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"Ich finde meinen Sextrieb total daneben"

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Was den Sex angeht, ist Piero zur Ruhe gekommen, seit er eine Freundin hat. Jedoch ertappt er sich oft dabei, wie er fremden Frauen in den Ausschnitt schielt.

Frage von Piero (28) an Doktor Sex: Vor etwa drei Jahren bin ich in meinem Liebesleben auf einer neuen Stufe angekommen. Seither ist die Zeit vorbei, in der ich immer eine andere Frau im Bett haben musste, und ich fühle mich besser so. Ich habe nun eine Beziehung und wunderbaren Sex mit meiner Freundin. Ich bin so tief und echt verliebt wie nie zuvor. Jedoch fange ich immer wieder zu schielen an, sobald eine knackige Frau im Minirock oder mit einem tiefen Ausschnitt vor mir steht. Für kurze Zeit habe ich dann tierisch Lust auf Sex.

Ich will das aber nicht, denn es ist respektlos meiner Freundin und der Frau gegenüber, die ich anschaue. Ich respektiere Frauen grundsätzlich und nicht nur wegen ihres Körpers. Meinen Trieb, einer Frau in den Ausschnitt zu schauen, finde ich daneben, weil ich eigentlich nicht so bin oder nicht so sein will. Ist dieser üble Männerblick meinen Hormonen geschuldet? Hat er etwas mit dem Konsum von Pornofilmen zu tun? Oder liegt der Grund dafür in meiner ausschweifenden Vergangenheit?

Antwort von Doktor Sex

Lieber Piero

Ich denke, dass es das, was du als "üblen Männerblick" bezeichnest, so nicht gibt. Der Blick an sich ist nämlich unschuldig. Es sind die Gedanken, die bei dir dazu abgehen, die ihn zu dem machen, was er für dich ist. Zum einen also, dass du dabei sofort an Sex denkst, zum anderen, dass du dich dafür selber verurteilst. Mit anderen Worten: Es ist in erster Linie deine Überzeugung, vor drei Jahren auf einer "neuen Stufe" angekommen und dadurch zu einem "besseren Menschen" geworden zu sein, die deine Blicke heute zum Problem werden lassen. Indem du die tiefe und echte Liebe, die du für deine Freundin empfindest, und den wunderbaren Sex, den du mit ihr hast, idealisierst, und zum Maß aller Dinge erhebst, entwertest du den dunklen, triebhaften und nicht domestizierbaren Aspekt deiner Existenz. Und damit stellst du dich selber vor unlösbare Probleme.

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Ganz Mensch zu sein, bedeutet, auch mit den Anteilen der eigenen Persönlichkeit in Kontakt zu sein und einen Umgang zu finden, die nicht den gängigen Moralvorstellungen entsprechen – denjenigen also, die das Gegenstück dessen darstellen, was gemeinhin als "gut" oder "richtig" gilt. Weil dies aber nicht einfach ist und der Kontakt mit der eigenen Schattenseite einen – wie du gerade erlebst – in höchste Gewissensnöte stürzen kann, erscheint es auf den ersten Blick naheliegend, diese Persönlichkeitsaspekte abzuspalten, indem man versucht, sie loszuwerden und – wie du – als das bezeichnet, was man nicht ist oder nicht sein will. Eine subtilere Form ist der Versuch, sich selbst als Opfer darzustellen, also jemand oder etwas außerhalb von einem selbst dafür verantwortlich zu machen – beispielsweise den Teufel, die Gene oder – gerade wenn es um Sex geht – den Trieb oder die Pornographie.

Das alles mag zwar eine Zeit lang funktionieren, aus der Welt schaffen oder zum Schweigen bringen lässt es sich so aber nicht. Wenn sie aus dem Bewusstsein ausgegrenzt werden, drängen sie durch die Hintertür, beispielsweise in Form von Träumen oder von außen durch Menschen, die diese Seiten ausleben, wieder hinein. Die einzige Möglichkeit, mit ihnen und damit auch mit sich selbst Frieden zu finden, ist hinzuschauen und sie als Teil der eigenen Persönlichkeit zu akzeptieren. Für dich könnte das heißen, nicht länger Fragen zu stellen nach dem Warum, sondern dich so wie du bist zu akzeptieren, nämlich als Mensch mit Licht- und Schattenseiten.