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"Ich habe panische Angst vor Sex!"

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Seit einiger Zeit kann Lara körperliche Nähe nicht mehr zulassen. Früher hatte sie damit keine Probleme. Liegt der Grund dafür in ihrer Vergangenheit?

Frage von Lara (24) an Doktor Sex: Ich hatte schon sehr lange keine Beziehung und auch keinen Sex mehr. Nicht, dass mich keiner haben will, aber ich lehne einfach immer ab. Das letzte Mal, als ich mich darauf einließ, hatte ich eine richtige Panikattacke. Ich weiß nicht, was mit mir los ist und wieso ich körperliche Nähe nicht mehr ertragen kann. Früher ging alles ohne Probleme. Ich leide sehr darunter und wünsche mir sehr, wieder eine normale Beziehung aufbauen zu können. Es gab zwar in der Vergangenheit ein unangenehmes Erlebnis, allerdings war ich bisher immer der Meinung, dieses ganz gut weggesteckt zu haben. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass es mich verfolgt oder wirklich belastet. Wie kann ich lernen, Nähe wieder zuzulassen?

Antwort von Doktor Sex

Liebe Lara

Deine kategorische Ablehnung sexueller Angebote und auch die Panikattacke, die sich einstellte, als du das letzte Mal Sex und damit Nähe zuließest, weisen aus meines Sicht darauf hin, dass das von dir erwähnte unangenehme Erlebnis aus der Vergangenheit möglicherweise stärker wirkt, als du denkst oder wahrhaben möchtest.

Sexuelle Grenzüberschreitungen und sexueller Gewalt können sich nachhaltig auf das Denken, Verhalten und das emotionale Erleben auswirken und in vielen Fällen wäre es für die Opfer unterstützend, wenn sie ihre Erfahrungen therapeutisch aufarbeiten würden. Untersuchungen zeigen nämlich, dass den Betroffenen die bewusste Auseinandersetzung mit erlittenen Angriffen auf die körperliche und psychische Integrität ermöglicht, die unangenehmen und teilweise als existenzbedrohende Erfahrungen angemessen in ihr Leben zu integrieren und sich so zusätzliches Leiden zu ersparen. Häufig versuchen die Opfer aber das Vorgefallene zu verdrängen und unter Zuhilfenahme von bestimmten Überlebensstrategien möglichst weiterzuleben wie bisher, und vor sich selber und auch nach außen so zu tun, als ob nichts geschehen wäre.

Eine dieser Überlebensstrategien ist das Vermeiden von Situationen, in denen es zu körperlicher Nähe oder Sex kommen könnte. Dies führt oft dazu, nahen Beziehungen ganz grundsätzlich auszuweichen. Dadurch können sich die Betroffenen davor schützen, erneut mit dem Erlebten konfrontiert zu werden und sich damit und mit den dazu gehörenden leidvollen Emotionen auseinandersetzen zu müssen. In der Regel gelingt diese Abwehrstrategie eine Zeit lang recht gut. Aber auf Dauer führt der ständige Konflikt zwischen der Notwendigkeit, das Erlebte aus Angst abspalten zu müssen und dem Bedürfnis, Liebe und Nähe zu leben bei den meisten Betroffenen zu massiven psychischen Spannungen.

Einiges von dem, was du in deiner Frage erwähnt hast, scheint mir dem nahezukommen, was ich eben beschrieben habe. Ich denke daher, du solltest dich einmal in Ruhe mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dir im Umgang mit dem, was du erlebtest, professionelle Begleitung zu holen. Auf der Webseite der Opferhilfe Schweiz findest du Informationen und Adressen von Beratungsstellen, bei denen du dich zu einem unverbindlichen Gespräch anmelden kannst. Die speziell geschulten Fachleute – du kannst wählen, ob du mit einer Frau oder einem Mann sprechen möchtest – werden dir zeigen, welche Möglichkeiten du hast und dich auch bei der Suche nach einer geeigneten Therapie unterstützen, falls du dich für eine solche entscheiden solltest.

(wer)