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"Ich finde, Sex ist total überbewertet!"

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Seit er in einer Beziehung ist, denkt Jon anders über den Stellenwert der körperlichen Interaktion. Aber ganz hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Frage von Jon (36) an Doktor Sex: Ich dachte früher immer, Sex sei das Wichtigste im Leben. Daher beschäftigte ich mich gedanklich Tag und Nacht damit. Mit der Zeit begann ich, Symptome einer Sex- und Masturbationssucht zu entwickeln. Seit zwei Jahren lebe ich nun aber in einer Beziehung. In dieser ist jedoch schon seit einiger Zeit der Wurm drin, was den Sex angeht. Meine Partnerin ziert sich, gewisse Praktiken mit mir zu machen.

Auch darum bin ich zum Schluss gekommen, dass Sex total überbewertet ist. Zwar wird dauernd darüber gesprochen, so dass man denken könnte, alle hätten überall und zu jeder Zeit Sex. In Tat und Wahrheit geht es aber den meisten so wie mir: Sie haben kaum Sex und vor allem viele endlose Diskussionen darüber in der Beziehung. Darum meine Frage: Was kann ich tun, um aus dieser Misere herauszukommen?

Antwort von Doktor Sex

Lieber Jon

Wenn du mit dem Begriff Sex den eindringenden Geschlechtsverkehr meinst – also die Penetration der Vagina oder des Anus durch den Penis des Mannes oder einen Dildo – stimme ich dir zu: Diese Form der sexuellen Interaktion wird auch aus meiner Sicht überstrapaziert. Bei mir entsteht manchmal der Eindruck, dass es – insbesondere für viele Männer – neben dieser keine auch nur annähernd befriedigende Form von körperlicher Nähe zu geben scheint.

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Es ist dieser eingeengte Blick auf Sex, der zu den endlosen Diskussionen führt, die du erwähnst. Und dass diese nicht enden, ist dem Umstand geschuldet, dass die beteiligten Personen meist keinen Zoll von ihren Positionen abweichen wollen und stattdessen mantraartig ihre Interessen wiederholen.

Meine Erfahrungen aus den Paarberatungen in meiner Praxis zeigen: Sobald die Sache an sich – also das beidseitige Bedürfnis nach körperlicher Nähe – ins Zentrum der Gespräche rückt, kommt sofort Bewegung in die Sache. Es geht dann nämlich plötzlich nicht mehr darum, die Egoschiene zu fahren, in der Überzeugung, genau zu wissen, was guter und "richtiger" Sex ist.

Um echte Lösungen zu finden, braucht es oft auch noch eine Sensibilisierung für die Tatsache, dass es bei solchen Streitereien häufig gar nicht um Sex geht, sondern dieser eine Stellvertreterfunktion ausübt. Weil viele Männer auf Dauer nicht ohne Sex sein wollen, ist es für ihre Partnerinnen ein Leichtes, diese Abhängigkeit zu instrumentalisieren – nach dem Motto: Gibst du mir dies oder das, kriegst du dafür Sex.

Ich denke, dass du die geschilderten Erkenntnisse in deiner Beziehung einbringen kannst, indem du deine Partnerin zu einem Gespräch einlädst und mit ihr über eure konkreten Bedürfnisse bezüglich körperlicher Nähe sprichst und was es braucht, damit diese realisiert werden können. Idealerweise sprecht ihr dabei nicht primär über sexuelle Praktiken, denn sonst landet ihr wohl sofort dort, wo ihr immer landet.

Beschreibt vielmehr, was euch an der körperlichen Nähe mit dem Partner wichtig ist und insbesondere, was diese bei euch bewirkt. So könnt ihr nämlich feststellen, worum es neben der Lustbefriedigung beim Sex auch noch geht. Macht euch danach gemeinsam Gedanken darüber, wie man das alles bei einer Form von Sex erreichen könnte, die über ein paarmal Rein-Raus, Abspritzen und Einschlafen hinausgeht.

Ihre Frage an Doktor Sex: [email protected]

(wer)