Politik

"Herr Faymann, was tun Sie?"

Heute Redaktion
Teilen
Picture
Bild: Helmut Graf

Belohnungen für das Einstellen älterer Arbeitsloser, Merkels Griechenland-Politik, Stillstand in der Bildungspolitik, Kompromissmöglichkeiten bei der Steuerreform und das Rauchverbot in Lokalen erörtert Werner Faymann (SP) im "Heute"-Gespräch mit Erich Nuler.

Belohnungen für das Einstellen älterer Arbeitsloser, Merkels Griechenland-Politik, Stillstand in der Bildungspolitik, Kompromissmöglichkeiten bei der Steuerreform und das Rauchverbot in Lokalen erörtert Werner Faymann (SP) im "Heute"-Gespräch mit Erich Nuler.

"Heute": Eurostat weist Österreich mit 4,9 Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU aus. In Wahrheit sind 456.000 arbeitslos, also jeder Zehnte im erwerbsfähigen Alter. Was tun Sie?

Werner Faymann: Die Schwierigkeit ist, dass wir ein geringes Wirtschaftswachstum in der Eurozone von weniger als 1 Prozent haben. Wir können das Problem nicht in Österreich alleine lösen, sondern brauchen europäische Lösungen.

"Heute": Was können Sie national tun?

Faymann: Die Steuerreform umsetzen und damit die Kaufkraft stärken. Wird mehr eingekauft, können Jobs entstehen. Man kann Investitionen stärken, zum Beispiel beim Wohnbau.

"Heute": Über die Wohnbauförderung kann der Bund einwirken, aber es gibt noch immer keine Zweckbindung dieser Mittel. Die Folge: Das Geld fließt nicht zu 100 Prozent in den Wohnbau.

Faymann: Genau das wird jetzt mit den Ländern verhandelt. Die Zweckbindung wäre gut. Andere Modelle sehen eine Ankurbelung des Wohnbaus mit Garantien und Haftungen vor. Aber der Wille muss vorhanden sein, solche Investitionen zu stärken.

"Heute": 100.000 der 466.000 Arbeitslosen in Österreich sind über 50. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, ein Sozialdemokrat, hat den Kündigungsschutz gelockert um Arbeitgeber Anreize zu geben, auch ältere Arbeitnehmer einzustellen. Ein Modell für Sie?

Faymann: Unser Kündigungsschutz war nie so streng wie in Italien.

"Heute": Also kein Modell für Sie. Was tun Sie gegen Altersarbeitslosigkeit? Bitte konkret.

Faymann: Ich will das Bonus-Malus-System (Betriebe, die Arbeitslose über 50 Jahre einstellen, erhalten ein Bonuszahlung, Anm.). In der Regierung haben wir uns schon darauf geeinigt. Es fehlt nur noch die Zustimmung der Wirtschaftskammer. Zweitens braucht es öffentliche Investitionen um auch wieder mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

"Heute": Für die Investitionen fehlt aber das Geld.

Faymann: Allein die Betrugsbekämpfung in Europa würde eine Billion Euro bringen. Da rede ich noch gar nicht davon, schärfere Gesetze zu beschließen sondern nur davon, die bestehenden Gesetze zu exekutieren. Wenn wir eine Billion Euro hätten, um eine EU-Arbeitsmarktpolitik zu bezahlen, wäre viel getan. Wenn wir uns darauf einigen, vermögensbezogene Steuern einzuführen, bekommen wir auch mehr Spielraum.

"Heute": Was tut die EU gegen die Arbeitslosigkeit?

Faymann: In manchen Regionen haben wir sogar eine Massenarbeitslosigkeit. Das heißt für die Betroffenen in diesen Ländern nichts Gutes, es ist eine Katastrophe für Europa, das heißt aber auch für unsere Exporte nichts Gutes. Über 80 Prozent unserer Exporte gehen nach Europa. Und eine Million österreichische Jobs hängen vom Export ab. Für einen Rückgang der Arbeitslosigkeit brauchen wir also mehr Europa.

"Heute": Wie realistisch ist eine EU-weite Steuerharmonisierung, zumindest ein Basissatz für Unternehmensbesteuerung? Wie stehen die Zeichen im EU-Rat?

Faymann: Schlecht, weil der Ernst der Lage nicht erkannt wird. Bei Ausbruch der Krise 2008 waren die damals 27 Staaten schnell und stark genug, den Kartenhauseffekt zu stoppen. Wir haben Massenelend wie in den 1930er-Jahren verhindert. Jetzt ist die Situation eine andere. Jeder Regierungschefs hat im Kopf und auch im Herzen, was in seinem Land passiert. Es fehlt die europäische Betroffenheit, wieder Entschlossenheit an den Tag zu legen. Jeder rechnet Kosten-Nutzen für sich selbst durch und man kommt nicht zusammen. Es fehlt der gemeinsame Wille in Europa. Und jetzt kommen ein paar auch noch auf die Idee, sich vor einer Wahl einzumischen – das ist völlig unverständlich.

"Heute": Sie kritisieren damit Kanzlerin Angela Merkel.

Faymann: Ja, denn was soll ein Austritt der Griechen aus der Eurozone schon bringen? Eine Katastrophe. Wenn Athen die Drachme wieder einführt, die nichts wert ist, können die Griechen nicht nur ihre Schulden nicht bezahlen, sondern die Spitäler und die Schulen.

"Heute": Wien und Berlin driften auseinander…

Faymann: Wir haben unterschiedliche Meinungen. Nichts gefährdet den europäischen Gedanken so sehr wie Arbeitslosigkeit.

"Heute": Wenn Griechenland austritt könnte Italien folgen.

Faymann: Ich möchte mir nicht vorstellen, welche Wahlergebnisse nach einem Austritt aus der Eurozone und den verheerenden Folgen für das Land, dort stattfinden. Demokratie lebt von Akzeptanz und nicht von Hass auf die Politik. Hass nützt immer jenen, die Feindbilder suchen.

"Heute": Zur Steuerreform nur Eines: Kaufe ich ein Stück Brot, zahle ich Mehrwertsteuer, kaufe ich eine Aktie, zahle ich keine Steuern. Warum?

Faymann: Bei der KESt (Kapitalertragssteuer), Wertpapierdepots und Immobilienzuwächsen haben wir Steuern. Wo wir überhaupt keine Steuern haben, ist beim Vererben und beim Verschenken. Ich kann Ihnen eine Aktie schenken und sie zahlen keine Steuer obwohl sie nichts dazu beigetragen haben außer die Schenkung entgegenzunehmen. Dasselbe gilt fürs Sparbuch und fürs Haus. Ich versuche in unserem Steuersystem nicht nur die Arbeit zu besteuern sondern Vermögensvermehrung, damit Arbeit entlastet werden kann.

Theoretisch könnte ein Betrieb, der nur mit Robotern funktioniert, eines Tages für die Arbeit selbst keine Steuern mehr zahlen. Wenn er in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ideenreich ist und Geld in Steueroasen parkt, zahlt er nichts. Da die Entwicklung, etwa mit Google und Amazon, in diese Richtung geht, ist Alfred Dallingers Gedanke der Wertschöpfung richtig. Nachdem man nie radikale Umbrüche schafft, von heute auf morgen Steuersysteme völlig umstellt muss man doch in Österreich zumindest das machen, was es schon in Deutschland gibt: die Erbschafts- und Schenkungssteuer.

"Heute": Bundespräsident Heinz Fischer skizzierte einen möglichen Kompromiss. Vermögenszuwachs besteuern, aber die Substanz nicht antasten. Denkbar nur bei KESt und Erbschaft anzusetzen?

Faymann: In der letzten Legislaturperiode haben wir Immobilienzuwachs höher besteuert. Unterm Strich geht‘s darum, 5 bis 6 Milliarden zu entlasten. Ich bin jetzt das siebente Jahr Bundeskanzler und habe noch nie ein Budget gemacht, wo zu viel Geld da war.

"Heute": Ist die ASVG-Höchstbeitragsgrenze sakrosankt?

Faymann: Wenn wir uns in neun Wochen einig sein müssen, darf grundsätzlich nicht zu viel ausgeschlossen werden. Sonst kommt keine Einigung zustande.

"Heute": Das ist kein "Nein".

Faymann: Ich habe sie nicht eingebracht. Mein Fokus liegt auf der Besteuerung von Vermögen.

"Heute": Caritas-Präsident Michael Landau hat sie eingeladen, in der Gruft zu verhandeln.

Faymann: Die unterschiedlichen Positionen sind nicht entstanden, weil die Umgebung uns nicht sozial genug motiviert, sondern wir sind verschiedene Parteien. Der Wille Millionäre davor zu schützen, ja nichts zahlen zu müssen, ist in der SPÖ nicht sehr ausgeprägt. Das Bedürfnis der ÖVP in diesem Bereich schützend aufzutreten, ist viel größer.

Wenn wir uns in einer Sozialeinrichtung treffen, ist das nicht viel anders. Sonst würde ich alle Regierungssitzungen in Sozialeinrichtungen abhalten. Es ist aber nicht der Fehler der Demokratie, unterschiedlicher Meinung zu sein. Unsere Wähler werfen uns nicht vor, die falschen Inhalte zu haben, sondern dass wir mehr durchbringen sollen.

"Heute": Auch in der Bildungspolitik liegen SPÖ und ÖVP weit auseinander. Sie haben im Wahlkampf aber "Bildung" plakatiert. Eine vor drei Monaten eingesetzte Arbeitsgruppe hat noch kein einziges Mal getagt. Hat Ihre Regierung die Bildungspolitik ad acta gelegt?

Faymann: Ich bin für eine gemeinsame Schule mit ganztägigem Angebot. Die Frage ist, was ich mit dem Koalitionspartner umsetzen kann. Da orte ich in vielen Bundesländern das Bedürfnis, ganztägige Schulformen auszubauen, auch in der ÖVP, die stets dagegen war. Wir haben das Angebot ausgebaut und ich bin fest davon überzeugt, dass es mir gelingt, dass diese weißen Flecken auf der Landkarte, wo es nicht einmal ein Angebot für ganztägige Schulformen gib, verschwinden. Auch bei der Schulautonomie traue ich mir Lösungen mit der ÖVP zu. Bei der gemeinsamen Schule gibt es aber so viel ideologischen Balast, dass ich sie nicht versprechen kann.

"Heute": Wohnen ist in kurzer Zeit extrem teurer geworden. Im Regierungsprogramm finden sich einige Maßnahmen. Die Zweckbindung der Wohnbauförderung ist noch nicht umgesetzt, aber auch einfache Maßnahmen wie, dass Unter-35-Jährige keine Vergebührung zahlen sollen, fehlen. Kommt da noch etwas?

Faymann: Ja, die Verhandler verhandeln mit Hochdruck. Vergebührung, Mietrecht und Konsumentenschutz werden wir schaffen. Hauptpunkt ist: Wenn wir mehr bauen, sinkt der Preis.

"Heute": Kommt das generelle Rauchverbot in Lokalen noch heuer?

Faymann: Ja, die Chancen stehen gut. Wirte, die investiert haben, werden eine Abschreibungsmöglichkeit erhalten.