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"Hilfe, sie hatte schon 20 Sexpartner!"

Thomas und seine Freundin haben sich neulich in angetrunkenem Zustand ihre individuelle sexuelle Vergangenheit offenbart. Seither hat er Stress.

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Frage von Thomas (26) an Doktor Sex: Ich bin seit zwei Jahren mit meiner Freundin zusammen. Neulich waren wir etwas angetrunken und sprachen offen über unsere Vergangenheit. Dabei erfuhr ich, dass sie schon über 20 Sexpartner hatte – ich erst fünf – und auch schon zweimal mit zwei Männern und einmal mit einem Mann und einer Frau einen Dreier. Ich bin diesbezüglich ohne Erfahrung, wünsche mir eine solche aber schon lange. Seither ist mein Bild von ihr völlig ins Wanken geraten. Obwohl wir uns beide sehr lieben und sie bisher mit Abstand die beste Frau an meiner Seite ist, weshalb ich sie eigentlich heiraten möchte. Zugegeben: Es ist auch ein bisschen Neid im Spiel. Darüber nämlich, dass sie es als Frau sexuell so einfach hatte und ich als Mann nicht. Ich fühle mich aber auch in meiner Männlichkeit verunsichert, da ich nicht der dominante und erfahrene Mann bin, der schon alles hatte. Stimmt etwas mit meinem Frauenbild nicht? Alle ihre Kolleginnen haben ähnliche Erfahrungen und das hätte ich echt nie gedacht. Wie soll ich das alles verarbeiten? Und habe ich etwas verpasst in meiner Jugend?

Antwort von Doktor Sex

Lieber Thomas

Dein Frauenbild scheint tatsächlich etwas veraltet zu sein, denn die Zeiten, in denen man als Frau keusch eine Ehe einging, gehören definitiv der Vergangenheit an. Du hast diesbezüglich also noch ein beträchtliches Entwicklungspotenzial. Aber auch an deiner Idee dessen, welche Rolle ein Mann in einer Beziehung zu spielen hat und welche sexuellen Erlebnisse er in seiner Jugend abgehakt haben sollte, kannst du noch arbeiten.

Wichtig scheint mir, dass du mit deiner Freundin im Gespräch bleibst und dich nun nicht in Dialoge mit deiner verinnerlichten moralischen Instanz verabschiedest oder dich in endlosen Spiralen der Selbstentwertung zerfleischst. Denn Verarbeitung bedeutet nichts anderes als den offenen Umgang mit deinen vorläufigen Urteilen, mit dem Ziel, den dahinterliegenden Haltungen und Wertvorstellungen auf die Spur zu kommen. Und so nach und nach die eigenen Geschlechterrollen- und Beziehungsbilder zu verändern.

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Möglicherweise fürchtest du dich aber vor dieser Auseinandersetzung. Vielleicht, weil du dich angesichts der Erfahrungen deiner Freundin ihr gegenüber minderwertig fühlst und du deshalb Schamgefühle empfindest. Oder weil du spürst, dass du mit deinen unbewussten Besitzansprüchen und damit zusammenhängenden Eifersuchtsgefühlen in Kontakt kommen wirst. Falls dem so ist, rate ich dir zum Versuch, diese Gefühle zu überwinden und dich trotz allem mutig dem Gespräch zu stellen.

Menschen gehören niemandem außer sich selbst. Wer diesen Grundsatz beherzigt, für den oder die wird Beziehung zu einer Gemeinschaft freier Menschen, die etwas miteinander verbindet, das nicht von einem bestimmten Verhalten in der Gegenwart oder Vergangenheit abhängt sondern sich herzoffen zugewandt und bereit sind, sich ein echtes Gegenüber zu sein und zusammen Mensch-sein in allen Facetten zu erleben und zu teilen.

Der Weg zu einer solchen Beziehungsform ist mit schmerzhaften Prozessen gepflastert. Man muss sich nämlich mit den eigenen Verlustängsten, mit der Furcht vor Einsamkeit und den eigenen Selbstzweifeln auseinandersetzen. Das ist vielen zu anstrengend, weshalb sie sich lieber für ein Abhängigkeitsverhältnis und die damit einhergehenden endlosen Streitereien entscheiden. Ganz nach dem Motto: Lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück. (wer)