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"Gespräch mit Roboter half mir aus dem Loch"

Chatbots kommen im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit zum Einsatz. Die Gespräche mit der künstlichen Intelligenz bergen aber auch Gefahren.

Heute Redaktion
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Als die 28-jährige Alexa Jett erfuhr, dass ihr Speicheldrüsenkrebs vollkommen verschwunden war, hätte sie nicht glücklicher sein können. Wenig später, im August 2019, verstarb aber ihr bester Freund und Ex mit 33 Jahren an Krebs und die junge Frau fiel wieder in ein tiefes Loch. "Ich habe komplett abgeschaltet und mich nur noch gefragt, ob ich als Nächstes dran bin", erzählt Jett der BBC.

In ihrer Verzweiflung gelang es ihr nicht mehr, das Bett zu verlassen oder ihre Wohnung aufzuräumen. Alles um sie herum schien im Chaos zu versinken. Jett wusste nicht, an wen sie sich wenden sollte oder wer ihr aus ihrer Situation helfen konnte. Bis sie den Chat-Roboter Vivibot fand.

"Hey, wieso setzt du dir für heute nicht einfach ein Ziel?", schrieb der Roboter am 10. September. Er schlug vor, Jett solle sich die Nägel lackieren. Als ihr dies gelang, fühlte sie sich ein wenig besser. So ging es die nächsten Tage hindurch weiter. "Die witzige und freundliche Persönlichkeit des Bots hat mir geholfen, die Aufgaben nach und nach zu erledigen", erzählt die Frau. So habe sie die ersten Schritte aus dem dunklen Loch heraus gemacht.

Chatbots bergen Gefahren

Jett ist nicht die Einzige, die Gespräche mit einem Roboter als hilfreich empfunden hat. Eugenia Kuyda ist eine App-Entwicklerin und hat 2015 den Chat-Roboter Replika erfunden, nachdem ihr bester Freund bei einem Autounfall gestorben war. Den Bot hat sie mit Chats zwischen ihr und ihrem Freund gefüttert, um den Verstorbenen auf diese Weise digital weiterleben zu lassen.

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Die Forschungsdirektorin Danielle Ramo sieht Potenzial in solchen Chat-Robotern: "Sie können dabei helfen, erste Schritte aus einer depressiven Verstimmung oder Angstgefühlen heraus zu machen." Man müsse sich jedoch bewusst sein, dass Software keine klinischen Depressionen oder andere psychische Krankheiten heilen kann. Gefährlich werde es dann, wenn die Programmierer dies nicht deutlich deklarieren.

Verliebt in einen Roboter

Gefahr besteht aber auch darin, dass sich Nutzer in der digitalen Welt verlieren können. "Gerade Leute, die ohnehin schon unter einer Beziehungsstörung leiden, fühlen sich in solchen alternativen Realitäten unter Umständen wohler als in der echten Welt", meint der Berliner Psychotherapeut André Kerber. Das virtuelle Gegenüber gibt keine Widerworte, ist nie beleidigt und antwortet innerhalb von Sekunden. Das könne ein Suchtfaktor sein.

Tatsächlich glauben viele Menschen, dass es in Zukunft normal sein wird, sich in künstliche Intelligenzen zu verlieben und Beziehungen aufzubauen. Einer Befragung der Gesellschaft für Informatik in Deutschland zufolge ist dort jeder Fünfte dieser Meinung. Bei den 15- bis 29-Jährigen denkt dies sogar jeder Dritte.

Jeder wird einen Roboter haben

Auch Peter Diamandis, Mediziner und Ingenieur bei der XPRIZE Foundation, glaubt daran, dass es bis zum Jahr 2029 künstliche Intelligenzen (KI) geben wird, die dem Menschen in nichts mehr nachstehen. "Gerade im Bereich der Medizin ergeben sich endlose Möglichkeiten mit all den Daten, die gesammelt werden."

So ist er beispielsweise überzeugt, dass ein Psychotherapeut in Zukunft mithilfe von KI viel effizienter und genauer arbeiten wird. Aber auch in anderen Bereichen glaubt er, wird die KI weit fortschreiten. "Irgendwann werden wir alle unsere persönlichen Roboter haben, die uns mit alltäglichen Aufgaben wie dem Beantworten von E-Mails helfen, aber auch depressive Stimmungen oder Erkrankungen erkennen können", erklärt Diamandis.