sichtbaren Begegnungen" auch in die neuen Spiele einbinden. Es gibt aber nach wie vor auch zufällige Begegnungen im hohen Gras.