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"High-Rise": Irre Party, schicker Klassenkampf

Heute Redaktion
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Die Gesellschaft trudelt Richtung Abgrund: In J.G. Ballards dystopischem Roman "High-Rise" (1975) wird ein Hochhaus zur Anarchospielwiese. Die Hauptrolle der Kinoversion spielt Bond-Kandidat Tom Hiddleston.

Die Gesellschaft trudelt Richtung Abgrund: In J.G. Ballards dystopischem Roman "High-Rise" (1975) wird ein Hochhaus zur Anarchospielwiese. Die Hauptrolle der Kinoversion spielt .

Ob man den Film nun als albtraumhaftes Zukunftsszenario oder bissigen Kommentar zur Gegenwart versteht, rein optisch versetzt uns "High-Rise" zurück in die Siebziger: Von den Koteletten und Sommerkleidern der Protagonisten bis zum titelgebenden Betonklotz selbst. Zugleich ruft der aufgemotzte Plattenbau die Wolkenkratzer-Slums aus in Erinnerung - Setzkästen zur Massentierhaltung, in denen eine isolierte, vom Recht des Stärkeren geprägte Gesellschaft heranwächst.

Inhaltlich erweckt "High-Rise" hingegen Assoziationen mit einem anderen Dystopia, dem legendären "A Clockwork Orange". Sexuelle Exzesse und Gewaltorgien sind Teil der Grundausstattung und steigern sich mit Fortdauer des Films konstant.

Klassenkampf, Psychoanalyse, Abba

Dr. Robert Laing (Hiddleston) zieht in ein modernistisches Hochhaus, in dem sozialer Status durch die Distanz zum Boden bestimmt wird. Laings Wohnung liegt auf einer der mittleren Etagen des Gebäudes. Am Dach hat sich Architekt Anthony Royal (Jeremy Irons) einen paradiesischen Garten (samt freilaufendem Pferd) geschaffen. In der Nähe des Erdgeschosses haust Richard Wilder (Luke Evans) mit den anderen Familienvätern und Otto Normalverbrauchern. Schnell verhärten sich die Grenzen zwischen Ober-, Mittel- und Unterschicht. Gemein ist allen Bewohnern des Mega-Baus nur, dass sie ausufernde, dekadente Partys schmeißen und langsam in einen primitiven Urzustand abschlittern.

Man kann "High-Rise" als eine Parabel über den Klassenkampf im Kapitalismus sehen; kann den Konflikt der drei Hauptfiguren als Freudsche Rauferei zwischen Es, Ich und Über-Ich interpretieren; kann das Hochhaus als schizophrenes Hirn oder als von Krankheit zerfressenen Körper verstehen. In jedem Fall ist Regisseur Ben Wheatley ein herrlich irres, schauderhaft verstörendes Drama im Retro-Stil gelungen. Die absoluten Highlights des Films: Der grandiose (oft halbnackte, mit blauer Farbe besudelte, Hunde verspeisende) Tom Hiddleston und die Portishead-Coverversion von Abbas "SOS".

"High-Rise" startet am 8. Juli in den österreichischen Kinos.