Österreich

"Ich ging zur Pediküre und verlor fast meinen Fuß"

Nach der Fußpflege wäre der Wiener Herbert S. beinahe zum Pflegefall geworden.

Heute Redaktion
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Herbert S. hat sein Leben lang hart gearbeitet. In der Pension gönnt sich der 79-jährige Wiener Bauunternehmer mit seiner Lebensgefährtin immer wieder schöne Reisen. Ein sechswöchiger Aufenthalt in Thailand wäre dem Diabetiker jedoch beinahe zum Verhängnis geworden.

"Ich habe nach einer Pediküre im Urlaub eine Infektion bekommen. Ein kleiner Schnitt, den ich erst nicht bemerkt habe, hat sich durch das warme Wasser und den Sand stark entzündet. Meine Zehe war nach drei Wochen in so schlechtem Zustand, dass ich dachte, ich müsse mich von ihr verabschieden."

Der rüstige Rentner kehrte heim und fuhr vom Flughafen Schwechat direkt ins Krankenhaus. Nicht nur die mittlere Zehe seines rechten Fußes war bedroht, sondern der ganze Fuß. "Amputation ist bei Diabetikern in vielen österreichischen Spitälern leider noch immer stark verbreitet", warnt Dr. Gerit-Holger Schernthaner.

Das ABC für diabetischen Fuß

ÖGIA-Präsident Dr. Gerit-Holger Schnerthaner hat mit Kollegen ein ABC für diabetiscehs Fuß-Syndrom ausgearbeitet, um Risiken zu minimieren.

"A wie Aufmerksamkeit": Wenn ein Patient nicht gehen kann oder eine Wunde am Fuß nicht heilen will, nicht lange warten, sondern sofort zum Arzt gehen.

"B wie behandeln" (akut). Effektiv und schnell ist erstmal eine Kontrolle des Fußpulses. Wenn kein Puls spürbar ist, funktioniert die Durchblutung schlecht. Für den praktischen Arzt heißt das: Nicht abwarten, sondern den Diabetiker sofort in eines der zehn gefäßchirurgischen Zentren in Österreich schicken.

"C wie chronisch-konsequente Basis-Therapie". Zuckerkranke müssen gut eingestellt werden und dauerhaft Medikamente nach dem neuesten medizinischen Stand erhalten.

Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Internistische Angiologie (ÖGIA) behandelt Herbert S. seit Jahren. "Hätte er seinen Fuß amputieren müssen, wäre er wahrscheinlich schon tot", sagt der Mediziner.

Lebensbedrohliche Amputation

Offiziell leben rund 600.000 Diabetiker in Österreich, die Dunkelziffer liegt jedoch bei ca. einer Million, so Schernthaner. Gerade Patienten mit sogenanntem diabetischen Fuß-Syndrom würden oft gefäßmedizinisch schlecht versorgt. In der Folge verlieren sie ihren Fuß oder gar das ganze Bein. Und das kann für Betroffene immer noch lebensbedrohlich sein.

"Bei Zuckerkranken muss man fünf Jahre nach der Amputation in über 70 Prozent der Fälle auch das andere Bein amputieren", klärt Schernthaner auf. Wenn die Wunde nach der Entfernung des Unterschenkels nicht heilt, muss der Oberschenkel abgenommen werden. "Bei Diabetikern liegt die Wahrscheinlichkeit von über 60 Prozent, ein Monat nach der Oberschenkel-Amputation zu sterben."

Auch der zweite Fuß betroffen

Herbert S. hatte Glück. Er steht immer noch mit beiden Beinen fest im Leben. Doch er muss auf sich aufpassen. Ein Schuh scheuerte seinen anderen, linken Fuß so stark auf, dass die Wunde wieder gefährlich für ihn wurde. "Ich hatte kein Gefühl im Fuß und nicht gespürt, dass ich mich aufgewetzt habe", erzählt er. "Ich lebe mit dem ständigen Risiko, meine Beine zu verlieren."

Als Genussmensch darf Herbert S. es nicht mit dem Naschen übertreiben. Auch wenn er manchmal sündigt, weiß er: "Es tut nicht weh, auf sich zu schauen. Es schmerzt erst, wenn es zu spät ist."