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Juncker teilt so richtig aus – in 11 knackigen Quotes

Kommendes Jahr tritt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ab. In einem Interview spricht er nun Klartext.

Heute Redaktion
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Jean-Claude Juncker rechnet in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" mit heuchlerischen Staatschefs, Populisten und zaudernden Briten ab. Die wichtigsten Aussagen des EU-Kommissionspräsidenten im Überblick:

"Es scheint, wir haben beim Thema Migration unsere Fähigkeit verloren, die Dinge in Relation zu setzen."

Das Migrationsthema möge zwar wichtig sein, aber es sei "beileibe nicht unser größtes Problem", meint Juncker. Obwohl in absoluten Zahlen weniger Flüchlinge nach Europa kämen, wähnten manche unseren Kontinent am Rande des Untergangs. "Das ist schlicht übertrieben". Gleichzeitig warne er davor, jene Menschen als dumm zu bezeichnen, die sich angesichts dieser großen Aufgaben Sorgen machen.

"Das ist doch eine himmelschreiende Heuchelei."

So kritisch äußert sich Juncker zum Verhalten der EU-Staaten in der Frage des Grenzschutzes. Alle EU-Staats- und Regierungschefs hätten über zwei Jahre lang den besseren Schutz der europäischen Außengrenze gefordert. Nun, da die EU-Kommission einen Vorschlag erarbeitet habe – eine Erhöhung der Grenzschutzbeamten auf 10.000 Mann – kämen plötzlich von allen Seiten Bedenken. Juncker poltert:

"So kann Europa nicht funktionieren."
"Wer den Populisten nachläuft, den sehen die Menschen nur von hinten."

Juncker warnt die traditionellen Parteien davor, Populisten "nachzuäffen". Man dürfe den Populisten nicht Recht geben, sondern müsse sie stellen, "indem wir offenkundig machen, dass sie nur laut sind, aber keine konkreten Lösungsvorschläge für die Herausforderungen unserer Zeit anzubieten haben".

"Gegen die Trolle und Hackertruppen aus China oder Russland muss Europa geeint auftreten."

Dies sagt Jucker zur Frage, ob er im EU-Wahlkampf Einmischung von außen befürchte – durch Hackerangriffe oder gezielte Desinformation. Er fürchte tatsächlich, dass es bei den Europawahlen unzulässige Versuche der Einflussnahme geben könnte. "Darauf sind wir in Europa noch nicht ausreichend gut vorbereitet." Zwar habe die Kommission ihre personellen Mittel aufgestockt, dies reiche aber nicht.

"Nicht wir verlassen Großbritannien, sondern Großbritannien die EU. "

Teile der britischen Öffentlichkeit verhielten sich, als ob es allein an der EU wäre, eine Lösung für alle künftigen britischen Probleme vorzuschlagen, so Juncker. Er empfinde dies als Zumutung.

"Mein Appell ist: Rauft euch zusammen."

Die Briten müssten sich entscheiden, was sie wollen, und der EU dann Bescheid sagen. Er gehe davon aus, dass Großbritannien die EU wie angekündigt im März verlassen werde. Zu den Chancen eines zweiten Referendum äußert sich Juncker nicht, dies sei Sache der Briten.

"Zwischen uns hat die Chemie einfach gestimmt, würde ich sagen. "

So erklärt Juncker, warum es ihm gelungen ist, im Streit mit Donald Trump um die Automobilzölle einen überraschenden Erfolg zu verbuchen. Er traue Trump, solange dieser sein Wort halte, gibt Juncker zu Protokoll. "Und wenn er es nicht mehr hält, dann fühle ich mich auch an mein Wort nicht mehr gebunden."

"Wenn man beinahe im Stundentakt von einem Land ins andere fliegt, entdeckt man europäische Landschaften und ihre Zärtlichkeiten neu."

Dies habe er während des Europawahlkampfs 2014 erfahren. Es gefalle ihm, dass in Europa die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Sprachen und Dialekten auf engem Raum lebten. "Insbesondere die Dialekte haben es mir angetan, welch ein Reichtum!"

Allerdings habe er in den vergangenen zehn Jahren zunehmend den Eindruck gewonnen, dass die Menschen sich in Europa voneinander entfernen.

"Wir müssen zusehen, dass diese Gräben nicht zu tief werden."

Er vertraue fest darauf, dass die EU Zukunft hat. Dafür müsse man nur einmal auf einen Soldatenfriedhof gehen, "dann sieht man, was die Alternative zum europäischen Einigungswerk ist".

"Wenn ich am 1. November 2019 aufhöre, dann wird Europa nicht zusammenbrechen."

So viel steht für Juncker fest. Wen er sich als Nachfolger wünscht, verrät er im Interview nicht. Er freue sich jedenfalls darauf, künftig mehr Zeit für Privates zu haben. "Ich bin mit 27 Jahren Minister geworden. Bis auf ein paar Monate hatte ich seitdem immer ein politisches Amt inne." Da sei das Privatleben zu kurz gekommen.

(jbu)

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