Österreich

"Gefängnis ist Brutstätte der Radikalisierung"

Der muslimische Gefängnis-Seelsorger Ramazan Demir warnt davor, dass Häftlinge radikalisiert würden, weil es zu wenige Seelsorger gibt.

Heute Redaktion
Teilen

Jahrelang war der Imam und Lehrer Ramazan Demir als islamischer Seelsorger in österreichischen Gefängnissen tätig. In seinem nun veröffentlichten Buch "Unter Extremisten" warnt er davor, dass Österreichs Haftanstalten Brutstätten der islamistischen Radikalisierung sind.

Die Ursache dafür sieht er vor allem im Mangel an islamischen Gefängnis-Seelsorgern. Da Häftlinge, für die Religion ein wichtiges Thema ist, nicht ausreichend betreut seien, holen diese sich Informationen oft von Mitgefangenen – unter diesen können sich dann auch Radikale befinden, erklärt er im Interview mit dem "Kurier".

Muslimische Community braucht mehr Aufklärungsarbeit

Außerdem müsse "die muslimische Community in den eigenen Reihen mehr Aufklärungsarbeit leisten", so Demir. Nur so könnten diese "zwischen problematischen Traditionen, wie zum Beispiel der Auffassung, der Mann wäre besser als die Frau, und der Religion unterscheiden", meint er.

Was der Staat dagegen tun kann? "Er muss dafür sorgen, dass Hassprediger in Hinterhofmoscheen nicht unsere Jugend vergiften", sagt Demir. Außerdem seien aus obengenannten Gründen mehr hauptberufliche Gefängnis-Seelsorger nötig.

Radikale Hetzschrift in Gefängnis-Bilbiothek

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), die die Seelsorger großteils stellt und deren Sprecher Demir auch ist, ist jedoch zuletzt beim Justizministerium etwas in Verruf geraten. In einer Gefängnis-Bücherei, die von der IGGÖ betreut wurde, hatte ein Häftling ein radikal-islamistisches Buch entdeckt.

Ministerium entzog der IGGÖ daraufhin die Zuständigkeit für die Bibliotheken in den Haftanstalten. Diese werden nun vom Deradikalisierungsverein Derad betreut. "Das hat mich sehr traurig gemacht", beklagt Demir im "Kurier"-Interview. Es habe sich um den "Fehler eines ehrenamtlichen Seelsorgers der IGGÖ" gehandelt, wegen dem die Organisation pauschal abgestraft wurde.

Sein Buch will Demir auch als "letzten Weckruf" verstanden wissen. Denn nach Morddrohungen gegen ihn zieht sich der Lehrer und Imam aus der aktiven Seelsorge zurück.

(red)